Tichys Einblick
Besser nur besser als gut

Wovon Grüne träumen – die Föderale Europäische Republik

Grüne wollen die »Europäische Republik«, zentral aus Brüssel gesteuert. – Wer sich im Besitz des Guten wähnt, der muss auch die letzte Ecke seines »Reiches« unterwerfen. Wer garantiert eigentlich, dass die an den Außengrenzen der EU aufhören würden?

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Wer mit zwanzig Jahren kein Sozialist ist, der hat kein Herz; wer es mit vierzig Jahren noch ist, der hat keinen Verstand – gewiss kennen Sie dieses alte Bonmot.

Manche Revoluzzer begreifen bald, dass man die Welt sinnvoller zum Guten verändern kann, wenn man die Realität zunächst als solche ansieht– und so werden sie zu Konservativen. Andere Revoluzzer wollen ihr Leben lang Revoluzzer bleiben – gereckte Faust und Lesebrille inklusive– ein trauriges Schauspiel. Extra klebrig sind die Geschäfte jener Leute, die linke Illusionen an Jugendliche verhökern, und sich damit ein kapitalistisch komfortables Leben finanzieren.

Den umgekehrten Fall, dass ein Konservativer zum Sozialisten wird, finden wir weit seltener. (Der Fall wäre nicht zu verwechseln mit dem Unpolitischen, der immer schon CDU wählt, wie weit die auch nach links driften mag. Es ist auch nicht zu verwechseln mit einem Konservativen etwa in der CDU, der heutzutage lieber den Kopf einzieht und links tut, um nicht seine Existenz zu gefährden – den Fall gibt es leider tatsächlich, und es gibt ihn viel zu häufig.)

Wer sein Leben plant, eine Familie gründet, wer ein Unternehmen aufbaut oder einen nützlichen Beruf ergreift, wer seine Kreise geordnet hat, wer Verantwortung trägt und einen Hauch von Glück spürt, der wird nicht mir-nichts-dir-nichts beschließen, dass Leistung und Ordnung des Teufels sind, dass sein Stolz ein Irrtum war und der Sozialismus zu siegen habe.

Das Bonmot vom Konservativen, der einst Linker war, von wem wird es denn verwendet? Von Konservativen – andersherum könnte es schon der Struktur wegen nicht von einem heutigen Linken gesagt werden!

Der Konservative weiß und versteht empathisch, dass es auch andere legitime Positionen außer der seinen gibt; der Linke spricht Positionen außer der seinen die Legitimität ab, selbst und gerade wenn er sie selbst vertreten haben sollte (Konvertiten sind bekanntlich oft extra-fanatisch).

Die Föderale Europäische Republik

Im deutschen EU-Wahlkampf 2019 wirkt das Angebot an Parteien, die einfach nur die Interessen Deutschlands in Brüssel vertreten wollen, spärlicher denn je.

Während bei CDU und SPD das Post-Nationale »nur« recht grell durchscheint (und beim EVP-Kandidaten ganz offen das »Post-Demokratische«, siehe auch »Das EU-Wahlprogramm von CDU/CSU und die Sehnsucht nach dem Europa-Staat«, legen die Grünen zumindest ihre de facto anti-deutschen Ziele ehrlich offen.

Die Grünen träumen von einer »Föderalen Europäischen Republik«, mit dem EU-Parlament als »zentralen Ort aller Entscheidungen« (berichtet tagesspiegel.de, 27.3.2019). Das neue »Grundsatzprogramm« der Grünen soll 2020 fertig werden, doch die Weichen, die man dem Demokratiezug stellen will, werden bereits deutlich: Mehr Brüsseler Bürokratie, weniger alles andere.

Mit den Grünen heißt es nicht mehr »Deutschland in Europa«, sondern »entweder Deutschland oder Europa«; die Nie-Wieder-Deutschland-Partei aber würde jede »Deutschland oder X«-Frage im Geist des Etwas-besseres-findet-sich-allemal beantworten.

In der grünen Denkwelt regiert eine noch stärkere Brüsseler Bürokratie ein Europa der Regionen; man ist ja schon froh, dass sie nicht von »Gauen« reden.

Die Ebene der Länder oder Staaten (geschweige denn Nationen) kommt auch in Grüner Denkart kaum noch vor, und wenn, dann negativ. Es ist konsequent: Wer eine starke zentrale Bürokratie anstrebt, der benötigt schwache Untertanen; Länder sind stark, Regionen sind schwach.

Man will »mehr Europa« »im Sozialen«, und einen »sozialen Binnenmarkt«. »Wohlhabende und starke Länder, allen voran Deutschland«, sollen »bereit« sein, »einen größeren Beitrag zur europäischen Einheit zu leisten«, so heißt es weiter bei tagesspiegel.de, 27.3.2019.

Immerhin hat man bei den Grünen gewissen Humor, wenn auch von der ironischen Art; »gerade Deutschland« werde von all dem »auf längere Sicht profitieren«, sagen sie – wahrscheinlich in etwa so, wie eine Orange von der Orangenpresse profitiert.

Versteuert das Ausatmen!

Wie kann eine einst wilde, ungezügelte Partei eine solche Lust am übergriffigen Zentralismus entdecken? Einst waren die Grünen das, was man heute einen »gärigen Haufen« nennen würde, und nun steigt ihr Freudenpuls beim Gedanken an dunkle Flure im Brüsseler Schloss, das seine Boten mit Befehlen in die »Regionen« losschickt.

