Es muss ein Urtrauma der Menschen sein, diese Furcht und Vorstellung, sich ohne Hose in der Öffentlichkeit wiederzufinden, so häufig, wie berichtet wird, dass Menschen davon träumen.
Ein Student könnte etwa träumen, dass er ein Referat vor dem Seminar zu halten hat, oder ein Account-Manager träumt, dass er die Präsentation vor dem wichtigsten Kunden hält, doch alle Zuhörer lachen und dann schaut der Träumende im Traum an sich herunter, und er stellt fest, dass er nackt ist, dass ihm die Hose fehlt!
Es müssen ja nicht unbedingt Hosen sein, die einem im Traum fehlen. Man könnte schweißgebadet aufwachen, weil man träumte, gänzlich unvorbereitet in einer Prüfung zu sitzen. Oder weil man davon träumte, an der Kasse im Supermarkt zu stehen, ohne Bargeld, und alle Karten versagen. Oder weil man an der Traum-Grenze ohne Papiere da steht.
Es kann vieles sein, was einen im Traum blamiert, doch prototypisch sind eben die Hosen. Es ist sogar zur stehenden Redensart geworden, aus dem Albtraum in den allgemeinen Sprachgebrauch: »Und dann stand er plötzlich ohne Hosen da.«
Nur halb erstaunt
Was deutschen Sozialisten und gewissen Aktivisten mit viel Einfluss und wenig Skrupel nicht vollständig gelang, könnte nun einem Virus aus dem sozialistischen China gelingen: Teile der Wirtschaft ruhen und durch »Lockdown« ist der Autoverkehr auf bestimmten klassischen Berufsstrecken messbar gesunken. Doch, nur halb erstaunt stellt man fest: Die gemessenen Belastungswerte bleiben konstant! focus.de, 11.4.2020 titelt: »Kaum Verkehr, trotzdem Stickoxid-Spitzenwerte: Corona entlarvt Fahrverbote als sinnlos«.
So mancher Aktivist und Umwelt-Politiker steht »mit heruntergelassener Hose da«. (Es wird die Aktivisten wenig stören, zu viel Geld lässt sich damit machen, Deutschland im Namen der Umwelt wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, ob die Messwerte stimmen oder nicht.)
Ich sehe es als unsere demokratische Pflicht an, es zu bemerken, und unsere Mitmenschen darauf hinzuweisen, wenn zerstörerischer (aber hoch profitabler) Aktivismus erkennen lässt, dass er »ohne Hose« dasteht!
»… haben einen Maulkorb«
Man könnte auch über die Fälle sprechen, in denen Land und Verantwortliche »mit heruntergelassenen Hosen« erwischt werden, etwa die chaotischen Zustände in einem Asylbewerber-Heim mit Dutzenden Corona-Infizierten (bild.de, 10.4.2020 berichtet: »Viel drang nicht an die Öffentlichkeit, Wachpersonal und Malteser (Betreiber der Einrichtung) haben einen Maulkorb«).
Ich bin sicher, dass man diese Probleme irgendwie lösen wird wie alle Probleme von Brücken bis Schulen – so dass »Ruhe herrscht« bis zur nächsten Wahl, und dann schauen wir weiter – irgendwie wird man da den Allerwertesten provisorisch bedecken, so zumindest, dass es nicht allzu sehr auffällt.
Wir könnten und sollten uns einem weiteren Fall von »ohne Hose dastehen« zuwenden: Wie werden wir dastehen, wenn all das hier vorbei ist?
Sozialistischer Brudervirus
Nicht alle Nachrichten sind Fälle, in denen die Protagonisten »ohne Hose« dastehen – bei einigen Nachrichten droht, dass die Demokratie insgesamt sehr bald sehr nackig dasteht.
Petra Köpping ist 1986 in die SED eingetreten, vier Monate vor der Wende, 1989, trat sie wieder aus, und 2002 trat Köpping in die SPD ein. Heute ist sie Sozialministerin der sächsischen »Großen Koalition«.
Auch Sachsen kämpft, wie der Rest dieses Planeten, gegen das Virus vom »sozialistischen Bruderstaat«. Aus dem Ministerium des einstigen SED- und heutigen SPD-Mitglied Köpping hört man eine ganz besondere Maßnahme: »Quarantäne-Verweigerer« sollen in Psychiatrien untergebracht werden (bild.de, 10.4.2020).
Weiß das ehemalige SED-Mitglied wirklich nicht vom unheilvollen Zusammenspiel von Psychiatrien und Politik im National- und Stalin-Sozialismus? (siehe etwa Sonja Süß: »Politisch mißbraucht? – Psychiatrie und Staatssicherheit in der DDR«, Info via bstu.de, oder schlicht Wikipedia) – Oder weiß sie es, und es ist ihr egal?
Ein Leser wies mich darauf hin, dass gerade ich als gebürtiger Tscheche mit dem Wissen um den Märtyrer Jan Hus doch wissen sollte, dass meine moralische Prämisse, wonach nichts wichtiger sei als das Leben, nicht konsequent zu halten sei. Ob man diese Gewichtung nun teilt oder nicht, so sei doch einer von mehreren grundsätzlichen Unterschieden betont: Jan Hus riskierte sein Leben, aggressive Virus-Ignorierer riskieren das Leben der Schwächsten, und noch dazu derer, die den höchsten Respekt verdienen und ihn in anständigen Gesellschaften auch erhalten sollten.
