Wo ist Jimmy Hoffa? Wenn Sie einmal im Norden der USA unterwegs sein sollten, in Michigan, dann können Sie ja mal bei der Bloomfield-Filiale der Andiamo-Kette essen gehen. Sie können sich dort auf den Parkplatz stellen und an die Zeit zurückdenken, als an dem Ort noch das Restaurant Machus Red Fox stand.
Am 30.7.1975, gegen 14:30 Uhr wurde der US-Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa auf dem Parkplatz des Machus Red Fox zuletzt lebendig gesehen. Am 2.8.1975 nahm das FBI die Ermittlungen auf. Sein grüner Pontiac war schon am Tag zuvor auf dem Parkplatz gefunden worden, unverschlossen – es war also wohl kein Autounfall. Bis heute gibt es zu Hoffas Verschwinden und Tod nur Theorien.
Hoffa hatte Freunde wie auch Feinde, und es fragt sich, wer gefährlicher war. Hoffa war Boss der US-LKW-Fahrer-Gewerkschaft, und das ist der Punkt, an dem es schillernd wird. Hoffa wurde von Polizei und von Streikbrechern attackiert, er rechnete bei jedem Einsteigen ins Auto mit einer Autobombe, denn er organisierte Streiks und zwang die Bosse, den Arbeitern höhere Löhne und bessere Bedingungen zuzugestehen, – und hier kommt das »andererseits«: andererseits ließ Hoffa sich mit der Mafia ein, bediente sich aus Geldern, die ihm nicht zustanden, er wurde wegen Betrug und anderen Freundlichkeiten verurteilt und trat 1967 seine Haftstrafen an – und 1971 wurde er von Nixon wieder auf Bewährung freigelassen, wenn auch unter strikten Auflagen. Als Hoffa 1975 im Alter von 62 Jahren verschwand, arbeitete er an einem (weiteren) Buch über sein Leben und an seiner Rückkehr als Gewerkschafter.
Ein Moralist könnte sagen, dass Hoffa keine Bewunderung und keine Anerkennung verdiente, er hatte ja Verbrechen begangen, was also macht Hoffa zu einer so schillernden, faszinierenden Figur? Hoffa beging Verbrechen, kein Zweifel, doch er half eben auch und zuerst Arbeitern, und der Name »Hoffa« wurde zum Synonym für Gewerkschaftsboss. Der heutige Boss der US-LKW-Fahrer-Gewerkschaft, der »Teamster« also, ist Hoffas inzwischen 77-jähriger Sohn James P. Hoffa.
Was gut für sie ist!
Sozialisten, Sekten und Journalisten besitzen eine Reihe überlappender Eigenschaften, allen voran diese: sie meinen zu wissen, was das Beste sein soll für andere Leute.
Im deutschen Fachblatt für Ich-weiß-was-gut-für-dich-ist, der »Zeit«, stand jüngst im Teaser eines Textes:
Warum wählen so viele Menschen gegen ihre eigenen Interessen? (zeit.de, 8.10.2018)
Im Text geht es dann um die aktuellen Präsidentschaftswahlen in Brasilien, der Text ist überschrieben mit »Selbstzerstörung auf Brasilianisch«, doch dieser Vorwurf ist ein Dauerakkord globalistischer und postdemokratischer Publizistik: Was erlaubt sich der Wähler denn da?
Die Spender und Konzerne (und damit: linke Journalisten) hinter Hillary Clinton haben bis heute nicht den Affront verarbeitet, dass die US-Wähler den Mann zum Präsidenten machten, den sie wollten, statt für die Politmarke »Clinton« zu stimmen, die doch (teils via Clinton Foundation) so viele Freunde in den feineren Schichten hat, zum Beispiel Saudi-Arabien (Kategorie 10-25 Mio $, siehe clintonfoundation.org), das deutsche Umweltministerium (Kategorie 1-5 Mio $, siehe clintonfoundation.org) und natürlich viele Herren in Wallstreet (u.a. George Soros und diverse Hedgefunds, siehe z.B. cnbc.com, 21.9.2016). – Am Rande: Wenn Sie demnächst in den USA unterwegs sind und 75 bis 750 US-Dollar zu viel auf dem Konto haben, können Sie ja Tickets kaufen für einen Show-Abend mit den umherreisenden Clintons, siehe z.B. rollingstone.com.
