Die Welle des »Climate Emergency Movements« hatte auch Wiesbaden erfasst. Die Stadt war allerdings nicht schnell genug, sich als erste deutsche Stadt zum »Klima-Notstandsgebiet« zu erklären. Das Rennen hatte Konstanz gewonnen. Da blieb den Wiesbadenern nur, als erste Stadt die Buslinien nur noch mit elektrischen Bussen zu bedienen, um wenigstens in einem Punkt vorne zu sein.
Der Plan: Eine Stadtbahn sollte quer durch die engen Innenstadtstraßen gebaut werden; nur die breite Mehrheit der Wiesbadener mochte sich mit dieser Idee aus dem Wolkenkuckucksheim nicht abfinden und wischte in einem eindeutigen Bürgerentscheid das Projekt vom Tisch. Dafür werden die Wiesbadener jetzt mit Fahrradspuren und künstlich erzeugten Verkehrsengpässen traktiert.
Dann sollte Wiesbaden auf andere Weise das Klima retten: eben mit Elektrobussen. Und die Stadt kaufte zunächst 56 Batteriebusse. Das Bundesumweltministerium gab 45 Millionen Euro an Steuergeldern dazu. Die damalige Ministerin Schulze: »Wiesbaden geht mit gutem Beispiel voran und zeigt, wie ein umweltfreundlicher und attraktiver ÖPNV möglicht wird.« Für den Oberbürgermeister markierten die ersten Busse den Beginn des »offiziellen Batteriebus-Zeitalters«.
Die Elektrobusse schafften nicht einmal die Hälfte der Reichweite der dieselbetriebenen Busse. Denn unglücklicherweise ist das Gelände in der Landeshauptstadt recht bergig; der Riese Ekko (kein Vorgänger von Öko) soll in grauer Urzeit sich mit der linken Hand in die Berge des Taunus abgestützt und so die Täler Wiesbadens geformt haben und ärgert mit der Topographie die Grünen von heute. So wagen sich die Elektrobusse nicht auf die steileren Straßen in die Außenbezirke. 150 Kilometer soll eine Akkuladung nur halten, bei eisigen Temperaturen und voll besetztem Bus bis zu 100 Kilometer weniger. Ein dieselbetriebener Linienbus fährt 300 bis 400 Kilometer am Tag – bergauf und bergab und kostet auch bis zu dreimal weniger als ein E-Bus.
Die Stadt wollte neue große Gelenkbusse, um mehr Kapazitäten für Passagiere zu haben und schrieb neue große batteriebetriebene Gelenkbusse aus, wollte sie kaufen. Doch die gibt es nicht. Und – huch – so viele Elektrobusse benötigen auch erhebliche Mengen an Strom, viel mehr, als aus dem derzeitigen Netz abgezweigt werden kann. Deshalb sollte auch ein neues Umspannwerk beim Betriebshof her. Fünf Jahre dauerten Suche und Verhandlung für ein entsprechendes Grundstück. Doch jetzt werden die Pläne für den Bau eines Umspannwerkes an der Gartenfeldstraße womöglich aufgegeben, wie die Stadtwerke Wiesbaden Netz GmbH mitteilten. Der Bedarf bestehe nicht mehr, nachdem ESWE Verkehr seine Anforderungen verringert habe.
Der Strom für die Batterien sollte auch aus Photovoltaikanlagen kommen. Dazu bauten die Wiesbadener ein 6000 Quadratmeter großes Dach über den Busparkplatz mit Photozellen. Doch das musste jetzt wieder abgebaut werden. ESWE Verkehr: »Aufgrund von aktualisierten Brandschutzauflagen, die sich auf die Nutzung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur unserer Batteriebusse beziehen, sind wir dazu aufgefordert worden, entsprechende bauliche und technische Maßnahmen zu ergreifen.«
Jetzt sucht ESWE Verkehr dringend mehr Abstellplatz, weil jetzt sowohl die Dieselbusse als auch die leistungsschwachen Elektrobusse irgendwo abgestellt werden müssen. Das bisherige Betriebsgelände ist zu klein. Nicht bekannt wurde, ob schon Rettungspläne für brennende E-Busse existieren. Die Wiesbadener Berufsfeuerwehr hat noch keinen gigantischen Wassercontainer, in denen Busse mit brennenden Batterien eingetaucht werden können.
Muss man auch noch hinzufügen, dass das kommunale Fahrradverleihsystem eingestellt wird? ESWE Verkehr schaltet zum 30. Mai die App ab, mit der 600 Fahrräder gemietet werden konnten. »ESWE Verkehr drückt bei meinRad auf Reset-Knopf«, heißt die Pleite euphemistisch beim städtischen Verkehrsbetrieb. Das wurde vor vier Jahren mit ebenfalls großem PR-Klamauk vorgestellt und sollte »Mikromobilität« vorantreiben: 1,4 Millionen Euro – verpulvert.