Während ich also einerseits die Notwendigkeit strenger Maßnahme gegen die Seuche einsehe und unterstütze, sehe ich zwei Stellen, an denen wir politisch und, ja, philosophisch »ohne Hose« dastehen.
Schon seit Jahren stellen wir fest, dass die Immunität der Deutschen gegen wenig demokratisch riechende Ideen erstaunlich schlecht ist. In weiten Teilen der Gesellschaft fehlt die Motivation, für die Prinzipien der Demokratie zu kämpfen – und die Fähigkeit, sie überhaupt zu erkennen.
Die Denkweise von Teilen der Bevölkerung wurde so weit umgedreht, dass hingenommen und sogar begrüßt wird, wenn Begriffe wie »Demokratie« und »demokratisch« um 180 Grad umgedreht wurden. In Bundestag und Staatsfunk hat es sich etabliert, abweichende Meinungen als »undemokratisch« oder »faschistisch« zu diffamieren, dabei ist der Widerspruch unabdingbarer Teil des Wesens der Demokratie. Es ist Teil der orwellschen Begriffsumkehrung, wenn Zensurgesetze erlassen werden, um angeblich die Meinungsfreiheit zu schützen, wenn blinder Gehorsam als »Zivilcourage« und Parteilinie als »Haltung« verkauft werden.
Man hört heute von manchem Politiker, man müsste bald »wieder Normalität einführen« (siehe auch »Wir, die Kunden der Rettungsringdealer«). In einer Szene des Scorsese-Filmes »The Wolf of Wall Street« wird der Protagonist gefragt: »We gonna be friends?«, und als der bejaht, wird ihm widersprochen: »We’re not gonna be friends.« (Woody-Allen-Fans würden ergänzen: Und anschließend wird von und mit ihm gemacht, was von der Regierung mit Deutschland gemacht wird.) – Man möchte in hollywoodesker Dramatik paraphrasieren: Wir werden zur Normalität zurückkehren? Wir werden nicht zur Normalität zurückkehren.
Die Welt wird nach dem China-Virus eine andere sein. Ich würde nicht einmal darauf wetten, dass es ein »nach dem Virus« überhaupt zwingend geben muss – was wenn weder Impfstoff noch Medizin gefunden werden, und wenn es ein »rezidives« Virus wie Herpes ist, das im Körper bleibt, und wieder ausbricht? (Und: Kennen wir alle Schäden, die es hinterlässt, selbst wenn man »heilt«?)
Was auch immer hiernach kommt, einige Gesellschaften werden wieder »ohne Hose« dastehen.
Es muss nicht sein, dass Deutschland hiernach »ohne Hose« dasteht – es ist aber möglich.
Die Frage ist nicht, ob es wieder »normal« wird. Ich betrachte manchen, der die Wiederkehr von Normalität verspricht, als Schlangenölverkäufer (und andere, die es versprechen, verwechseln Hoffnung mit Wahrscheinlichkeit – ein zutiefst menschlicher Irrtum, aber ein Irrtum nichtsdestotrotz).
Die Frage ist heute: Wenn kommt, was hiernach kommt, werden wir mit oder ohne Hose dastehen?
Und, für Demokratien speziell: Werden wir hiernach überhaupt in der Lage sein, als Volk, gegen Propaganda und Staatsfunk, wieder die üblichen Gewohnheiten der Demokratie einzuführen? Wenn man kurz träumen darf: Könnten wir hiernach die Demokratie und die Freiheit vielleicht sogar stärken? Wie?!
Aus der Tür und zum Ort
Diese Träume, wo der Träumende ohne Hose dasteht, unvorbereitet und blamiert, sie enthalten regelmäßig ein Element, das zugleich unrealistisch, als Metapher aber erschreckend präzise ist; im Nachhinein, wenn man endlich aus dem Traum aufgewacht ist, könnte man sich fragen: »Habe ich es denn nicht gemerkt, auf dem Weg aus der Tür und zum Ort des Vortrags, dass mir die Hose fehlte?«
Als Mensch im auch nur annähernd vollen Besitz seiner geistigen Fähigkeiten wäre es unvorstellbar, tatsächlich ohne Hose aus dem Haus zu gehen – im übertragenen Sinne aber ist es ein realistisches Risiko, als Einzelner aber auch als Gesellschaft plötzlich »ohne Hose« dazustehen.
Oder, noch besser…
Die Frage, die man sich in jenem Traum stellen könnte, lautet doch: Wie ist man eigentlich dahin gekommen, aus dem Haus zu gehen, so ohne Hose, wie konnte das passieren?
Gestalten wie jene Fahrverbot-Aktivisten stehen heute ohne Hose da. Es ist eine wichtige und ehrenhafte Aufgabe, wenn der Kaiser nackt ist, dies auch laut auszurufen und den Menschen davon zu erzählen! Wenn Politiker und Aktivisten ohne Hose dastehen, ruft es laut aus, lacht sie aus und sorgt dafür, dass sie »sich eine Hose anziehen« – oder, noch besser, sich höflich zurückziehen.
Als Gesellschaft werden wir, in demokratischer Hinsicht, hiernach »ohne Hose« dastehen, wenn es nicht irgendwie gelingt, wieder einen Sinn für Grundrechte, Demokratie und Freiheit in den Herzen der Menschen zu wecken.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.