Bengasi-Effekt
Am 11. September 2012 wurde auf das US-Konsulat in Bengasi, Libyen, ein Anschlag verübt, bei dem 4 Amerikaner und 7 Libyer starben. Im Vorfeld waren mehrfach zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen beantragt worden, die das US-Außenministerium aber abgelehnt hatte. Hillary Clinton, die damals als Außenministerin fungierte, übernahm später die (wohl moralisch gemeinte) Verantwortung.
Fox-News und konservative Publizisten fokussierten sich auch im 2016-Wahlkampf auf die Aufbereitung des Bengasi-Anschlags, und das war aus Sicht der Wahlkampfs und der Abbildung politischer Lager nicht unklug.
Der Fall Bengasi erlaubt, Hillary Clinton als eine Politikerin zu zeichnen, welche die Menschen, die ihr anvertraut sind, ohne guten Grund der Gefahr ausliefert. Im Wahlkampf dann gelang es dem Trump-Team, ihren Kandidaten als jemanden darzustellen, der die US-Bürger beschützt, während Hillary Clinton nur an sich und die Konten ihres Clans denkt und die Bürger egoistisch der Gefahr ausliefert.
Eine Wahl nach der anderen
Die Herrschaften, die Clinton und Co. sponsern, die via NGOs und Thinktanks auch in Deutschland in die öffentliche Meinungsbildung eingreifen, tun es nicht aus Nächstenliebe. Aus der Tatsache, dass etwas von der Steuer abzusetzen ist, folgt keinesfalls, dass es immer dem Wohle der Gesellschaft dient. Aus der Tatsache, dass eine Zeitung sich moralisch gibt, folgt keinesfalls, dass ihr Handeln stets von reinen Motiven getrieben ist.
In Redaktionen und anderen Hinterzimmern stellt man empört fest, dass weltweit immer öfter ein Typus von Politikern erfolgreich ist, den das Establishment begrifflich hilflos als »populistisch« bezeichnet.
Nun ist »populistisch« heute ein fast ganz abgegriffener Kampfbegriff. Ich selbst verstehe unter »populistisch« eine ungerechtfertigte Vereinfachung eines Problems oder eines Lösungsvorschlags, mit »ungerechtfertigt« als zu debattierender Variable, da jede politische Lösung vereinfachen muss. (Alexander Gauland definierte jüngst in der FAZ: »Populistisch heißt: gegen das Establishment« – ich teile diese Definition nicht; auch das Establishment kann erfrischend populistisch daherkommen.)
Heute ist in der öffentlichen Debatte »populistisch« keine Beschreibung von Eigenschaften, sondern das politische Äquivalent zu »du bist doof«. Wenn es einen Gradmesser des Populismus gäbe, würde sich einem neutralen Beobachter kaum erschließen, was an der AfD »populistischer« sein sollte, als etwa an den Grünen Wir-haben-uns-alle-lieb-Thesen (siehe auch: »Vorabend der Idiokratie«) oder sogar an Merkels gefährlichem Wir-schaffen-das.
Jeder Politiker vereinfacht, um eine Botschaft zu transportieren und um überhaupt politisch handeln zu können. Eine politische Botschaft, die nicht vereinfacht, würde dem Versuch entsprechen, ein 1:1-Modell der Erde zu bauen. Ob etwas als »populistisch« beschimpft wird, hängt oft davon ab, ob es die eigenen Leute sind, die vereinfachen, oder die Leute des anderen.
Es gibt heute eine Vereinfachung, die global agierenden Konzernen wie Investoren (und damit linken Journalisten) ein Dorn im Auge ist, deshalb rufen sie extra laut: »Rechtspopulismus!«
Einst fürchteten Fabrikbesitzer (und manche tun es bis heute), dass Arbeiter sich zusammenschließen, damit der Einzelne den Fabriken nicht ausgeliefert ist. Heute fürchten global agierende Konzerne und Investoren (und damit linke Journalisten), dass Bürger sich Politiker wählen, die sie vor der Macht postnationaler, postdemokratischer Akteure schützen.
Die eine Vereinfachung, welche global agierende Konzerne und Investoren (und damit linke Journalisten) fürchten, ist schlicht, dass ein Politiker das Wohl seines Volkes mehren und Schaden von ihm abwenden sollte.
Sie haben gemerkt: Ich habe hier die Wortwahl des Amtseides übernommen. »Populist« ist heute oft eine Beschimpfung für Politiker, die versprechen, sich an den Amtseid zu halten.
Viele Trumps
Mit jedem Politiker, der verspricht, das Wohl seines Volkes zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden, erhebt sich großes Wehklagen: »Rechtsruck!« heißt es, et cetera.
