Tichys Einblick
Der ÖRR und die Flut

ZDF im Einsatz gegen Helfer – Auf das Engagement folgt die Stigmatisierung

Das ZDF hat sich in den letzten Tagen einen peinlichen Streit mit freiwilligen Helfern geleistet. Ein Video sorgte dabei für besonders viel Unmut. In der heute-Sendung werden die Erlebnisse eines Helfers bestritten und er selbst in verschiedene Ecken gerückt.

IMAGO/Xinhua

Wie die heute-Moderatorin Christina von Ungern-Sternberg erzählt, hatten Zuschauer dem Sender gesteckt, dass es viele engagierte Helfer in den von Überflutungen betroffenen Orten gibt. Einer von ihnen ist Markus Wipperfürth mit seinem Lohnunternehmen, der praktisch seit Tag eins im Katastrophengebiet an der Ahr ist.

Wipperfürth besitzt mehrere Reitanlagen in der Nähe von Köln, die zwar auch überschwemmt wurden, an denen aber das Schlimmste vorbeiging. So konnte Wipperfürth am nächsten Morgen in die Gebiete aufbrechen, die es schwerer getroffen hatte als seine Region. Die Moderatorin ist beeindruckt von der Dokumentation seiner Tätigkeit auf Facebook und den vielen Kommentaren. Wenn sie gewusst hätte, wieviel Kommentare es geben kann…

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Wipperfürth erzählt von seiner Arbeit: Fünf Tage waren er und andere Helfer allein im Katastrophengebiet. Der gesamte Mittelstand sei vertreten, mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen und LKWs werden Schutt und Sperrmüll weggefahren. »Es war kein THW da, es war keine Feuerwehr da, es war keine Bundeswehr da.« Drei Tage lebten die Helfer ohne fließendes Wasser oder Dixi-Klo. Er nahm an, dass die Feuerwehren, von denen er gehört hatte, anderswo eingeteilt waren. Im Nachhinein habe er erfahren, dass man sie weggeschickt hatte. Den ersten Sanitäter sah Wipperfürth am Montag, also am fünften Tag nach der Flut. Er fragt, was eigentlich sei, wenn man eine Leiche findet, ohne Polizei und ohne Seelsorger. Es sei eine Unverschämtheit gewesen, macht Wipperfürth sich Luft.

Doch auch die Moderatorin kann nicht mehr an sich halten angesichts seines unorthodoxen Statements, und so beginnt sie zu relativieren: Es war eben nur ein »Eindruck«, den der Mann »vor Ort« habe, es sei ja nicht so, dass niemand da war, ganz persönliche Erlebnisse seien es, die Wipperfürth gerade geschildert habe. Doch der beharrt: Bis zum Montag hatte er keine Nummer einer Einsatzleitung. Das heißt, private Helfer arbeiteten auf eigene Faust, ohne Unterstützung durch staatliche und kommunale Stellen, Bundeswehr oder Polizei. Der Staat, dein Freund und Helfer, die großen Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, alles scheint im Urlaub oder tragisch unorganisiert gewesen zu sein. Nach dem monumentalen Systemversagen beim Katastrophenschutz, nun das »Komplettversagen«bei der Katastrophenhilfe. Das ist Wipperfürths Wort. Und wieder kommen auch Zweifel an der Unabsehbarkeit der Katastrophe auf…

Von Ungern-Sternberg beharrt, es gebe eine Einsatzleitung, es gebe Behörden, die die Arbeiten koordinierten (meint sie, inzwischen?). Aber Wipperfürth kann – aus seinem persönlichen Erleben – leider nur mit dem Kopf schütteln. Erst seit Montag hat er eine Nummer der Einsatzleitung von der Bundeswehr. Davor gab es keinerlei Planung oder Organisation der Nothilfe durch offizielle Rettungseinheiten. In den ersten Tagen nach der Katastrophe sei viel schief gegangen.

