Tichys Einblick
Erschreckende Umfrage

Zwei von fünf Ärzten wurden körperlich angegriffen

Angriffe auf Ärzte und Pfleger sind in Deutschland zur Normalität geworden. Das hat eine Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ergeben. Auch wenn die zögert, die Täter beim Namen zu nennen.

picture alliance/dpa | Britta Pedersen

Ein Schwerverletzter kommt in die Klinik. Alltag. Sollte man meinen. Doch der Verletzte ist Angehöriger einer Familie. Also einer „Familie“. Einer, die sich über dem Gesetz stehen sieht. Die sich vom deutschen Staat in dieser Sicht auch bestätigt sieht, etwa indem der Verurteilte solcher „Familien“ aussuchen lässt, wann sie ihre Haft antreten wollen. Die Angehörigen umlagern nun diese Klinik und die muss unter Polizeischutz gestellt werden.

Alltag in Berlin. In ein anderes Klinikum kommen zwei „Brüder“. Einer ist verletzt und der andere der Meinung, dass Warten unter der Familienwürde ist. Als ein Pfleger und ein Arzt das anders sehen, schlägt er sie nieder und verletzt sie schwer. Aus seiner Sicht setzt er das Recht des Stärkeren um. Oder wie Katrin Göring-Eckardt einst ausdrückte: Er verhandelt das Zusammenleben in Deutschland neu aus.

Zu diesem neu verhandelten Zusammenleben gehören Angriffe auf Ärzte und Pfleger wie selbstverständlich dazu: „Körperliche und verbale Gewalt bedroht zunehmend auch Praxen“, teilt die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter den Ärzten, auf die es eine „enorme Resonanz“ gegeben habe, wie die KBV weiter mitteilt. Eine Resonanz, die zeige, wie ernst die Ärzteschaft das Thema nehme.

Vier von fünf niedergelassenen Ärzten oder Psychotherapeuten haben demnach allein im letzten Jahr verbale Gewalt erlebt. Zwei von fünf Ärzten erfuhren in den letzten fünf Jahren selbst körperliche Gewalt. Das beginnt beim Schubsen, geht über Spucken und Tritte gegen das Schienbein bis hin zu schweren Angriffen. „Die Verrohung der Sitten ist erschreckend“, sagt Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV.

Über die Ursachen äußert sich der Funktionär zurückhaltend bis nebulös: „Ein gesamtgesellschaftlicher Werteverfall trifft auf ein überlastetes und kaputt gespartes Gesundheitssystem.“ Oder: „Insgesamt ist der Ton in unserer Gesellschaft rauer geworden“, wie Gassen sagt. Wie muss man sich das nun vorstellen? Einen rauer werdenden Ton?

Ist der Ton ein eigenständiges Wesen, das nun von der guten zur schlechten Seite gewechselt ist? Sind es die älter werdenden Deutschen, die Ärzte anspucken und angreifen? Der Kampf gegen militante Rollator-Fahrer ist ja bekanntlich ein Schwerpunkt der Arbeit von Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Oder ist es doch die Zuwanderung aus einem Kulturkreis, in dem zuerst an die Reihe kommt, wer den gewalttätigsten Bruder dabei hat?

Wie auch immer: Die Ampel will nun gegen den „rauen Ton“ vorgehen, den Schuft. Angriffe auf Ärzte, Pfleger und Notfallpersonal sollen künftig grundsätzlich härter bestraft werden als gegen Normalbürger. Damit kämen diese zu einem Sonderschutz, den Politiker für sich selbst längst beschlossen haben. Der Kampf gegen den „rauen Ton“ wird so verschärft – vielleicht wäre es aber auch sinnvoll, ihn auf die zu übertragen, die den Ton rauer werden lassen. Dann wären auch die geschützt, die nicht unter den Sonderschutz fallen.

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