Tichys Einblick
Kanzleramtschef Schmidt als Stimmungskanone

Kokettieren mit (Nicht-)Wissen um Nord-Stream-Sprengung

Was sind die Aufgaben eines im Kanzleramt amtierenden „Bundesministers für besondere Aufgaben“? Scheinbar hat er viel Zeit, seinen Chef zu verteidigen oder sich mit dessen Erinnerungslücken zu identifizieren. Mittlerweile scheint er auch Zeit zu haben, die Stimmungskanone im Netz zu geben.

Bundeskanzler Olaf Scholz mit Wolfgang Schmidt, Bundesminister für besondere Aufgaben, Berlin, 13.11.2024

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Was ist eigentlich der Job eines Kanzleramtschefs im Rang eines „Bundesministers für besondere Aufgaben“? Seit 8. Dezember 2022 also des Wolfgang Schmidt (SPD): 54, Jurist, Premium-Parteisoldat, Ex-Juso, seit mehr als 15 Jahren Schattenbegleiter von Olaf Scholz in Hamburg und in Berlin, 2007 bis 2009 als Persönlicher Referent des Bundesarbeitsministers Scholz, 2011 bis 2018 als Leiter der Staatskanzlei beim Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz, 2018 bis 2021 beamteter Staatssekretär bei Bundesfinanzminister Scholz, seit 8. Dezember 2021 Chef des Kanzleramtes. Bei so viel Nähe weiß man zweihundertprozentig, woran sich Olaf Scholz nicht zu erinnern vermag oder nicht erinnert werden möchte.

Also noch einmal gefragt: Was sind die Aufgaben eines im Kanzleramt amtierenden „Bundesministers für besondere Aufgaben“? Erstens sollte er das Tun der verschiedenen Bundesministerien koordinieren. Da dort aber sowieso jede(r) macht, was er/sie will, steht diese Aufgabe nur auf dem Papier. Zweitens soll er den Bundesnachrichtendienst (BND) koordinieren und überwachen. Da der BND aber kaum etwas auf die Beine bringt außer dem, was ihm CIA oder MI5 oder Mossad und Co. zutragen, ist auch hier eher Däumchendrehen angesagt.

Also hat der Kanzleramtschef viel Zeit, seinen Chef gegen alles Mögliche zu verteidigen oder sich mit dessen Erinnerungslücken zu identifizieren. Mittlerweile scheint er auch Zeit zu haben, die Stimmungskanone im Netz zu geben.

Da postet doch ein Mensch namens @diktator – nicht einmal urkomisch witzig – am 24. Dezember drei Notizzettel folgenden Inhalts:

Geheimdienstkoordinator Wolfgang Schmidt greift das auf X (Musk! Igittigitt!) auf;„Weihnachtsgeschenk gleich mit einem Volltreffer… ‚Der Desinformator‘ von
@diktator und @Pia_Frey kennt sich aus.“

Die Reaktionen auf X respektive auf x.com/w_schmidt_ sind nicht gerade schmeichelhaft: „Grunzen und blödeln Sie hier nicht rum, Schmidt …“ „Neues SPD-Handbuch empfiehlt: Nicht besoffen twittern!“ Man fragt sich tatsächlich: Hat der „Bundesminister für besondere Aufgaben“ am 24. Dezember nichts Besseres zu tun hat, als X zu durchstöbern. Will W. Schmidt ein „trusted flagger“ werden? Will Schmidt den X-Eigentümer Elon Musk prüfen, ob dieser den „Mama war’s“-Post löschen lässt? Auf dass, falls nicht, Ursula vdL diesem Musk dann den X-Hahn zudrehen kann? Warum schmückt Schmidt nicht zu Hause oder im Büro einen Jahresendbaum oder Ähnliches? Oder war es doch ein Glühwein zu viel – aus reiner Langeweile, weil Genosse und Chef Olaf gerade seinen Sprechblasenzettelkasten sortieren musste?

Wir nehmen einmal an: Wolfgang Schmidt weiß vieles. Hier wollte er das um x beziehungsweise zig Ecken andeuten. Schmidt weiß vielleicht auch, wer die zu diesem Zeitpunkt ohnehin bereits stillgelegte „Nord-Stream“-Pipeline am 26. September 2022 mit vier Sprengungen zerstört hat oder auch nur zerstört haben könnte. Waren es die Russen, die Ukrainer, die Chinesen, die Amis? Oder die Wagenknecht? Oder die Weidel? Oder Merz? Oder Söder? Oder unter „false flag“ SPD-Domina Saskia E.? Oder die mit allen Wassern und mit Mali-Wüstensand gewaschene, damals noch amtierende SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit ihren Kampftauchern? Oder deren Sohn, der während des amtlichen Heli-Flugs mit Mutter (hörthört!) im April 2022 in den Urlaub mal schnell bei Bornholm abtauchte, um Zeitzünder anzubringen …

Sicher muss jetzt die 32-Seiten-Antwort der Bundesregierung vom 17. Juli 2024 auf die Große Anfrage der AfD zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines umgeschrieben werden. 99 Fragen musste/sollte die Bundesregierung damals beantworten. Sie tat es denn aber im Stil des @diktators und dessen X-Post vom 24. Dezember.

Die häufigste Antwortfloskel am 17. Juli 2024 war (insgesamt 27-mal): Dazu „liegen keine Erkenntnisse vor.“ Vereinzelt versteckte die Bundesregierung ihr Schweigen auch hinter „schutzwürdigen Interessen“ oder hinter „berechtigten Geheimhaltungsinteressen zum Schutz der laufenden Ermittlungen“. Alles in allem jedenfalls lehnte die Bundesregierung eine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen der Ermittlungen mit der Begründung ab, dass die Veröffentlichung „den Untersuchungszweck gefährden würde“.

Gut, dass X mit dem kurzen Pingpong zwischen @diktator und https://x.com/W_Schmidt_ nun einen kleinen Strahl Lichts in die Tiefen der Ostsee bringt. Wolfgang Schmidt aber eilt schon wieder davon. Soeben wurde er in Hamburg zum Direkt-Bundestagskandidaten für Hamburg-Eimsbüttel gekürt und auf Platz 1 der Hamburger SPD-Landesliste für die anstehende Bundestagswahl positioniert.


Die mobile Version verlassen