Auf den ersten Blick wirkt es wie ein Widerspruch, einst waren sie wild, demnächst werden sie fordern, dass Brüssel das Ausatmen mit CO2-Steuer belegt. Was hat sie so verbogen, was ist geschehen?

Die Asymmetrie, dass Konservative durchaus linke Position verstehen, aber seltener andersherum, hilft uns, den Wandel der Grünen vom chaotisch Wilden zum zentralistisch Autoritären zu verstehen – es war von Anfang an in ihnen angelegt.

Es ist eine feine Nuance, und es wirkt wie eine Wortspielerei, doch die Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen: Der Konservative betrachtet seine Position als besser, der Linke betrachtet seine Position als gut.

Was ist das Gegenstück zu besser? Schlechter, und zwar (nur) relativ schlechter. Eine andere Position ist für den Konservativen zwar für ihn schlechter, kann aber je nach Umständen noch immer legitim sein.

Was ist das Gegenstück zu gut? Böse. Eine andere Position ist für den Linken böse – und kann unter keinen Umständen legitim sein.

Wer seine Position für sich persönlich besser findet, der möchte sein Haus, seine Familie und sein Land in Ordnung bringen, und er kann wunderbar damit leben, dass andere Leute ihr Haus, ihre Familie, und ihr Land nach ihrem Gusto in Ordnung bringen.

Besser ist relativ, gut ist absolut. Wer seine Position als gut kategorisiert, dem ist es schier unerträglich und unmoralisch, dass ein anderer eine andere Position einnimmt.

Für den Konservativen ist es konsequent und der menschlichen Natur angemessen, dass verschiedene Länder verschiedene Wege ausprobieren, in Freundschaft und Respekt voreinander, und dann prüft man, was besser ist.

Für heutige Linke ist es ebenso konsequent, dass eine Brüsseler Superregierung das neue europäische Reich steuert. Wenn man der Überzeugung ist, man sei im Besitz des Guten, dann will man dieses Gute zentral bis in die letzten Ecken des Grüneuropäischen Reiches bringen, bis in die letzte Verästelung, denn nur so lässt sich das Böse ausrotten, und das Böse ausrotten, das will doch jeder – Sie etwa nicht?

Wer sich selbst für gut hält

Ich bin heute nicht der Mensch, der ich gestern war, und ich arbeite an mir, auf dass ich morgen wieder ein anderer, hoffentlich weniger dummer Mensch bin.

Der Spruch von den »Linken mit Zwanzig« ist auf mich und die heutige Zeit nur bedingt anwendbar; meine Werte sind ähnlich denen von damals, wenn auch detaillierter, vielleicht sogar etwas durchdachter – doch man gilt heute, wenn man nach wie vor den sogenannten »kleinen Mann« in Schutz nimmt vor Globalisten und Spekulanten, als das Gegenteil von Links. Der Kapitalismus frisst alles, auch und besonders gern die Seele seiner Gegner.

Empathie bedeutet, zu akzeptieren und verstehen, dass der Andere auch andere relevante Strukturen hat. Das linksgrüne Denken ist anti-empathisch. In linksgrüner Ideologie ist der Andersdenkende nicht nur anders, sondern böse. (Dass Linksgrüne gleichzeitig aktiv Menschen ins Land holen, die westliche Werte verachten, gehört zu den linksgrünen Widersprüchen, der sie in einem Zustand dauernder Unzufriedenheit hält.)

Im Geist desjenigen, der sich für gut hält, ist das Böse unvorstellbar; dass es dennoch Andersdenkende gibt, also für ihn »Böse«, bereitet ihm unvorstellbaren Schmerz, den er noch mehr fürchtet als den Tod.

Wer sich selbst für gut hält, der sieht seinen größten Feind in dem, der ihm das Gutsein abstreitet, nicht in dem, der ihm an den Hals will.

Nehmen wir an, dass es den Grünen gelänge, Deutschland, Spanien, Polen, Italien, Frankreich und so weiter allesamt so weit zu schwächen, dass die EU-Länder zentral aufs Großgrüne Gute hin gesteuert werden können. Nehmen wir weiter an, dass es gelänge, die noch verbleibenden »gallischen Dörfer« Europas mit Hilfe der einst beschworenen Kavallerie zu »überzeugen«, sich dem Brüsseler Diktat zu unterwerfen.

Wer sagt, dass das Linksgrüne Reich an den Außengrenzen der heutigen EU haltmachen wird?

Diese Leute halten sich für »gut« im absoluten, ethischen Sinne, und das bedeutet in innerer Konsequenz: Wer sich ihrer Herrschaft nicht unterwirft, der muss in deren Logik »böse« sein – wäre es aus deren Sicht nicht geradezu eine Pflicht, den Aus- und Abweichler mit Nachdruck zu unterwerfen, auf dass er gut werde?

Am Ende des Grünen Weges steht der Grinsefaschismus. Die grünen Soldaten marschieren, erbarmungslos marschieren sie, berauscht und benebelt vom Moralin aus der Parteizentrale wie deutsche Soldaten einst vom Methamphetamin in der Panzerschokolade.

Die Grünen haben schon einmal einem Krieg zugestimmt. Der nächste grüne Angriffskrieg, so ist zu vermuten, wird sich um Genderklos drehen (vorausgesetzt jemand leiht Deutschland dafür ein paar Waffen, mit Schwangerschaftsuniformen allein kann man nur hoffen, dass der Feind sich totlacht).

Wer mit Zwanzig die Grünen wählt, der ist gefährlich naiv. Wer mit Vierzig die Grünen wählt, auch.


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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