Tichys Einblick
Gewalt ist Gewalt

Zweierlei Maß

Würden Attacken von Rechtsextremisten auf Polizisten zielen, wäre das Echo weitaus größer und die Ablehnung zu Recht einhellig, auch im nicht-linken Lager: ohne Wenn und Aber.

Michael Trammer/Pacific Press/LightRocket via Getty Images

Die absehbaren Vorgänge zu Silvester in Leipzig-Connewitz sind in doppelter Hinsicht ein Symptom: Zum einen fällt Connewitz immer wieder durch linksextremistische Ausschreitungen auf, zum anderen gibt es in der Politik, den Medien und der Wissenschaft stets Personen, die relativieren: Die Polizei habe schon durch ihre vorherige penetrante Präsenz das Milieu provoziert; es handle sich nicht um linke Demonstranten, sondern schlicht um unpolitische Krawallmacher. Teile der linken Parteien argumentieren so. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat der jetzigen Vorsitzenden Saskia Esken, die jüngst mit Zweideutigkeiten aufwartete, den Marsch geblasen. Machen wir ein Gedankenexperiment: Würden Attacken von Rechtsextremisten auf Polizisten zielen, wäre das Echo weitaus größer und die Ablehnung zu Recht einhellig, auch im nicht-linken Lager: ohne Wenn und Aber. Gewalt ist Gewalt.

Existenz von Polizisten ist keine Provokation

Ein demokratischer Verfassungsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland braucht eine funktionierende, keine verunsicherte Polizei. Sie sorgt für das Gewaltmonopol des Staates. Die Existenz von Polizisten, die rechtsfreie Räum nicht zulassen dürfen, ist keine Provokation. Darüber sollte gesellschaftlicher Konsens bei allem legitimen Streit in der politischen Auseinandersetzung bestehen. Und Kritik an der Polizei muss selbstverständlich auch möglich sein, freilich nicht in einer solchen Weise, die zu einer Täter-Opfer-Umkehr führt. Der verbreitete Begriff „Eskalation“ suggeriert, beide Seiten würden in einer Art von Eigendynamik über die Stränge schlagen. Und jeder Teilnehmer an einer solchen Zusammenrottung von mehr als 1.000 Personen muss wissen: Der Schutz der „Masse“ hilft vermummten Gewalttätern. Da gilt nur eines: weggehen! Wieso hat der Zeugenaufruf des Landeskriminalamtes bisher zu keinem Erfolg geführt? Ist die Solidarität mit linken Gewalttätern größer als die mit der Polizei?


Eckhard Jesse ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der TU Chemnitz und ist einer der führenden Extremismusforscher


Dieser Beitrag ist zuerst bei Die Tagespost erschienen

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