Nach einem Film, der zwei Seelsorgerinnen im Katastrophengebiet zeigt, versucht es die Moderatorin noch einmal. »Sie sind nicht allein!«, ruft sie fast wütend in ihr Studio hinein. Es klingt ein bisschen so, als ob sie Befürchtungen damit verbindet, mit dem Hilfseinsatz freier Bürger. Später wird sie nach »Leuten aus der rechten Szene« fragen, die angeblich sogar mit falschen Polizeiautos durch die Gegend fahren und Falschmeldungen verbreiten. Wipperfürth distanziert sich davon, dass mit dem Leid Politik betreiben wird.

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Doch nach einem kurzen Lobes-Intermezzo lässt die Moderatorin die nächste Verdächtigung folgen: Wipperfürth werde nachgesagt, auf der »Payroll« von Querdenkern zu stehen. Das kann der Pferdehalter eindeutig dementieren. Es ist bezeichnend, mit welcher Verdachtshaltung das ZDF an einen privaten Helfer herangeht. Über 17.000 Kommentare gab es zu dem Video inzwischen, viele gehen hart ins Gericht mit dem ZDF und seiner Moderatorin, die einen freiwilligen Helfer mit Verdächtigungen in verschiedene Ecken stellt und so indirekt stigmatisieren will.
Am nächsten Tag berichtete der Sender etwas anders

Wipperfürth geht noch einmal ins Detail, man finde auch Gasflaschen im Schutt und müsse auch die ohne Feuerwehr »rausziehen«. Und dann noch einmal die Leichen. Nun eindeutig und im Plural. Ungern-Sternberg will eine psychologische Komponente hineinbringen und fragt, ob die Helfer abends Gespräche über das Erlebte führen könnten, in irgendeiner Weise Hilfe bekämen. Wipperfürth antwortet nicht direkt. Viele der Bauern, die »vorne« gearbeitet hätten, seien schon weg. Es ist ein Nein, und man kann das Trauma sehen.

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Am nächsten Tag meldete das ZDF in Maßen Vollzug und berichtete nun etwas sorgfältiger aus der Katastrophenregion. »Viel Feuerwehr« sei auf einmal da, »viel THW«, und die hätten »große Arbeiten« begonnen. Man erkennt das Bemühen, die Scharte auszuwetzen. Doch eine Ahr-Anwohnerin bestätigt auch, dass die Anwohner und privaten Helfer zuvor für eine Woche auf sich selbst gestellt waren. Ihre erste Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von staatlich-öffentlicher und privater Hilfe ist: »100 Prozent privat.« Das schockiert, und so versteht man die Worte von den Zuständen »wie im Weltkrieg« besser, die viele Betroffene gebrauchten. Es liegt auch die Verlassenheit und das anhaltende Ausgeliefertsein an die Katastrophe darin.

Solches lässt sich natürlich nicht bruchlos in ein Narrativ vom kompetenten Staat einbauen, wie es in den öffentlich-rechtlichen Medien die Regel ist. Doch die Negation von Leid führt am Ende zu einem Eindruck von Kaltschnäuzigkeit. Und den gewinnt man leider auch aus einer kleinen Doku aus der Reihe ZDFzeit, die davon spricht, dass »Deutschland aufräumen muss«, während ein Bagger die Reste eines Fachwerkhauses abreißt. Die sich stellende Frage sei: Wie repariert man ganze Landstriche? Der Bericht müht sich redlich, die Aussagen von Anwohnern in den Kontext zu setzen, wirkt aber seltsam abgebrüht, mit seiner coolen Musikuntermalung. Man stellt sich jedenfalls auf einen Monate und Jahre dauernden Wiederaufbau ein. Seltsam unverbunden steht da noch ein O-Ton, gesprochen mit Blick auf eines der verwüsteten Flusstäler: »Ist halt Heimat, die ist dann weg.«

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