Mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland können sich keinen Internetzugang leisten, wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Dabei geht heutzutage fast gar nichts mehr ohne Internet: Zoom-Konferenzen und Home-Office gehören für die meisten zum Alltag. Ständige Kommunikation über die sozialen Medien ist zur Gewohnheit geworden. Und ohne die schnelle Informationssuche im Netz könnten die meisten Menschen nicht mehr leben. Für viele Menschen ist es daher unvorstellbar, keinen Internetanschluss zu haben. Ein solcher ist in Deutschland so normal geworden wie ein Strom- und Wasseranschluss.
Allerdings gibt es kein Recht auf einen Zugang zum Internet: Die Bürger müssen also dafür zahlen. Und das konnten im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt 2,6 Prozent der über 16-jährigen Deutschen nicht. Das sind 0,4 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor.
Wie wichtig es ist, in sämtlichen WhatsApp- und Facebook-Gruppen zu schreiben, darüber lässt sich streiten. Aber das Internet hat sich mittlerweile auch in lebensbestimmende Bereiche ausgeweitet: Die Sirenen von früher werden heutzutage von mehr und mehr Warn-Apps verdrängt. Auch wenn diese Apps vielen Menschen nicht gefallen und sie die nicht nutzen möchten, unterscheiden sie sich von denjenigen, die nicht das Geld dafür haben, solche Apps zu nutzen. In Hamburg können Menschen ohne Internet beispielsweise nicht vom „Cell Broadcast“ erreicht werden. Dieser sendet in Gefahrensituationen wie Großbränden oder Amokläufen Nachrichten an alle Handys in der gefährdeten Umgebung, damit sich die Menschen in Sicherheit bringen können. Ein Mensch ohne Internet erführe womöglich erstmal nichts von der Gefahr und würde sich entsprechend nicht oder zu spät in Sicherheit bringen. Und das nur, weil er nicht das Geld für Internet hat.
Die Warn-Apps haben sich vor allem während der Corona-Zeit entwickelt. Aber auch abgesehen von diesen Apps wäre die Pandemie ohne Internet für viele unvorstellbar gewesen: Arbeit, Universität und Schule liefen hauptsächlich über Zoom. Brauchte jemand ein neues Paar Schuhe oder einen neuen Kochtopf, konnte er das nur online – also im Internet – bestellen, da die meisten Geschäfte geschlossen waren. Die zwei Millionen Menschen ohne Internetzugang konnten während der Pandemie also weder studieren oder arbeiten, noch Klamotten, einen Topf oder Sonstiges kaufen.
Vom Internet ausgeschlossen zu sein, macht das Leben der zwei Millionen Menschen außerdem komplizierter: Zum Beispiel können sie das Deutschlandticket nicht bequem von zu Hause aus beantragen, sondern müssen dafür zu einem Servicecenter der Deutschen Bahn gehen. Wohnen sie in ländlichen Regionen, dann müssen sie zunächst eine Weile mit Bussen und Bahnen fahren, um zu solchen Servicecentern zu gelangen. Und wenn sie das Deutschlandticket in solchen beantragt haben, ist es ihnen nicht möglich, „Bahn-Bonus-Punkte“ auf ihren Kauf zu sammeln. Das geht nur bei der Online-Beantragung. Generell können diese Menschen nicht vom „Payback“ profitieren: Um in Geschäften wie Thalia, Rewe, H&M und DM Punkte sammeln zu können, um später etwas gratis zu bekommen, müssten sie sich online registrieren.
Auch hinsichtlich behördlicher Vorgänge haben Menschen ohne Internetzugang erhebliche Nachteile: Selbst deutsche Behörden haben seit Corona große Schritte in Richtung Digitalisierung gemacht. Dazu gehören Kindergeldanträge, Arbeitslosengeld, Apothekennotdienste und die Ausstellung von Meldebescheinigungen. Noch kann man sowas auch im Rathaus machen – das ist nur viel umständlicher und dauert länger.
Dass sich so viele Deutsche das Leben schwer machen müssen, statt auf das Internet zuzugreifen, liegt ganz einfach daran: Das Internet in Deutschland ist teuer. Im Preisvergleich der deutschen Internetanbieter gibt es kaum einen Tarif für unter 20 Euro im Monat. Dabei ist die Leistung des Internets sehr viel schlechter als in Ländern wie Finnland. Der Grund: In Deutschland müssen Internetanbieter wie Telekom oder Vodafone für Lizenzen bezahlen, um sich einen Platz am Markt zu sichern. Außerdem müssen sie privat dafür zahlen, die Netze aufzubauen. Diese Kosten legen sie dann auf ihre Kunden um, indem sie die Tarife verteuern. In Finnland hingegen gehören die Netze dem Staat und die Anbieter mieten so viel, wie sie gerade benötigen. Deswegen gibt es in Finnland kein begrenztes Datenvolumen wie in Deutschland. Die Finnen bekommen also unbegrenztes Datenvolumen für ähnliche Preise wie in Deutschland: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist attraktiver. Folgerichtig geben auch nur 0,3 Prozent der Finnen an, sich kein Internet leisten zu können.
Damit ist Finnland auf Platz eins in der europäischen Union. Die Spanne ist breit: In Rumänien geben im EU-Vergleich die meisten Menschen (9,1 Prozent) an, zu wenig Geld für einen Internetzugang zu haben. So viele Menschen sind es in Deutschland zwar nicht, aber trotzdem liegt die Bunderepublik leicht über dem prozentualen Durchschnitt der europäischen Union: Dieser liegt bei 2,4 Prozent.
Mit der Mischung aus Inflation und hohen Energiekosten, die sich in diesem Jahr bei weiten Teilen der Deutschen in der Brieftasche bemerkbar machen, könnte die Zahl der Menschen, die sich kein Internet leisten können, weiter steigen: Die 20 Euro im Monat für Internet, das häufig nicht mal für Zoom-Konferenzen ausreicht, brauchen immer mehr Menschen für andere Dinge: Beispielsweise fürs Essen oder fürs Heizen. Bleibt das Internet in Deutschland so teuer, wie es ist, würden also mehr Menschen sozial ausgegrenzt, von Warnhinweisen ausgeschlossen und in ihren behördlichen Prozessen eingeschränkt.