Die Liste der Politiker-Namen, die von geheimnisvollen NGOs und allzu braven Journalisten attackiert werden, wächst gefühlt alle paar Wochen. Hier eine Auswahl aktuell vieldiskutierter Namen, sortiert nach Datum des Amtsantritts: Viktor Orbán (Ministerpräsident Ungarn, 1998-2002/seit 2010), PiS (Partei »Recht und Gerechtigkeit« in Polen, seit 2015), Trump (Präsident USA, seit 2017), Sebastian Kurz (Bundeskanzler Österreich, seit 2017), Andrej Babiš (Ministerpräsident Tschechische Republik, seit 2017), Matteo Salvini (Innenminister Italien, seit 2018). Manche Erfolge sind eher Achtungserfolge, wie etwa Geert Wilders in den Niederlanden oder Marine Le Pen in Frankreich, die in der Stichwahl dem Investmentbanker Emmanuel Macron unterlag, welcher de facto das gesamte Establishment Europas auf seiner Seite hatte.
Aktuell hat Jair Bolsonaro in Brasilien die erste Runde der Präsidentschaftswahl mit 46% für sich entschieden. Sein Gegner in der Stichwahl kam in der ersten Runde auf 29%, also stehen die Chancen recht gut für Bolsonaro.
Deutsche Medien können sich noch nicht entscheiden, ob sie Bolsonaro »rechts«, »rechtspopulistisch« oder »rechtsextrem« nennen, also verwenden sie abwechselnd alle drei Labels.
Bolsonaro ist, und da müssen wir keinen Zweifel aufkommen lassen, nicht der unproblematischste Zeitgenosse. Bolsonaro ist in etwa, als würde man den deutschen Rapper Bushido zum Politiker machen, zum Beispiel im Bezug auf Debattenkultur, Frauen- und Minderheitenrechte. (Immer aktuelle News zu Bushido bei bild.de.) Bolsonaro wurde schon »Mini-Trump« genannt und der »Trump der Tropen« (theguardian.co.uk, 19.4.2018). Bolsonaro ist ehemaliger Fallschirmjäger und man nimmt ihm ab, etwas gegen die Gewalt und Kriminalität im Land erreichen zu können – sprich: man nimmt ihm ab, dass er Brasilien – wenigstens ein wenig – beschützen kann.
Auch keine Ahnung
Der US-TV-Kommentator John Oliver, wie so viele US-TV-Persönlichkeiten ist er eher links, fasste in seinem Kommentar zu den Brasilien-Wahlen unbeabsichtigt zusammen, warum in so vielen Ländern die Linken ihre Deutungshoheit verlieren. In seinem (durchaus sehenswerten!) Beitrag (gratis auf YouTube) plädiert er, frei übersetzt ab 15:35:
Brasilien, ich verstehe, dass ihr angeekelt seid von eurer aktuellen Politik und dass ihr nicht inspiriert seid von einer der Alternativen, aber alles ist besser als Bolsonaro… (John Oliver)
Die linke Überheblichkeit, einem anderen Land kluge Ratschläge erteilen zu wollen, ist wenig überraschend. Wir stellten fest: Kommunisten, Sekten und Journalisten meinen zu wissen, was für andere Menschen das Beste ist. In den Kommentaren unter dem Video schreiben dann jedoch durchaus viele Brasilianer, teils auf Englisch, teils auf Portugiesisch, wie wenig Ahnung der linke TV-Promi offensichtlich von Brasilien hat, wie wenig er die Brasilianer versteht, und wie arrogant es wirkt, wenn ein britischer Amerikaner meint, anderen Ländern raten zu müssen, wie sie zu wählen haben.
Nun, die linke Überheblichkeit ist keine neue Angelegenheit, die sorglose Flapsigkeit des Ratschlags ist jedoch ungewohnt ehrlich. Sinngemäß sagt er: »Mir ist doch wurscht, wen ihr wählt, Hauptsache nicht, den, den ich nicht mag.« – Das ist keine konstruktive Zukunftsperspektive.
Beschützer vs. Auslieferer
Die Realität ist nicht immer so kompliziert, wie die professionellen Verwirrer sie erscheinen lassen wollen (siehe auch: »Populismus angeblicher Komplexität«).
Der Wähler, ob in Deutschland, in Tschechien, in den USA oder in Brasilien, trennt immer häufiger nicht nach guten oder bösen Populisten, nicht nach Korrekten und politisch Unkorrekten, sondern nach Beschützern und Auslieferern.
