Es ist einige Tage her, da postete ich bei Facebook einen Beitrag, in dem ich Bezug zu Gabriels neuester Forderung nahm, nach der unterhaltssäumigen Vätern künftig der Führerschein entzogen werden soll. Neben der Tatsache, dass es eventuell nicht unbedingt förderlich für die Sache sein könnte, Vätern, von denen man den Unterhalt für das Kind erzwingen will, den oft für den Beruf so wichtigen Führerschein wegzunehmen, mokierte ich, dass alleinerziehende Mütter in Deutschland per se als heilige Kühe angesehen würden, die stets alles richtig machen, während die Kindsväter, wenn sie überhaupt Erwähnung finden, zumeist nicht sonderlich gut dabei wegkommen.
Während die deutsche Presselandschaft voll von Artikeln über alleinerziehende Mütter und ihre schwierige gesellschaftliche und finanzielle Situation ist, mangelt es zumeist an Aufmerksamkeit und damit einhergehend auch Empathie für das Schicksal der dazugehörigen Väter der Kinder. Im Gegenteil, nicht selten ergießt sich ein wahrer Shitstorm über all jene, die es wagen, am Bild der armen alleinerziehenden Mutter zu rütteln. Dabei geht es mitnichten darum, an der durchaus oftmals prekären Situation alleinerziehender Mütter in Deutschland per se zu zweifeln oder gar zu behaupten, dass ein Großteil von ihnen entgegen der gängigen Meinung in Wahrheit bösartige Hexen seien, die die Männer nach Strich und Faden ausnehmen würden.
Nein, das worum es geht, ist ein wenig mehr Differenzierung und ein bisschen weniger Schwarz-Weiss-Malerei. Denn genauso wenig wie Väter per se gut sind, sind es Mütter. Auch nicht alleinerziehende. Es geht darum, den Blick für das Schicksal all jener Männer zu schärfen, die in der ganzen Debatte um Trennung, Unterhalt und Umgang zumeist nicht zu Wort kommen. Männer, die Verantwortung übernommen haben, für ihre Kinder finanziell aufkommen und sie trotz der manchmal schwierigen Umstände, aus denen sie entstanden sind, bedingungslos lieben.
Hierfür habe ich die letzten Tage nahezu ununterbrochen mit Vätern gesprochen, die sich auf die oder andere Weise – sei es von der Mutter oder auch vom Staat – nicht gerecht behandelt fühlen. Deren Ehen scheiterten oder die gar gänzlich ungewollt zur Vaterschaft kamen. Hinter jeder Geschichte, die ich nachfolgend kurz vorstellen werde, steckt das persönliche Schicksal gleich mehrerer Personen. Von Müttern, bei denen man sich irgendwann immer wieder zwangsläufig die Frage stellt, wann es genug ist. Von Vätern, die teils ihr ganzes Leben für ein wenig mehr Rechte an ihren Kindern kämpfen und dabei nicht selten psychische Schäden davontragen. Und von Kindern, die stets zwischen den Stühlen stehen und die am Ende dabei in aller Regel nur verlieren. So individuell und einzigartig die unterschiedlichen Fälle sind, so viele Gemeinsamkeiten haben sie auf der anderen Seite. Je mehr Gespräche ich geführt habe, desto öfter haben sich die Abläufe, die Schikanen, die Motive wiederholt. Aus jedem Fall zog ich eine andere wichtige Erkenntnis, die sich in der Summe jedoch zu einem Bild zusammenfügten, welches am Ende trotzdem die eine oder andere Frage unbeantwortet lassen wird.
Macht und Verletzung
Am Ende, so mein Fazit, geht es meist um zwei Dinge: Macht und Verletzung. Wobei das Spiel um Macht zumeist aus der Verletzung resultiert. Zugleich umfasst der Begriff der Verletzung zwei mögliche Ausrichtungen. So kann es sich zum einen um jene Verletzung handeln, die aus der Trennung vom und aus der Enttäuschung über den Expartner resultiert und zum anderen um diejenige, die man aufgrund der eigenen Unzufriedenheit mit sich und wie das eigene Leben verläuft, empfindet.
Nicht selten gehen beide Formen der empfundenden Verletzung miteinander einher, was die Situation oft noch einmal zuspitzt. Manchmal tritt jedoch auch nur eine Form auf. Dazu ist zu sagen, dass das Empfinden der Verletzung stets ein Subjektives ist, welches man als Außenstehender weder leichtfertig als gerechtfertigt deklarieren, noch grundsätzlich absprechen kann. Es ist also auch nicht Sinn dieser Darstellung, von Schicksalen aus der Sicht von betroffenen Vätern, den Müttern per se ein wie auch immer ungerechtfertigtes Verhalten zu unterstellen oder ihr Verhalten überhaupt bis ins letzte Detail zu bewerten. Hierfür bräuchte es zweifelsohne auch die Sichtweise der anderen Seite, die bewusst außen vor gelassen wurde, da es hierbei weniger um eine finite Wahrheitsfindung, denn um eine Möglichkeit für Väter geht, ihre eigene Sichtweise auf die Dinge darzustellen, ohne den direkten Versuch, diese augenblicklich wieder zu entkräften.
