Deutschland schaut in diesem Herbst auf den Osten: Bis zu den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ist es nur noch einen Monat hin. In Brandenburg werden die Bürger erst drei Wochen später an die Wahlurnen gerufen. So richtig angelaufen ist der Wahlkampf in der Mark denn auch noch nicht. Bisher beschäftigen sich die Medien eher mit einer Reihe an Nicht-Themen: zum Beispiel der Trunkenheitsfahrt des CDU-Spitzenkandidaten auf einem E-Scooter oder aktuell einem Wahlplakat der AfD in Frankfurt an der Oder, auf dem manche einen Hitlergruß entdeckt haben wollen.
Dabei gäbe es viel ernsthaftes zu bereden: Ähnlich wie in Sachsen und Thüringen stehen auch in Brandenburg tektonische Plattenverschiebungen an, allerdings mit leicht abgeschwächter Intensität. Bereits seit einem Jahr liegt die AfD zwischen Elbe und Oder in den Umfragen stabil auf Platz eins. Allerdings mussten die Blauen zuletzt Einbußen hinnehmen, wohl auch aufgrund des auch in Brandenburg spürbaren Aufschwungs für das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Die aktuellste Umfrage vom 16. Juli weist für die AfD 24 Prozent aus, gefolgt von der SPD mit 19 Prozent, der CDU mit 18 Prozent, dem BSW mit 17 Prozent, den Grünen mit 7 Prozent und der Linken mit 5 Prozent. Die FDP kann sich mit 3 Prozent keine allzu großen Hoffnungen machen, in das Potsdamer Stadtschloss einzuziehen. Bei den Europawahlen im Mai fuhr die AfD sogar satte 27,5 Prozent ein, vor der CDU mit 18,4 Prozent und dem BSW mit 13,8 Prozent. Erst dann kam die SPD mit 13,1 Prozent.
Woidke will nicht „rumverhandeln“
Entsprechend angsterfüllt blickt man in den Parteizentralen von Christ- und Sozialdemokraten auf das, was da wohl kommen mag. Und vor diesem Hintergrund versucht nun auch der amtierende Ministerpräsident und SPD-Landeschef Dietmar Woidke, mit einer Ansage in den Wahlkampf zu intervenieren: Bei der Vorstellung der SPD-Wahlplakate ließ der 62-Jährige am Donnerstag in Potsdam wissen, er wolle nur als Regierungschef weitermachen, wenn seine Partei auf Platz 1 aus dem Rennen geht.
Eine Geste der Demut? Ein Politiker, der noch bereit ist zurückzutreten, wenn er eine Wahl verliert? Wohl kaum. Woidkes Einlassung war weniger ein Signal der Selbstrelativierung, sondern wirkt vielmehr wie ein Zeichen für die Arroganz der Macht bei einem Mann, der seit 1994 im Landtag sitzt, seit 2004 mit einer kurzen Unterbrechung dem Kabinett angehört und seit 2013 als Ministerpräsident amtiert.
Die Ankündigung führte er nämlich wie folgt aus: „Ich werde nicht mit irgendjemandem rumverhandeln, wenn ich auf dem zweiten oder dritten Platz gelandet bin.“ Und weiter: „Dann bin ich nicht mehr da – jedenfalls nicht in der Brandenburger Landespolitik.“ „Irgendjemand“ – das sind für Woidke die anderen. Er hingegen sieht sich als der große „Landesvater“, der sich eben nicht dazu herablässt, als Zweitplatzierter mit anderen „rumzuverhandeln“.
Merkels „Sie kennen mich!“
Die Basta-Ansage des SPD-Spitzenkandidaten ist ein recht offensichtlicher Versuch, die Brandenburger mittels Erpressung dazu zu bringen, ihr Kreuz doch noch ein letztes Mal bei der implodierenden SPD zu machen. Schließlich liegt Woidke bei den persönlichen Zufriedenheitswerten weit vor seinem Herausforderer Jan Redmann von der CDU – schon allein, weil ihn deutlich mehr Menschen kennen. Sein Signal: Wenn ihr mich wollt (und vor allem die AfD nicht wollt), müsst ihr auch SPD wählen.
Entsprechend schneidet die SPD ihren Wahlkampf ganz auf Woidke zu, der aktuell mit „Strohballenfesten“ durchs Land tourt. Auf einem Wahlplakat liest man: „Wer Woidke will, muss SPD wählen“. Auf einem anderen ist dann sogar nur noch Woidke abgebildet, ganz ohne das belastende Logo der Partei. „Die Menschen in Brandenburg kennen mich“, sagt der SPD-Spitzenkandidat. Es ist das inhaltsleere „Sie kennen mich!“, mit dem Angela Merkel 2013 gegen Peer Steinbrück gewann.
Ob das eine angemessene Art ist, Politik zu machen? Woidke sei die Lektüre des „Regierungsprogramms“ seiner Partei für die Landtagswahlen ans Herz gelegt. Dort gibt es ein eigenes Kapitel unter der Überschrift: „Es geht um Brandenburg“. Darin liest man: „Politik folgt niemals einem Selbstzweck, sondern muss den Menschen und dem Gemeinwohl dienen. Diesem Leitbild sind die Ministerpräsidenten der SPD immer gefolgt.“