Das sorgte heute für Zündstoff: Der Bundesverkehrsminister dachte laut über Fahrverbote am Wochenende nach. Volker Wissing (FDP) tat das nicht als Unterstützer, sondern als Getriebener. Denn – so malte der Verkehrsminister in düsteren Farben – wenn es keine Novelle im Klimaschutzgesetz gebe, dann könne man die Sektorziele nicht im Verkehrsbereich erreichen. Sollte es nicht vor Mitte Juli in Kraft treten, sei er gezwungen, mit Fahrverboten zu reagieren – nur so seien die Sektorziele noch zu erreichen.
Wissing wörtlich in der Bild-Zeitung: „Eine entsprechende Reduzierung der Verkehrsleistung wäre nur durch restriktive und der Bevölkerung kaum vermittelbare Maßnahmen wie flächendeckende und unbefristete Fahrverbote an Samstagen und Sonntagen möglich.“
Das sollte eigentlich ein Befreiungsschlag werden: Geknebelt von den Ökogesetzen, personifiziert durch den grünen Koalitionspartner, könnte das Schlimmstmögliche geschehen. Für viele Menschen ist der Samstag überdies – anders als für viele Mitarbeiter im grünen Milieu – ein gewöhnlicher Arbeitstag. Es wäre eben nicht nur der Wochenendausflug ins Grüne betroffen. Für eine ganze Reihe von Arbeitnehmern und Arbeitgebern käme es zu massiven Eingriffen in den Berufsalltag und damit negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.
Wissing hatte damit offenbar eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Klimaziele anstoßen wollen. Vielleicht nicht auf prinzipielle Weise. Aber doch, um mögliche Korrekturen vorzunehmen. Das hat nicht geklappt. Im Gegenteil: Die klimabewegten Medien gaben sogleich dem grünen Konkurrenzpartner das Sprachrohr, um zu reagieren.
Denn aus Sicht der Grünen ist Wissing ein Klimaschutzbremser. Das Narrativ: Weil Wissing in der Vergangenheit den Klimaschutz so oft ausgebremst habe, sei man nun in der Sackgasse. Die Grünen, die sonst im Verdacht stehen, Hysterie und Panik mit überzogenen Szenarien zu schüren, haben die Gelegenheit, Wissing nunmehr Polemik vorzuwerfen. „Diese Behauptung ist schlichtweg falsch“, sagte die stellvertretende Fraktionschefin der Grünen Julia Verlinden. Wissing schüre „unbegründet Sorgen bei den Menschen“.
Wissing, so halten die Grünen dagegen, könnte durch eine einfache Maßnahme das Schlimmste verhindern: Tempolimit. Damit brühen die Grünen alten Kaffee auf. Das Versprechen von FDP-Chef Christian Lindner, dass es in der Ampel-Legislatur kein Tempolimit geben würde, sitzt den Grünen seit Beginn dieser Bundesregierung merklich im Magen. Es ist eine der wenigen ideologischen Niederlagen. Jetzt, so das grüne Narrativ, müssen die Liberalen schließlich einsehen, dass das Tempolimit das geringere Übel sei. Rhetorisch hat sich die FDP hier ausmanövriert.
Denn statt eine Debatte über die Sinnhaftigkeit der Sektorziele zu führen, spricht nun ganz Deutschland über Fahrverbote und Tempolimit. Keines der beiden Themen kann der FDP recht sein. „Zwei Jahre hat Wissing damit vergeudet, jede Klimaschutzmaßnahme im Straßenverkehr zu blockieren – jetzt malt er Horrorszenarien an die Wand, um auch in Zukunft nichts tun zu müssen“, sagt eine Greenpeace-Sprecherin. „Diese Vorgehensweise kann als schäbig bezeichnet werden“, erklärt der BUND. Das sind nur einige Stimmen. Die Medien bilden sie nur zu gerne ab und rufen ihren beliebtesten grünen Experten, ob Politiker oder NGO an, um auch von dort noch einmal eine Meinung einzuholen, warum wir jetzt ein Tempolimit brauchen.
Dabei wäre eine Diskussion über die Sektorziele im Verkehrsbereich überfällig. Denn nichts deutet darauf hin, dass diese eingehalten werden können. Die E-Auto-Talfahrt wäre die passende Gelegenheit, kritisch zu überlegen, ob die Emissionsziele jemals realistisch waren. Das Bundeswirtschaftsministerium hält in seinem Wunschdenken an den 15 Millionen E-Autos fest, die bis 2030 auf Deutschlands Straßen fahren sollen. Es gilt also, sich ehrlich zu machen. Oder gleich zu sagen, dass die Abschaffung des Individualverkehrs von Anfang an die Absicht war. Dann könnte man Fahrverbote jedoch vom Wochenende gleich auf die ganze Woche ausweiten.