Dies führt mitunter wie gesagt dazu, dass Fragen unbeantwortet bleiben, wobei ich mir nicht sicher bin, ob sie überhaupt beantwortet werden würden, befrügte man die andere Seite dazu. Denn während die Männer sich in diesen Fällen zumeist als sehr offen und kommunikativ erweisen, sind sich vor allem die dazugehörigen Mütter als außerordentlich unkommunikativ und deren Front mitunter als so verhärtet, dass der Versuch des Dialoges wenig Sinn ergibt.
Es sind solche Fragen, wie jene, die bereits angeklungen ist. Die Frage danach, wann es genug ist. Wann und ob man über die eigene Verletzung, egal ob gerechtfertigt oder nicht, eines Tages hinwegkommt. Ob es einem irgendwann wieder wichtiger wird, zu leben, nach vorne zu schauen, oder ob man den eigenen Stress immer in Kauf nehmen wird, so lange man dem anderen Schaden zufügen kann. Ob man irgendwann erkennt, dass man damit vor allem auch dem eigenen Kind schadet oder ob all das, was man tut, stets unabhängig oder gar im Sinne der Mutterliebe gesehen werden wird. Und es die Frage, woher der Hass auf den Ex kommt. In manchen Fällen kann man über die Gründe des Hasses spekulieren. In anderen widerum wird man es wohl nie verstehen. Wieso bestrafen Frauen die Väter ihrer Kinder, selbst wenn diese sich nichts zu Schulden haben kommen lassen? Auch da spielt wohl letzten Endes vor allem wieder die Macht eine zentrale Rolle.
Was ich jedoch erfahren habe, ist viel über das Gefühlsleben, die Denkweise vieler betroffender Väter. Nicht alle Fälle konnte ich in diesen Beitrag aufnehmen, aber alle spielen in meinen Überlegungen eine Rolle. Kein Einziger hat von sich aus über seine Gefühle, darüber, wie es ihm dabei geht, gesprochen. Die eigenen Gefühle, sie kamen erst, wenn ich danach fragte, dann aber ungewohnt prägnant und offen. Die meisten Gespräche begannen mit einer sachlichen chronologischen Zusammenfassung dessen, was in den letzten Jahren im eigenen Leben passiert ist.
Im Fokus der Erzählung – und das stand zumeist im krassen Kontrast zum Verhalten der jeweiligen Kindesmutter – stand in aller Regel das Wohl des Kindes. Jene Fokussierung zog sich durch nahezu alle getätigten Aussagen, ob indirekt oder mit ganz direktem Verweis darauf. Ja, ich kann nicht beurteilen, ob diese Männer gute Partner, Ehemänner oder auch nur Bekanntschaften sind, aber ich maße mir an, nach diesen Gesprächen beurteilen zu können, dass es sich bei ihnen zumeist um gute Väter handelt, bei denen das Wohl des Kindes über allem steht. Ich habe darüber hinaus gelernt, dass dieses Problem ein gesamtgesellschaftliches ist. Dass es den Universitätsprofessor genauso treffen kann wie den Industriemeister. Und dass sich daraus noch ganz andere Probleme für die Gesellschaft ergeben können.
Als Frau beurteile ich die Dinge zunächst aus Frauensicht. Ich sehe die gesellschaftlichen und emotionalen Hürden für junge Frauen, sich heutzutage für Kinder zu entscheiden, weil ich selbst zu ihnen gehöre. Der Blick auf die andere Seite bleibt einem in Bezug auf viele Themen hingegen zumeist verwehrt. Das hat sich nicht zuletzt durch dieses Projekt und in Bezug auf die Situation vieler Väter hierzulande verändert. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken und ganz besonders bei der Person, die mich erst empfänglich für dieses Thema gemacht hat. Heute weiß ich, dass es auch Hürden für Männer gibt, sich in dieser Gesellschaft für Kinder zu entscheiden. Dass man manchen durch die Art der Gesetzgebung, die hier in Deutschland immer noch nahezu ausschließlich die Frau begünstigt, die Lust auf Familie und Kinder vollkommen nehmen kann.
Auch ich selbst war im Zuge der Gespräche und vor allem der anschließenden Nachbearbeitung nicht selten am Rande der Desillusionierung. Selbst von Natur aus Romantikerin, die an die große Liebe glaubt, hat mich eins ums andere Mal schockiert, was ich teilweise zu hören bekam. Umso mehr gilt mein Respekt den vielen Menschen, zu denen auch ein Großteil der Männer gehört, mit denen ich gesprochen habe, die den Glauben an die Liebe trotz ihrer teils krassen Erfahrungen nicht verloren haben. Die den Kampf nicht aufgeben und sich nicht unterkriegen lassen.
