Tichys Einblick
Kunst-Grammatik statt Faktentreue

ZDF: Fehlerhaft in jeder Zeitform

Das Zweite Deutsche Fernsehen berichtet falsch über einen syrischen Messermörder. Ein Zuschauer beschwert sich. Der Sender korrigiert zwar den Fehler – rechtfertigt ihn aber als besondere künstlerische Sprachfigur. Rekonstruktion einer öffentlich-rechtlichen Peinlichkeit im historischen Präsens.

IMAGO / Michael Gstettenbauer

„Mit dem Zweiten sieht man besser.“ So macht das ZDF Werbung für sich selbst. Doch wie das so ist mit der Werbung: Sie hält sich nur lose an die Wahrheit, auch unterschlägt sie gern Wichtiges. In unserem Fall heißt das: Man kann vielleicht – nur vielleicht – mit dem Zweiten irgendwie besser sehen.

Auf keinen Fall aber sieht man mit dem Zweiten genauer.

Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass sich dafür buchstäblich tagtäglich neue Beweise finden lassen. Es ist auch keine Übertreibung zu sagen, dass dieser Umstand inzwischen Millionen von Zuschauern fundamental auf die Ketten geht. Und immer mehr Betroffene wollen das einfach nicht mehr widerstandslos hinnehmen.

Sozusagen als Akt der Selbstverteidigung machen sich deshalb immer mehr Menschen die Mühe und sehen die Ergüsse der Mainzelmännchen aufmerksam durch. Dabei notieren sie die – standardmäßig zahlreichen – sachlichen Ungenauigkeiten und Fehler. Im nächsten Schritt machen sie dann die Verantwortlichen auf dem Lerchenberg darauf aufmerksam. Dann lehnen sich die Fehlerjäger zurück und warten, was passiert.

Meistens passiert nichts.

Doch die hochbezahlten Journaktivisten unserer öffentlich-rechtlichen Anstalten haben den Bogen überspannt. Statt Information liefern sie inzwischen bekanntlich weit überwiegend Parteiwerbung für das grün-woke Milieu, wobei sie es der Einfachheit halber sowohl mit der Faktentreue als auch mit dem gesetzlichen Programmauftrag nicht so genau nehmen. Folge: Das Publikum wendet sich ab, die Kritik am System wächst exponentiell, das Konzept der anstrengungslosen und luxuriösen Dauerfinanzierung per Zwangsgebühren gerät zunehmend unter Druck.

Angesichts dieser Bedrohung für die eigene Lebensgrundlage kann es sich der ÖRR – anders als früher – heute kaum noch leisten, Beschwerden über das Programm einfach zu ignorieren. Und wenn einem Sender wie dem ZDF echte Fehler nachgewiesen werden, dann kann er – anders als früher – auch nicht mehr gottgleich darüber hinweggehen.

Aber einen Fehler auch einfach Fehler zu nennen: So weit sind sie beim ZDF dann doch noch nicht.

Am 5. August zeigt das Zweite die Reportage „Wie Sachsen zerreißt: Eva Schulz über Sachsens zwei Gesichter“. Mal abgesehen davon, dass es sich dabei um ein mittlerweile ja übliches Anti-AfD-Machwerk handelt, enthält die Sendung einen fundamentalen Fehler:

In Minute 21:10 geht es um die Tötung des Chemnitzers Daniel H. im August 2018. Dabei erwähnt Frau Schulz „die mutmaßlichen Täter“. Letztere sind allerdings mitnichten „mutmaßlich“: Ein Syrer wurde bereits im August 2019 rechtskräftig zu elf Jahren Haft verurteilt, sein Komplize ist noch auf der Flucht.

Von „mutmaßlich“ spricht man dann (und nur dann), wenn noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist. Darauf hat der ZDF-Zuschauer (und TE-Leser) Torsten Küllig den ZDF-Intendanten Norbert Himmler in einem sehr sachlichen Brief hingewiesen. Auszug:

„Das ZDF unterliegt als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt besonderen qualitativen Ansprüchen. Begrifflichkeiten, insbesondere wenn sie juristisch eindeutig definiert sind, müssen stimmen! (…) Ich denke, es ist auch in Ihrem im Sinne, diesen Anspruch durch eine schnellstmögliche Korrektur des angemahnten Beitrags unter Beweis zu stellen.“

Was dann passiert, ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert.

Zum einen tut das ZDF das Unglaubliche: Der Sender korrigiert sich und lässt die Reportage an der entsprechenden Stelle mit verändertem (diesmal korrekten) Text neu einsprechen. Die aktualisierte Fassung kann man sich nun hier ansehen.

Zum anderen erweisen sich die Mainzer als enorm kreativ, um in ihrem Antwortbrief an Programmkritiker Küllig den fatalen Fehler in der Reportage nicht einen fatalen Fehler nennen zu müssen. Das liest sich dann so:

Die Redaktion habe den Text bewusst sehr knapp halten wollen „und setzte das Stilmittel des dramatischen bzw. historischen Präsens ein (Fettschrift aus dem Original übernommen, d. Red.). Dieses Stilmittel versetzt die Zuschauerinnen und Zuschauer zurück in die Gegenwart der damaligen Situation.“

In einem Beitrag aus dem Jahr 2024 einen im Jahr 2019 rechtskräftig verurteilten Messerstecher als „mutmaßlichen Täter“ zu bezeichnen, ist nun aber ganz unabhängig vom gewählten sprachlichen Stilmittel einfach falsch: juristisch und journalistisch.

Doch wir wollen nicht undankbar sein: Der ÖRR in Mainz hat sich ja tatsächlich korrigiert. Und dass der deutsche Leitjournalismus sowohl absolut wie auch im internationalen Vergleich eine erbärmliche Fehlerkultur hat, ist weder neu noch eine Besonderheit des ZDF. Insofern handelt es sich hier durchaus um einen Fortschritt (sofern es nicht nur die sprichwörtliche einzelne Schwalbe ist, von der man nicht auf den Sommer schließen kann).

Trotzdem ist auch dieser Vorgang eben ein weiteres Beispiel dafür, wie schwer es den zwangsgebührengemästeten öffentlich-rechtlichen Damen und Herren immer noch fällt, simpel und ohne verschwurbelte Rechtfertigungsversuche einen eigenen Fehler einfach zuzugeben. Die eigene journalistische Fehlleistung mit der künstlerischen Verwendung des „historischen Präsens“ zu erklären: Darauf muss man auch erstmal kommen.

Natürlich sind wir alle gespannt, wie es in diesem Stück weitergeht. Der nächste Akt sollte wohl davon handeln, dass die krachend einseitige politische Parteinahme von Eva Schulz gegen die AfD und deren Wähler wohl auch nicht so richtig mit dem Daseinszweck des ZDF zu vereinbaren ist.

Aber so weit sind wir noch nicht.

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