Tichys Einblick
Affäre Bernig in Radebeul:

Wird der Ausgang von Wahlen künftig genehmigungspflichtig?

Wieder wird eine Wahl rückgängig gemacht. Der Schriftsteller Jörg Bernig wird trotz Votum des Stadtrates von Radebeul nicht Leiter des Kulturamtes. Demokratie folgt nicht mehr dem Prinzip der Mehrheit und Repräsentation, sondern den Vorgaben einer moralistischen Ideologie.

shutterstock

Im beschaulichen Radebeul in Sachsen, in dem zu liberaleren Zeiten Karl May lebte, wurde der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller Jörg Bernig zum Leiter des Kulturamtes gewählt. Bernig ist, wie es sich für einen richtigen Schriftsteller gehört, kein obrigkeitshöriger, sondern vielmehr ein kritischer Geist.

In einer aufgeklärten Republik würde das Votum der Mehrheit der Stadträte Freude auslösen. Doch seit dem 5. Februar 2020 scheinen wir in einer anderen Republik zu leben, in einem Staat, in dem eine Bundeskanzlerin eine demokratische Wahl für „unverzeihlich“ erklären und verfügen darf, dass diese Wahl rückgängig gemacht werden muss. In Erfüllung seines Klassenauftrages eilte dann auch spornstreichs am 6. Februar der Vorsitzende der „Freien Demokraten“, ein Mann, der es in der Disziplin der Entschuldigung zu einer kabarettreifen Meisterschaft gebracht hat, nach Erfurt, um diese freie und demokratische Wahl dann auch brav „rückgängig“ zu machen. Dieser Vorgang, der nun in Radebeul seine noch provinziellere Nachahmung findet, ließe sich nur dann als demokratisch bezeichnen, wenn man die Oligarchie zu den Formen der Demokratie zählt. Zumindest stellt er eine ernsthafte Verletzung des Repräsentationsprinzips dar.

Personalien Borchardt und Bernig
Die Linke und ihr fragwürdiges Demokratieverständnis
Inzwischen wird immer deutlicher, dass in Erfurt neue „demokratische“ Regeln definiert wurden, nach der eine Wahl nicht dem Prinzip der Mehrheit und Repräsentation zu folgen hat, sondern den Vorgaben einer moralistischen Ideologie. Es hat immer mehr den Anschein, dass Wahlen künftig von der Kanzlerin oder einer von der Regierung approbierten NGO ratifiziert werden müssen, wie man gerade im sächsischen Radebeul erleben darf.

Entgegen des Wunsches des Oberbürgermeisters Bert Wendsche stimmten mehr Mitglieder, als die Fraktionen der CDU und der AfD Stadträte haben, also über mehrere Parteigrenzen hinweg für den Romancier, Essayisten und Lyriker Jörg Bernig als Leiter des örtlichen Kulturamts.

Der erwartbare Aufschrei der Kulturschaffenden ließ nicht lange auf sich warten, denn in deren wohl eher totalitärem Kulturverständnis dürfen nur Linke oder Linksliberale in Ämter gewählt werden, weil sonst womöglich die üppige Finanzierung der eigenen Klientel in Gefahr geriete. Für Kulturschaffende sind nach den Vorgaben ihres Kulturkampfes alle Schriftsteller, Maler, Musiker, Philosophen und Historiker „neu rechts“, die nicht links oder wenigstens linksliberal sind. Dabei darf man den Kulturschaffenden durchaus den Schrecken, den ihnen eine Wahl wie die des Schriftstellers Jörg Bernig, einjagt, glauben, denn sie leben in den tristen Gefilden ihrer Verschwörungstheorien einer weltweiten neu rechten Unterwanderung und Konspiration.

Alle links oder was?
Wenn Linksradikale Recht sprechen und Kultur- und Bienenfreunde Rechte sind
Dass die Wahl eines Schriftstellers überhaupt den heftigen Protest von nicht allzu vielen, dafür umso lautstärkeren Kulturschaffenden hervorruft, beweist nur, dass es den Kulturschaffenden nicht um Kultur, sondern um Gesinnung geht. Im Vergleich mit der PEN-Vorsitzenden Venske scheint der Vorsitzende des DDR-Schriftstellerverbandes Hermann Kant ein liberaleres Literaturverständnis besessen zu haben.

Es verwundert nicht, dass der Aufschrei der Kulturschaffenden natürlich zum Erfolg führt. Laut Paragraph 52 der sächsischen Gemeindeordnung darf der Bürgermeister Beschlüssen des Gemeinderates widersprechen, „wenn er der Auffassung ist, dass sie für die Gemeinde nachteilig sind.“ Das tat Oberbürgermeister Bert Wendsche und folgte damit im Ergebnis den weisen Vorgaben der Bundeskanzlerin, indem er eine unverzeihliche Wahl rückgängig machte und die „unverzeihliche“ Wahl „wiederholen“ lässt.

Wer sich künftig in Sachsen für ein öffentliches Amt im Interessensbereich der Kulturschaffenden bewirbt, sollte vorher die PEN-Chefin Venske, den Chef der Sächsischen Akademie der Künste Freytag oder einen Schlagzeuger namens Sommer um Erlaubnis bitten. Vielleicht genügt aber auch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der Amadeu Antonio Stiftung.

Anzeige
Die mobile Version verlassen