Der Professor, der sein Kind nur im Beisein des Jugendamtes sehen durfte
Stefan ist Professor an einer deutschen Universität. Seine Tochter kam 1999 zur Welt. Mit der Mutter des Kindes, mit der er damals nur kurz zusammen war und die am anderen Ende von Deutschland lebte, hatte er abgemacht, dass sie die Pille nehmen wird, nachdem sie vorher eine Abtreibung hatte. Kurze Zeit später wurde sie dennoch wieder schwanger, weil sie die Pille, wie Stefan sagt, heimlich abgesetzt hatte und verlangte nun die Heirat, was Stefan ablehnte. Eine Zurückweisung, die zu einem bis heute andauernden Rachefeldzug der Mutter und deren Eltern gegen den Vater des eigenen Kindes führte und der Stefans Glauben in den Rechtsstaat, wie er selber sagt, verloren gehen ließ.
Was folgte, waren horrende Unterhaltsforderungen einer Frau, die nach Stefans Angaben nie wirklich selbst gearbeitet hatte und die dem Vater trotzdem jedes Umgangsrecht untersagen wollte. Das gemeinsame Sorgerecht verweigerte sie ihm schon bei der Geburt. Seitdem verhindert sie auch, dass er das Kind überhaupt zu Gesicht bekommt. Den monatlichen Unterhalt, der direkt an die Vormundskasse überwiesen wird, wie Stefan sagt, nimmt man dennoch gerne. Daneben gesellten sich zu den Schikanen das Umgangsrecht betreffend schnell auch Bestrebungen, die ganze Existenz des Uni-Professors zu zerstören. Der Staat tat nichts. Im Endeffekt wolle der nämlich nur, dass der Vater zahlt, erklärt Stefan.
Die Tochter, inzwischen 16 Jahre alt, hat er seit der letzten Gerichtsverhandlung 2010 nicht mehr gesehen. „Ich mochte dich nie.“ hieß es damals von der Zehnjährigen – das Ergebnis der jahrelangen Indoktrination der Mutter, die den Hass auf den Vater an das Kind weitergegeben hatte. Inzwischen wisse Stefan gar nichts mehr über das Leben seiner Tochter, die er insgesamt überhaupt nur 10-15 Mal in ihrem Leben und immer nur unter Aufsicht des Jugendamtes gesehen hatte. Nicht einmal, wo sie zur Schule gehe. Die Mutter würde penibel darauf achten, dass es keine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme gibt. Das potenzielle Facebookprofil der Tochter war kurze Zeit nach dem Versuch der Kontaktaufnahme gelöscht worden. Stefan sagt heute, dass das Thema Kinder für ihn abgehakt sei. Seit drei Jahren ist er verheiratet, aber sein Kampf um die Tochter, die Demütigung als anerkannter Professor sein Kind nur im Beisein des Jugendamtes sehen zu dürfen, haben Spuren hinterlassen. „Du bist wie Sisyphos, bis man zerbricht.“ sagt er mir. Der Mann, der nach vielen Jahren in den USA zurückkam, um in Deutschland eine Familie zu gründen, hat diesen Wunsch heute aufgegeben.
Irgendwann übernimmt man die Rolle des Schuldigen
Christian ist ein anderer Fall mit ähnlichem Ergebnis. Der 38-jährige Software-Berater und studierte Mathematiker lernte die Mutter seines Sohnes vor drei Jahren in einem Sporturlaub kennen. Für ihn war es nur ein Urlaubsflirt mit der damals 34-Jährigen. Dennoch stimmte er zu, sie noch einmal im Anschluss in Deutschland zu besuchen. Auch hier kam es zum Sex. Wieder betonte er vor ihr, dass mehr für ihn nicht infrage käme, was sie zunächst mit Enttäuschung hinnahm. Schnell hatte sie ihn trotz dessen zu einem weiteren Treffen unter der Prämisse, dass man doch „einfach Spaß miteinander haben könne“ eingeladen. Bei diesem Treffen kam es zum Sex ohne Verhütung, worüber sich Christian noch heute ärgert. Sie hätte gesagt, sie bekäme am folgenden Tag ihre Periode und dass sie einen zuverlässigen Zyklus hätte.
Bereits zweieinhalb Wochen später teilte sie ihm mit, dass sie mit ihm reden müsse. Sie sei schwanger. Für Christian, der eigentlich immer nur Kinder mit der richtigen Partnerin haben wollte, mit der er sich eine Familie aufbauen kann, brach eine Welt zusammen. Er versuchte, ihr klar zu machen, wie schwer es auch für alleinerziehende Mütter wäre und dass das nicht der geeignete Rahmen für ein Kind sei. Sie bekam das Kind trotzdem gegen seinen Willen, sagte ihm, dass sie nichts verlange, nur dass er Zeit mit seinem Sohn verbringe. Nach der Geburt zahlte er trotzdem, weil gesetzlich dazu verpflichtet, Kindesunterhalt und auch Unterhalt für sie. Christian sagt, dass ihr hätte vorher bewusst sein können, dass es zu finanziellen Engpässen kommt, wenn sie nicht mehr Vollzeit arbeitet. Dass der Staat diese aufgrund seiner Zahlungspflicht nicht ausgleichen würde, wäre auch klar gewesen. Aber wie bei so vielen Dingen hatte er auch hier das Gefühl, sie hätte nicht wirklich über die Konsequenzen nachgedacht.
