Der Autor gibt zu, Beckett nie verstanden zu haben, vielleicht hat er ihn auch deshalb gelangweilt. Aber Beckett zu lesen war immerhin gesünder, als Schlaftabletten zu nehmen. Auch hat er die Leute nicht verstanden, die Beckett verstanden haben. Seine Stücke wirkten immer etwas künstlich, nicht wie Kunst. Aber noch dem mediokersten Typen boten die Stücke eine Projektionsfläche, in der seine nicht nennenswerten Ideen verblüfften, wie das Spiegelbild eines Dickerchen, der in einem Hohlspiegel zum dürren und langen Lulatsch wurde. Wenn man Becketts „Endspiel“ gelesen hat, bekommt man die Idee – wie die Melodie eines Gassenhauers – nicht mehr aus dem Kopf, dass endlich mal ein Journalist so über die Ampel geschrieben hätte, wie man über die Ampel-Regierung schreiben müsste, als würden sich Hamm, Clov, Nell und Nag um den Kabinettstisch versammeln.
Hamms Stofftier wäre dann Becketts Symbol für Habecks E-Mobilität. Die Regierung gleicht ohnehin dem Mann, der sich die Augen verbunden hat – und meint, besser sehen zu können, wenn er schneller rennt. Die Automobilindustrie ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sie zieht, wenn sie strauchelt und stürzt, andere Wirtschaftszweige nach sich. Schon reduziert der Chemieriese BASF seine Geschäftserwartung, weil er ein schlechtes Autogeschäft erwartet. Inzwischen muss man es bereits als schlechte Nachricht werten, dass der Kanzler, so der Generalsekretär der SPD, „die Sicherung des Wirtschaftsstandorts zur Chefsache“ erheben will. Da wird es kräftig Wumms machen. Nag und Nell, könnte man spotten, kommen aus der „Mülltonne“ nicht heraus und sind angesichts der Undankbarkeit ihres Volkes tief gekränkt. Nun, wer nur einen Hammer im Werkzeugkasten hat, für den ist die ganze Welt ein Nagel, oder die Dekarbonisierung, oder das 1,5-Grad-Ziel.
Wenn schon nicht simple Mathematik hilft und auch nicht physikalisches Basiswissen, so sollte doch ein Blick auf den eigenen Haushalt dem Juristen Miersch die Erkenntnis vermittelt haben, dass die Ampel gezwungen war, einen schuldenfinanzierten Nachtragshaushalt aufzustellen, weil im Juni 2024 bereits die Rückstellungen für die EEG-Barone aufgebraucht waren und gut 9 Milliarden Euro nachgeschossen werden mussten. Und dann redet der SPD-Generalsekretär von „stabilen Energiepreisen“? Wie will er die erreichen? Indem er die Kohleverstromung verlängert und in Kernenergie investiert? Wohl kaum. Warum soll er die Augenbinde ablegen? Au contraire, indem er noch mehr und immer mehr Windräder aufstellen lässt.
Das würde zwar nur stabil den Strompreis nach oben treiben. Aber wo ist das Problem? Es gibt doch den Steuerzahler und die Schuldenbremse könnte auch fallen, denn die klimabewegte Wall Street und die Hedgefonds räumen der Ampel gern eine wesentlich höhere Kreditlinie ein, schließlich kann die Ampel als Sicherheit 80 Millionen Menschen hinterlegen. Und außerdem könnte man, wenn man schon Geld ohne Limit pumpen kann, ein Sondervermögen Industriestrompreis einrichten. Den kann man ohnehin nur über Schulden finanzieren, weil die üppigen Steuereinnahmen für die Träume der Ampel-Leute nicht ausreichen würden, und auch die üppigen Steuereinnahmen schon aus dem Grund zurückgehen werden, weil immer weniger Bürger Steuern zahlen, dafür aber immer mehr Bürger Sozialtransfers erhalten werden.
Es geht in diesen Tagen in der Ampel viel durcheinander. Kommt schon mal vor, wenn jeder seinen eigenen Gipfel veranstaltet. Lustig ist, dass die Strafzölle, mit denen die EU-Bürokratie E-Auto-Importe aus China belegt, die Importe von VW-Autos, die in China produziert werden, teurer machen als die Importe chinesischer E-Autos. Das versteht der SPD-Generalsekretär Miersch überhaupt nicht: „Es kann nicht sein, dass europäische Hersteller wie Volkswagen durch die EU-Zölle stärker belastet werden als chinesische Wettbewerber.“ Klar kann es das und dem Manne kann geholfen werden, das zu verstehen, denn die Strafzölle auf E-Autos wurden vor allem von Frankreich vorangetrieben, zumal sie nicht die chinesische, sondern vor allem die deutschen Konkurrenten treffen sollten.
Evident ist, dass die von der Brüsseler Bürokratie festgelegten Flottengrenzwerte, die darauf hinauslaufen, die Firmen zur Produktion von E-Autos, die keiner kaufen will, zu zwingen, die Hauptursache für den Niedergang der deutschen Automobilindustrie darstellen. Und weil das noch nicht reicht, werden wohl im Jahr 2026 Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe den strauchelnden deutschen Automobilfirmen auferlegt werden, weil die Grenzwerte, die sich Brüsseler Bürokraten an einem nicht enden wollenden Nachmittag ausgedacht haben, nicht erfüllt werden können.
Aber wahrscheinlich wird die Ampel wieder in ihrer Königsdisziplin glänzen, indem sie ein Geschäft zu Lasten der Deutschen abschließen wird. VW und die anderen zahlen die Strafen, nur kommen sie nicht dem EU-Haushalt zugute, sondern finanzieren ein schickes E-Mobilitäts-Förderprogramm. Hosianna Habeck und Co. haben eine neue Einnahmequelle gefunden. Das Klimaroulette kann sich weiter drehen. Die Innenstädte werden bewaldet – und zwar mit Ladesäulen. Und wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, dann wird nicht geheizt, sich nicht mit warmem Wasser gewaschen, nicht mit dem Auto gefahren, und auch nicht gearbeitet, wie es Habecks Netzagentur vor einiger Zeit vorschlug. Zurück zur Natur, zurück zum Winterschlaf. In Deutschland hat sich in den letzten fast zweihundert Jahren nichts geändert, denn wie wusste schon Heinrich Heine:
Franzosen und Russen gehört das Land,
Das Meer gehört den Britten,
Wir aber besitzen im Luftreich’ des Traums
Die Herrschaft unbestritten.
Hier üben wir die Hegemonie,
Hier sind wir unzerstückelt;
Die andern Völker haben sich
Auf platter Erde entwickelt.
Da das geneigte Publikum bald der Niedergang von VW langweilen wird, kann man sich getrost dem Haushalt zuwenden, da fehlen auch noch so 40 oder 50 Milliarden Euro, wenn es reicht. Aber wozu brauchen wir einen Haushalt? Wir haben ja Olaf Scholz und Robert Habeck und Christian Lindner. Vielleicht ist der Haushalt ja auch Godot.
Die Ampel streitet, ja, sie streitet heftig – über den schnellsten Weg in den Niedergang, und hört, wenn sie des Streitens müde ist, ihr letztes Band an. Mich hat Beckett immer gelangweilt.