Wie die heute-Moderatorin Christina von Ungern-Sternberg erzählt, hatten Zuschauer dem Sender gesteckt, dass es viele engagierte Helfer in den von Überflutungen betroffenen Orten gibt. Einer von ihnen ist Markus Wipperfürth mit seinem Lohnunternehmen, der praktisch seit Tag eins im Katastrophengebiet an der Ahr ist.
Wipperfürth besitzt mehrere Reitanlagen in der Nähe von Köln, die zwar auch überschwemmt wurden, an denen aber das Schlimmste vorbeiging. So konnte Wipperfürth am nächsten Morgen in die Gebiete aufbrechen, die es schwerer getroffen hatte als seine Region. Die Moderatorin ist beeindruckt von der Dokumentation seiner Tätigkeit auf Facebook und den vielen Kommentaren. Wenn sie gewusst hätte, wieviel Kommentare es geben kann…
Doch auch die Moderatorin kann nicht mehr an sich halten angesichts seines unorthodoxen Statements, und so beginnt sie zu relativieren: Es war eben nur ein »Eindruck«, den der Mann »vor Ort« habe, es sei ja nicht so, dass niemand da war, ganz persönliche Erlebnisse seien es, die Wipperfürth gerade geschildert habe. Doch der beharrt: Bis zum Montag hatte er keine Nummer einer Einsatzleitung. Das heißt, private Helfer arbeiteten auf eigene Faust, ohne Unterstützung durch staatliche und kommunale Stellen, Bundeswehr oder Polizei. Der Staat, dein Freund und Helfer, die großen Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, alles scheint im Urlaub oder tragisch unorganisiert gewesen zu sein. Nach dem monumentalen Systemversagen beim Katastrophenschutz, nun das »Komplettversagen«bei der Katastrophenhilfe. Das ist Wipperfürths Wort. Und wieder kommen auch Zweifel an der Unabsehbarkeit der Katastrophe auf…
Von Ungern-Sternberg beharrt, es gebe eine Einsatzleitung, es gebe Behörden, die die Arbeiten koordinierten (meint sie, inzwischen?). Aber Wipperfürth kann – aus seinem persönlichen Erleben – leider nur mit dem Kopf schütteln. Erst seit Montag hat er eine Nummer der Einsatzleitung von der Bundeswehr. Davor gab es keinerlei Planung oder Organisation der Nothilfe durch offizielle Rettungseinheiten. In den ersten Tagen nach der Katastrophe sei viel schief gegangen.
Nach einem Film, der zwei Seelsorgerinnen im Katastrophengebiet zeigt, versucht es die Moderatorin noch einmal. »Sie sind nicht allein!«, ruft sie fast wütend in ihr Studio hinein. Es klingt ein bisschen so, als ob sie Befürchtungen damit verbindet, mit dem Hilfseinsatz freier Bürger. Später wird sie nach »Leuten aus der rechten Szene« fragen, die angeblich sogar mit falschen Polizeiautos durch die Gegend fahren und Falschmeldungen verbreiten. Wipperfürth distanziert sich davon, dass mit dem Leid Politik betreiben wird.
Am nächsten Tag berichtete der Sender etwas anders
Wipperfürth geht noch einmal ins Detail, man finde auch Gasflaschen im Schutt und müsse auch die ohne Feuerwehr »rausziehen«. Und dann noch einmal die Leichen. Nun eindeutig und im Plural. Ungern-Sternberg will eine psychologische Komponente hineinbringen und fragt, ob die Helfer abends Gespräche über das Erlebte führen könnten, in irgendeiner Weise Hilfe bekämen. Wipperfürth antwortet nicht direkt. Viele der Bauern, die »vorne« gearbeitet hätten, seien schon weg. Es ist ein Nein, und man kann das Trauma sehen.
Solches lässt sich natürlich nicht bruchlos in ein Narrativ vom kompetenten Staat einbauen, wie es in den öffentlich-rechtlichen Medien die Regel ist. Doch die Negation von Leid führt am Ende zu einem Eindruck von Kaltschnäuzigkeit. Und den gewinnt man leider auch aus einer kleinen Doku aus der Reihe ZDFzeit, die davon spricht, dass »Deutschland aufräumen muss«, während ein Bagger die Reste eines Fachwerkhauses abreißt. Die sich stellende Frage sei: Wie repariert man ganze Landstriche? Der Bericht müht sich redlich, die Aussagen von Anwohnern in den Kontext zu setzen, wirkt aber seltsam abgebrüht, mit seiner coolen Musikuntermalung. Man stellt sich jedenfalls auf einen Monate und Jahre dauernden Wiederaufbau ein. Seltsam unverbunden steht da noch ein O-Ton, gesprochen mit Blick auf eines der verwüsteten Flusstäler: »Ist halt Heimat, die ist dann weg.«