Später machte sie dann ihn zum Schuldigen, warf ihm oft vor, dass er das Kind zu wenig besuchen würde. 600 km trennen die beiden damals wie heute. Mehr als alle paar Wochen schaffe er es nicht, sagt er. Zudem stelle er sich immer wieder die Frage, was das Richtige für das Kind sei. „Das Komische“, sagt Christian, „ist nämlich, dass man die Rolle des Schuldigen irgendwann auch ein Stück weit übernimmt, dass man Selbstzweifel entwickelt, die vorher nicht da waren.“ Mit der Mutter des Kindes käme er trotz der Tatsache, dass bis jetzt alles ohne Anwalt lief, schwer zurecht. Für ihn sei sie eher der irrationale Typ und irgendwie auch egoistisch. Im Endeffekt hatte sie das alles nicht zu Ende gedacht und mache ihn jetzt dafür verantwortlich, wenn das Kind den Vater vermisse. Welche Konsequenzen das für sein Leben und künftige Partnerschaften hat, war ihr von Anfang an egal. „Viele Frauen haben ein Problem damit, wenn der Mann schon ein Kind hat.“ Dazu kommt, dass Christian heute keine eigene Familie mehr will. „Wenn jetzt DIE Traumfrau kommen würde, vielleicht. Aber irgendwie brauche ich das nicht mehr.“
„Die Waffe der Männer ist das Geld. Die der Frauen das Kind“
David hingegen ist den Weg der Gründung einer neuen Familie gegangen. Zusammen mit seiner jetzigen Lebensgefährtin hat er zwei Söhne im Alter von anderthalb und dreieinhalb Jahren. Und dennoch ist auch sein Leben immer noch stark von den Problemen mit der erstgeborenen Tochter und dem Verhältnis zu seiner Exfrau geprägt. Wie bei fast allen Vätern, mit denen ich bis jetzt gesprochen habe, gewährt er mir diesen Einblick jedoch erst gegen Ende unseres Gespräches. Es ist, als würde man insbesondere als Mann lieber cool und abgeklärt erscheinen, als wolle man das Ganze eigentlich eher nüchtern und sachlich betrachten wollen und allzu viel Emotionen lieber aussparen. Dementsprechend rational und sachlich schildert er mir seine Geschichte.
David ist 39 und Richter am Landgericht. Seine Exfrau lernte er 1999 kennen. 2007 folgte die standesamtliche, 2008 die kirchliche Trauung. Die gemeinsame Tochter kam 2009 zur Welt. Aber Davids Frau war unzufrieden. Vor allem beruflich. Während es bei ihrem Mann beruflich immer besser lief, arbeitete sie bereits vor der Geburt des Kindes in einem Job, der eigentlich nie dem entsprach, was sie wirklich machen wollte. Wenn das Kind größer war, wollte sie etwas anderes tun, selbstständig sein. Dennoch war sie diejenige, die zunächst zu Hause blieb. Bald wurde der Berufsalltag des Mannes idealisiert und so etwas wie Neid kam auf. David erklärt, es hätte keinen singulären Grund für die Trennung gegeben. Vielmehr waren es viele Kleinigkeiten und die generelle Unzufriedenheit.
Die Trennung erfolgte zunächst einvernehmlich, da hatte man gerade ein Haus gebaut. Man einigte sich auf ein geteiltes Sorgerecht. Aus beruflichen Gründen war die Tochter aber nur an jedem zweiten Wochenende bei David. Die Stimmung sollte, wie er sagt, erst 2012 kippen, als er seine jetzige Lebensgefährtin kennen lernte. Von diesem Zeitpunkt an stiegen auch die Unterhaltsforderungen für die Tochter und die Exfrau. Zeitgleich kam es zu den ersten Problemen bzgl. des Umgangs mit der Tochter. „Die Waffe der Männer ist das Geld. Die Waffe der Frau ist das Kind.“, hätte ihm sein Anwalt einmal gesagt. Seine Waffe wäre jedoch durch die Verbindlichkeiten das Haus betreffend, die einseitig auf ihm lasteten, schwach ausgeprägt gewesen. 600 Euro zahlt er bis heute allein dafür monatlich. Das sei selbst mit einem Richtergehalt viel Geld, zumal er jetzt noch zwei weitere kleine Kinder zu versorgen hätte. In der Folge kam zu diversen Rechtsstreiten auch bzgl. des Trennungsunterhaltes, der Davids Ex stets nicht hoch genug erschien. Das Thema Arbeit hatte sie unterdessen gänzlich für sich abgehakt. In den alten Beruf mochte sie nicht zurück, auch nicht in Teilzeit und mit der Selbständigkeit sei das auch so eine Sache, wenn man alleinerziehend ist. Stattdessen hätte sie auf die besondere Betreuungsbedürftigkeit der Tochter verwiesen. Heute arbeitet sie Teilzeit in ihrem Wunschberuch als Kosmetikerin.