Politiker wie Angela Merkel sind Auslieferer, denn sie liefern die Menschen diversen Gefahren aus. Politiker wie Donald Trump sind Beschützer, denn sie versuchen, die Menschen zu beschützen.
Es ist kein Zufall, dass derzeit in Deutschland die Grünen und die AfD parallel stärker werden; beide sind jeweils auf ihre Weise Heimatparteien, beide versprechen zu beschützen, was den Wählern wichtig ist.
Ja, es ist Vereinfachung, die wir hier treiben, doch es sind nicht Elfenbeinturmbewohner, Globalisten oder gar Journalisten, die ich hier zufriedenstellen möchte; ich wende mich an Sie und mich, als Wähler, und versuche, uns selbst zu verstehen, und da scheint es mir hilfreich, in Beschützer und Auslieferer zu teilen.
Wo ist Jimmy Hoffa?
»Kein Arbeitgeber akzeptiert jemals wirklich eine Gewerkschaft«, hat Jimmy Hoffa einmal gesagt. So ähnlich ist es heute mit Konzernen und Investoren, wenn es um beschützende Politiker geht. Kein Konzern und kein Investor akzeptiert wirklich Politiker, die zuerst ihre Bürger beschützen.
Moderne Konzerne und ähnliche Organisationen verstehen nicht nur meisterhaft, ihre Gelder an Finanzämtern vorbeizuleiten, sie bilden auch immer öfter selbst eigene Staaten, mit einem Campus, wo viele tausend Angestellte ihren Tag verbringen und versorgt werden, mit eigenen Moralregeln und gefühlt eigenen Gesetzen. Konzerne und Investoren versuchen (mit wechselndem Erfolg), Nachrichtenströme zu beeinflussen und den Investoren genehme Politiker zu fördern. Die Annahme, dass ein profitorientierter Konzern, der Steuern an Staaten vorbeileitet, der Datenschutz und Privatsphäre eher niedlich findet, der Menschen keinen Cent mehr zahlt als er unbedingt zahlen muss, die Vorstellung also, dass ein solcher Konzern irgendwelche Politiker, NGOs oder Initiativen aus anderen Gründen als dem Profit fördert, diese Vorstellung ist von vollständiger Absurdität – dass aber heutige Journalisten sie stillschweigend akzeptieren, das sagt eigentlich alles Notwendige über die Reflektionstiefe der schreibenden Kaste aus.
Den Arbeitern, die Gewerkschaftsbosse wie Jimmy Hoffa wählten, zählte vor allem, dass Hoffa den einzelnen Arbeiter vor den Unbillen der reinen kapitalistischen Logik schützen kann. Natürlich wussten die Gewerkschaft von seinen Umtrieben, doch sie glaubten ihm, dass es sie schützen kann; es war nicht ein Heiliger, den sie wählten (siehe: »Für die Mächtigen gilt eine andere Moral«).
Heute plädieren Gewerkschaften aktiv für die Zuwanderung billiger Arbeitskräfte, auf der »Verdi Flüchtlingskonferenz« heißt es unterm Schlagwort »Refugees Welcome« zum Beispiel: »Wir sind eines der reichsten Länder der Erde, die Aufnahme der Flüchtlinge dürfte für uns kein Problem sein.« (Quelle: verdi.de) – Man stelle sich vor, Hoffa hätte für unlimitierte Einwanderung billigerer Arbeitskräfte geworben!
Wer heute den einzelnen Bürger den Stürmen der Wirtschafts- und Migrationsmärkte ausliefern möchte, der bekommt Orden, Fördergelder und öffentliches Lob. Wer den Bürger schützen möchte, wird als »Populist« und Übleres beschimpft – am lautesten oft von jenen, die einst selbst die Bürger zu beschützen versprachen.
Jimmy Hoffa wurde bedroht und von Streikbrechern angegriffen. Wer heute den Bürger schützen möchte, wird von Antifa-Schlägern bedroht. Wer früher die Arbeiter schützen wollte, wurde des Kommunismus verdächtigt, heute sind »Rechter« und »Populist« die Universalschimpfwörter.
Heute ist jede einzelne Wahl – weltweit! – ein Tauziehen zwischen Beschützern und Auslieferern. Schaffen es Medien und NGOs, den Bürger via Psychotricks zu überzeugen, sich und seine Kinder der Gefahr auszuliefern – oder werden die Bürger jemanden wählen, von dem sie Schutz erhoffen?
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.