Tichys Einblick
Arbeitskräftemangel in der Pflege

Wir machen es den Menschen schwer, die hier arbeiten wollen

Zuwanderung von Arbeitskräften reicht nicht - eine Reform der Ausbildung hat ebenfalls nicht geholfen. Die Zahl der angehenden Pfleger ist rückläufig. Das gefährdet die Versorgung - und wirft den Scheinwerfer auf das vielfältige Versagen der deutschen Integrationspolitik.

IMAGO / epd

Die große Koalition hat noch unter Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Ausbildung zur Pflege reformiert. Kranken-, Alten- und Kinderpflege sollten in einer Ausbildung zusammen gelehrt werden. Das Ziel: Für all diese Teilbereiche sollten künftig genügend Fachkräfte bereitstehen. Das Ergebnis: Die Ausbildungszahlen gehen zurück.

52.100 Menschen haben 2022 in Deutschland eine Ausbildung zum Pflegefachmann begonnen. 4.100 weniger Anfänger als noch im Jahr davor, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Das kommt einem Rückgang von sieben Prozent gleich. Über alle Jahrgänge hinweg befinden sich demnach derzeit 143.100 Personen in der Ausbildung zum Pflegefachmann.

Angemessener ist es, in dem Zusammenhang von der Pflegefachfrau zu sprechen. Denn von den 52.100 Menschen, die eine Ausbildung anfingen, waren 38.600 Frauen und 13.500 Männer. Transsexuelle, sexuell Unentschlossene oder Menschen mit wechselnder Sexualität erwähnt das Statistische Bundesamt im Zusammenhang mit der Pflegeausbildung nicht.

Die Pflege hat den Ruf, ein Platz für Menschen zu sein, die in einem anderen Beruf gescheitert sind und nun einen neuen Anfang wollen: Elf Prozent von allen sind laut Statistischem Bundesamt zwischen 30 und 39 Jahre alt beim Beginn ihrer Lehre – sieben Prozent sogar älter als 40 Jahre. Doch der Anteil von Menschen dieser Altersgruppe, die tatsächlich einen Abschluss machen, liegt demnach nur bei drei Prozent. Die Zahl der Abbrecher liegt bei den Älteren also überdurchschnittlich hoch – und zwar deutlich über dem Schnitt.

Die hohe Abbrecherquote ist ohnehin insgesamt ein Problem in der Pflege. Altenpfleger bleiben durchschnittlich nur vier Jahre im Beruf, wie die Berliner Morgenpost berichtet. Schon in der Ausbildung wirft demnach insgesamt jeder fünfte Lehrling hin. Die meisten tun es, nachdem sie zum ersten Mal mit der Praxis in der Altenpflege zu tun hatten, wie die Berufsverbände in der Morgenpost berichten.

Die Mühen des Berufs sind ein Grund für die hohe Abbrecherquote in der Altenpflege. Die weibliche Dominanz ein anderer. Wer an Gender Studies glaubt, für den gibt es keinen Zusammenhang zwischen Geschlecht und Schwangerschaften. Wer auf Statistiken und Realitäten setzt, kennt den Zusammenhang allerdings sehr wohl.

Der Mangel an Pflegerinnen und Pflegern ist schon jetzt ein Problem für das deutsche Gesundheitswesen. Die Heime sind unterbesetzt, die vorhandenen Pfleger teuer und Krankenhäuser können nicht alle Leistungen anbieten. Das Problem wird angesichts der Alterung der Gesellschaft noch zunehmen. Im Vergleich zu jetzt braucht Deutschland bis 2055 etwa 37 Prozent mehr Pfleger, wie das Statistische Bundesamt vorrechnet. Das entspricht etwa 370.000 zusätzlichen Pflegern.

Die Politik macht es sich einfach. Besonders die Anhänger der Ampel haben den Pflegenotstand vergessen – spätestens drei Sekunden, nachdem sie „Einwanderung“ gesagt haben. Doch eben diese Einwanderung wirkt sich vielleicht in vielen Statistiken aus. Etwa in der über erwerbsfähige Bezieher von Bürgergeld, die 3,9 Millionen Menschen dort bestehen mittlerweile fast zur Hälfte aus Ausländern. Die Zahl der Menschen in einer Pflege-Ausbildung ist aber wie beschrieben rückläufig.

Die unkontrollierte, oft illegale Einwanderung ist das eine. Doch selbst wenn Menschen gezielt nach Deutschland kommen wollen, um hier in der Pflege zu arbeiten, macht es der Staat ihnen schwer. Mit rund 100.000 Mitarbeitern hat jetzt schon etwa jeder zehnte Mensch in der Pflege einen ausländischen Pass. Das Sonntagsblatt berichtet per Nachrichtenagentur EPD von dem Beispiel einer 41 Jahre alten Brasilianerin, die drei Töchter und eine pflegebedürftige Schwester zurückgelassen hat, um in Deutschland Geld verdienen zu können.

In ihrer Integration habe sie niemand unterstützt. Keiner habe ihr geholfen, auf dem Land Kontakte zu knüpfen. Und auch auf der Arbeit fand sich niemand, der mit ihr Deutsch sprach. Sodass sie sich entsprechend schwertat, die Sprache zu lernen. Als sie dann krank wurde, drohte ihr der Arbeitgeber mit Entlassung. Als sie von sich aus kündigte, wollte die Klinik 7000 Euro für Flug und Sprachkurs zurückerstattet haben. Die Frau, die nach Deutschland gekommen war, um ihre Familie in Brasilien zu unterstützen, musste nun ihrerseits von eben dieser Familie Geld borgen.

Das von EPD geschilderte Beispiel ist durchaus typisch. Das Personalunternehmen Globogate befragt philippinische Pflegekräfte, ob sie noch einmal nach Deutschland kommen würden. 30 Prozent verneinen das – im vergangenen Jahr waren es nur zehn Prozent. Die Zahlen klingen nicht nach viel, sind aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass es die Antworten von Menschen an die Firma sind, die sie nach Deutschland geholt hat. Eine soziale Erwünschtheit ist als Faktor in den Antworten daher realistisch.

Wie EPD geschildert hat, ist der Umgang von Anbietern mit ausländischen Arbeitnehmern der eine Punkt. Ein anderer, wesentlicher Punkt ist der deutsche Bürodschungel, durch den sich diese Arbeitskräfte etwa bei der Erteilung eines Visa kämpfen müssen – oft genug mit schlechten Sprachkenntnissen bewaffnet. Die Isolation kommt dazu. Vor allem, wenn die Arbeitskräfte auf dem Land eingesetzt werden. Menschen, die hierher kommen und tatsächlich arbeiten wollen, macht es Deutschland einfacher als denen, bei denen wir hoffen, dass sie schon arbeiten wollen werden.

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