Auch hier ergibt sich, wie auch in den anderen Fällen, ein komisch ambivalentes Bild einer Frau, die das eigene Kind einerseits, wie David sagt, „überbehütet“, die ihre Kraft aus der besonderen Bindung zum Kind im Abgrenzung zum Vater zieht und die andererseits vor „Kollateralschäden“ nicht zurückzuschrecken scheint. Wenn es dem Vater schadet, so erscheint es mir nach all den vielen Gesprächen, nimmt man es nicht zuletzt in Kauf, dass das eigene Kind zu Schaden kommt.
Auch im Falle von David höre ich von den Schikanen, die ich in verschiedenen Geschmacksrichtungen auch aus den anderen Fällen kenne. Von dem Hustensaft, der dem kranken Kind nicht mitgegeben wurde, damit der Vater am nächsten Tag einen eigenen kauft oder zu wenig oder nicht passender Kleidung, die dann aufgestockt werden musste, bis hin zu Vorwürfen, David würde sich nicht anständig um die Hygiene des Kindes speziell im Genitalbereich kümmern, was in der Konsequenz dazu führte, dass er und seine jetzige Lebensgefährtin seit dem nach jedem Wochenende eine penible Überprüfung durchführen, die für alle Beteiligten wohl eher als unangenehm einzustufen ist. Da brachte auch der Hinweis des zuständigen Richters, ob man das denn wirklich in der Akte vermerkt haben wolle, wenn das Kind das später lesen könnte, wenig, um die Mutter zum Einlenken zu bewegen.
Dass das eigene Kind am meisten leidet, scheint nicht ersichtlich, oder wird, so scheint es, zumindest in Kauf genommen. Seine Tochter sei, wie er selber sagt, ein ängstliches, unsicheres Kind. Sie hätte große Probleme mit dem Trennungskonflikt, dem alle Scheidungskinder ausgesetzt sind. Dem Druck, beiden Elternteilen gefallen zu wollen und niemanden zu verletzen. „Kinder in dem Alter“, sagt David, „verstehen noch nicht, dass man, auch wenn sich die Eltern untereinander nicht mehr mögen, man als Kind trotzdem noch beide Elternteile mögen kann.“ Dass dieser Konflikt zur uneträglichen Zerreißprobe für ein Kind wird, wenn der eine Expartner den anderen zusätzlich noch schlecht macht, sollte vor diesem Hintergrund klar sein. Mit sieben Jahren hat Davids Tochter infolge von Angstzuständen bereits eine kinderpsychatrische Behandlung hinter sich. Zu dem Zeitpunkt war sie fünf. Ein Einlenken der Mutter gab es dennoch nicht.
„Wann kommt für eine Frau, der Punkt, an dem es genug ist, an dem man erkennt, dass man sich nur selbst und vor allem das Kind unglücklich macht und dass es das nicht wert ist, egal welchen Greuel, ob berechtigt oder unberechtigt, man gegen den Expartner hegt?“, frage ich ihn.
Für David fehle es bei seiner Ex an einem Korrektiv im eigenen sozialen Umfeld. Jemanden, der ihr sagt, dass ihr Verhalten an mancher Stelle vielleicht nicht richtig sei. Auch eine Mediation scheiterte, weil es auch vier Jahre nach der Trennung für seine Ex vor allem um die Trennung der Eltern und nicht um das Kind ging. Darum, alll die Vorwürfe loszuwerden, die immer noch im Kopf herumschwirrten.
Als ich David auf seine Gefühle anspreche, sagt er, dass es ihm schlecht damit gehe. Nach fünf Jahren bekäme er immer noch dann und wann Post vom Anwalt, die ihn jedes Mal aus dem Alltag reißen würde. Oft würde einem immer wieder von Neuem bewusst werden, wie wenig man am Leben des eigenen Kindes teilhat. Von der Einschulung seiner Tochter erlebte er nur den öffentlichen Teil. „Den Teil, wo man es nicht verhindern konnte, dass ich da bin.“ Besonders schlimm sei all das im Kontrast zu dem Leben mit den eigenen Söhnen, von denen der Älteste langsam beginnt, Fragen zu stellen. Seine Tochter sei halt schon irgendwie das Problemkind.
David ist darüber sehr traurig. „Ich hätte sie gerne zu einer modernen, emanzipierten jungen Frau erzogen, die mutig durch die Welt geht.“ Dafür fehle es ihm jedoch an Einfluss. Es sei schlimm, wenn einem jemand am Herzen liegt und man trotzdem nichts für ihn tun könne. Dabei, sagt er, hätten Eltern von Trennungskindern ja noch eine viel größere Aufgabe als andere Eltern. Das Problem sei jedoch, dass sie oft das schlechtere Team seien. Von der Hochstilisierung der Patchwork-Familie hält David deshalb nicht viel. Die Probleme würden sich ganz klar auch in seine jetzige Familie tragen. Das beginne schon bei Kleinigkeiten, weil die Kinder schlichtweg anders sozialisiert und erzogen sind. Was die Tochter bei der Mutter darf, ist bei ihm nicht erlaubt. Schon allein aufgrund der zwei kleinen Brüder kann David da keine Ausnahme machen. Seine Tochter erfahre dadurch zwei vollkommen unterschiedliche Erziehungsstile. Eine weitere Belastung und Verunsicherung für das Kind.
Wie alle Väter, mit denen ich spreche, frage ich auch David zum Schluss, ob ihn all das verändert hätte. Er sagt, sein Familienbild wäre immer noch stark vom bürgerlichen Ideal, aus dem er selbst stamme, geprägt, aber er sei in vielen Dingen auch liberaler geworden, dadurch, dass er selbst irgendwann von dieser Ideallinie abgewichen sei. Man hätte ab da auch einen kritischeren Blick auf andere Dinge entwickelt und grundsätzliche Werte, die man vorher hatte, hinterfragt.
Seine Tochter sieht er immer noch nur an jedem zweiten Wochenende. Die Übergabe erfolgt auf der Straße. Seine Ex wolle das so.
„Aber sie ist doch meine Tochter …“
Einer der bewegendsten Fälle für mich, ist der von Kai, 40 Jahre alt, Industriemeister aus Wernigerode. Er ist der Einzige, dessen echten Namen ich nennen darf. Unser Gespräch dauert fast drei Stunden, Zwischenzeitlich wird seine Stimme brüchig und ich frage mich, wie ich dem, was er mir alles erzählt hat, auch nur annähernd gerecht werden kann.
Als Kai seine Ex kennen gelernt, ist sie 19 und er 21. Sie trennen sich nach sieben Jahren. Er gestaltet sein Leben, baut sich ein Haus. Sie ist beeindruckt und man kommt sich in dem halben Jahr nach der Trennung wieder näher. Kurze Zeit später wird sie schon schwanger. Das Kind ist gewollt. Dann kehren die alten Verhaltensmuster zurück. Mit 30 bzw. 31 trennt man sich einvernehmlich, da ist Kais Tochter zwei Jahre alt. Heute ist sie elf und die Trennung neun Jahre her. Was Kai seitdem erlebt hat, kann man gelinde gesagt als emotionale Hölle bezeichnen, die schon unmittelbar nach der als so harmonisch wahrgenommenen Trennung begann, als seine Exfreundin einen Tag vor dem vereinbarten Umzug völlig unvermittelt das Haus ausgeräumt hatte. Auch das gemeinsame Sorgerecht konnte nichts daran ändern. Er wird wie so viele Väter zum bloßen Bittsteller degradiert, der von der Gunst der Mutter des Kindes abhängig ist. Absprachen werden nicht eingehalten, wenn er das Kind holen will, ist es oft krank. Sukzessive wird es von ihm entfremdet.
So ungenau man es mit dem Umgang nimmt, so genau nimmt man es unterdessen mit dem Unterhalt. Die Mutter zweifelt an, dass der Unterhalt richtig berechnet wurde. Kai muss sich daraufhin komplett nackig machen, all seine Finanzen offenlegen. Selbst der Weg zur Arbeit wird ihm jetzt vorgegeben, damit auch ja kein Cent zu viel für den Weg zur Arbeit draufgeht, der dann widerum vom Unterhalt abgezogen werden könnte. 309 Euro stehen seiner Ex an Unterhalt zu, plus 190 Euro Kindergeld. Macht fast 500 Euro für die Tochter im Monat. Ohne Eigenanteil. Doch das Finanzielle ist nicht schlimme, es ist ja für die Tochter. Schlimm sind die Schikanen.
Da war zum Beispiel der Fall, dass Kais Tochter anruft und ihm sagt, dass sie nicht zu ihm möchte. Der Druck, sich irgendwie zwischen den Eltern zerreißen zu müssen, immer einem weh zu tun, wurde zu groß für das Mädchen. Kai merkt, wie traurig seine Tochter ist und beschließt zusammen mit seiner jetzigen Lebensgefährtin zu Mutter und Kind zu fahren, um das Gespräch zu suchen. Seine Lebensgefährtin nimmt er mit, weil er weiß, dass er im Zweifelsfall einen Zeugen braucht, damit nicht auch das wieder gegen ihn verwendet wird. Er klingelt mehrmals. Keiner macht auf. Er versucht, anzurufen und keiner geht ran. Ein paar Tage später erhält er eine Anzeige wegen Nötigung. Er hätte gegen die Tür getreten, Telefonterror betrieben. Das Kind wird instrumentalisiert, soll die Geschichte der Mutter bestätigen. Papa ist wieder einmal der Böse.
Bei den Ämtern ist er das auch. Das höre ich eigentlich von allen Vätern. Wenn Kai etwas will, muss er vor Gericht gehen. Ein Gutachten kostete ihn mal eben über 4.000 Euro. Das ganze Prozedere dauerte 1 ½ Jahre. Da war das eigentliche Anliegen schon verjährt und das Gutachten unnütz. Dazu kommen die auferlegten Gesprächstermine, sogenannte Mediationen. Die Mutter zeigt sich, wie bei allem, unkooperativ, nimmt die Termine nicht wahr. Konsequenzen hat das nie. „Es mag Gesetze geben, die Vätern Rechte einräumen“, sagt Kai, „aber sie werden nicht angewandt.“ Seine Tochter will ihn mittlerweile kaum noch sehen. An dieser Stelle wird seine Stimme brüchig. Was er denn machen solle? Er könne ihr ja nicht den Arm ausreißen. „Wenn man sein Kind liebt, dann lässt man es los.“ Es ist das, was auch in allen anderen Gesprächen zu mir durchdringt: Die unbedingte Orientierung am Kindeswohl, die ich bei den Müttern, die zu all dem fähig sind, so vermisse. Seine Ex hat die gemeinsame Tochter inzwischen auf einer Privatschule angemeldet. Gefragt hat sie ihn nicht, auch wenn er dafür wird bezahlen müssen.
All das hat wie so oft auch Einfluss auf seine jetzige Beziehung. Dabei hat seine Lebensgefährtin, die selbst Mutter ist, großes Verständnis für ihn. Und dennoch ist sie da, die Sorge um den Partner. „Wie lange willst du das noch mitmachen? Wann wirst du auch mal an dich und an uns denken und dass wir auch ein Recht darauf haben, glücklich zu sein?“ fragt sie ihn deshalb immer öfter. „Aber sie ist doch meine Tochter und ich liebe sie“ antwortet Kai dann.
Seit einiger Zeit macht er eine Gesprächstherapie. Ob er noch einmal ein Kind mit seiner jetzigen Partnerin haben will, weiß er nicht. Noch einmal will und kann er das nicht durchmachen.
„Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder einer Frau vertrauen könnte.“
So tief der Einblick ist, den mir David und Kai in ihre Gefühle gewähren, so abgeklärt erscheint mir Tim. Vielleicht ist das Show, vielleicht ist er aber auch einfach nicht der Typ für große Emotionen. Jeder geht anders mit einen derartig tiefgreifenden Vertrauensbruch um, wenn einem die Frau erzählt, sie würde verhüten und es nicht tut. Wenn sie über den Kopf des Mannes hinweg über sein Leben, ihr Leben und das Leben des zu dem Zeitpunkt noch ungeborenen Kindes entscheidet. Nicht jeder Mann wird automatisch zum Vater. Manch einer bleibt immer nur der Erzeuger. Manchmal folgt auf die Rücksichtslosigkeit der Frau die Rücksichtslosigkeit des Mannes. Kann man das verurteilen? Im Sinne des Kindes sicherlich. Die Frage ist, ob es vielleicht aber manchmal einfach so ist. Dass es manch einem einfach nicht möglich ist, eine Bindung zu einem Kind aufzubauen, welches man nur durch die Lüge des Expartners überhaupt hat. Auch diese Fälle gehören erzählt. Und vielleicht ist Oliver so ein Fall.
Als seine Exfreundin ihm mitteilte, dass sie schwanger sei, lief zwischen den beiden seit einem halben Jahr sowieso nur noch eine On/Off-Geschichte. Davor waren sie fünfeinhalb Jahre zusammen. Sie war seine große Jugendliebe aus der Abi-Zeit. Auf die Frage, dass sie doch die Pille nehme, antwortete sie nur lapidar, dass sie dies schon seit einem halben Jahr nicht mehr tun würde. Auch für Oliver brach eine Welt zusammen. Er war gerade erst am Ende seiner Ausbildung, hatte ein gutes Jobangebot. Seine Ex beruhigte ihn, sagte, er müsse nicht zahlen, hätte keine Verpflichtungen.
Das änderte sich, als er den Job annahm. Von 1.900 Euro netto blieben ihm am Ende ca. 800. Seine Exfreundin, die vor der Schwangerschaft einen Bürojob hatte, hörte unmittelbar nachdem sie erfuhr, dass sie ein Kind erwartete, auf zu arbeiten. Sein Dienstwagen wurde ihm genauso angerechnet wie Prämien, Weihnachts- und Urlaubsgeld. Die Miete seiner Wohnung betrug damals 400 Euro. Ihm wäre fast gar nichts mehr geblieben.
Oliver zog zurück zu seiner Mutter. Ohne sie, sagt er, hätte er nicht noch studieren können und würde jetzt nicht da stehen, wo er steht. „Ohne meine Familie wäre ich untergegangen.“
Von der Ex kamen trotzdem nur Vorwürfe. Er würde dem Kind nichts schenken, obwohl er es nicht einmal sehen durfte. Vom Jugendamt fühlte sich Oliver damals komplett im Stich gelassen. „Die interessiert nur, ob man Unterhalt zahlt. Was das Umgangsrecht angeht, hat man mich komplett im Regen stehen lassen.“ Von seiner Ex darf er sich weiterhin Frechheiten gefallen lassen. So teilte sie ihm, die inzwischen einen neuen Partner kennen gelernt hatte, auch ganz ungeniert mit, dass sie erst in zwei Jahren heiraten würde, damit er noch so lange für sie Unterhalt zahle.
Sie heiratete schlussendlich trotzdem etwas früher. Kurz vor der Hochzeit stimmte Oliver der Adoption des Kindes zu, das er bis dahin nur zwei Mal gesehen hatte. Seine Begründung: „Ich wollte mich nicht dazwischen drängen. Er hat zu dem anderen ja Papa gesagt.“
Auch ihn frage ich, ob ihn all das verändert hätte. Er erzählt mir, dass das Gefühl der Wehrlosigkeit das Schlimmste wäre. Ein Jahr hatte er danach keinen Sex mehr. Acht Jahre nur Sex mit Kondom mit extra dicker Wand. „Ich war in einem richtigen Loch. Ich wusste nicht, ob ich jemals wieder einer Frau vertrauen könnte.“ In Internetforen hätte er sich die Geschichten anderer Väter durchgelesen, die noch schlimmer dran waren. Das hätte ihm geholfen. Er selbst sei sehr behütet aufgewachsen, aber in der Zeit, wo es ihm so schlecht ging, war das Thema Familie für ihn abgehakt. Frauen hätte er nur für Sex gehabt. Erst jetzt hätte er die perfekte Partnerin gefunden, wie er selber sagt. Sie hätten sich jedoch dazu entschieden, keine Kinder zu bekommen. Dieses Jahr wollen sie heiraten. Von seinem Kind weiß sie nichts.
Erst die Trennung, dann die Privatinsolvenz
Vom umgekehrten Fall einer Adoption hat Henning zu berichten. 2003 lernte der mittlerweile 40-jährige Sachbearbeiter seine Exfrau, eine Verkäuferin, kennen und lieben. Bereits nach knapp einem Jahr Beziehung zogen sie zusammen. Sie brachte ein Kind aus einer früheren Beziehung mit. Mit dem Ex-Mann seiner damaligen Frau hätte es immer wieder Probleme bzgl. des Unterhalts gegeben. Auch wollte er das Kind nicht sehen. Henning baute in dieser Zeit eine enge Bindung zu dem damals kleinen Kind auf und so beschlossen er und seine Ex, dass er den Kleinen adoptieren sollte, sofern der Vater des Jungen zustimmt. Der stimmte zu und bereits 4 Monate nach der Heirat Ende 2005 adoptierte er den Jungen. Zusammen suchte man sich eine größere Wohnung und 2007 kam das gemeinsame Kind, ebenfalls ein Junge, auf die Welt.
Auch wenn das Geld mit zwei Kindern knapp war, wollte seine Frau nicht mehr arbeiten als die 20 Stunden, die sie bisher gearbeitet hatte. Dementsprechend musste Henning noch mehr arbeiten als sonst. „Rückblickend“, sagt er, „hätten da schon die Alarmglocken bei mir schrillen sollen, weil man eigentlich da schon gemerkt hat, dass es ihr immer darum ging, viel Ertrag mit wenig Aufwand zu erzielen.“ In den ersten Monaten nach Geburt des jüngsten Kindes vernachlässigte er, wie er selbst sagt, den Größeren. Es war eben sein erstes eigenes Kind, sagt Henning. Das war dann auch die Zeit, wo man sich mehr und mehr auseinanderlebte. Sex gab es nach der Geburt des jüngeren Kindes vielleicht noch zwei Mal im Jahr. „Da war keine richtige Liebe mehr, keine Zärtlichkeit, keine Zweisamkeit.“ Ab 2010 schlief man in getrennten Zimmern. Um das Kind wurde sich nur noch gestritten, wer es auf dem Arm tragen darf, wer es füttert. Einmal riss sie es ihm sogar mit den Worten, dass es ihr Kind sei, aus dem Arm.
Im Mai 2011 sagte sie ihm dann, dass sie ihn nicht mehr liebe und er die Wohnung verlassen soll. Er wollte reden. Sie war der Meinung, sie hätten oft genug geredet. Sie hätte ihm immer wieder gesagt, was er an sich ändern müsse. Fünf Tage nach dem Geburtstag des gemeinsamen Kindes zog er aus. Zunächst zum Bruder. Für den Fall, dass sie es sich noch einmal anders überlegen würde. Unmittelbar nach dem Auszug kamen die Unterhaltsforderungen. Er wollte Unterhalt für seine Kinder zahlen, bat sie jedoch um ein wenig Zeit, um das eigene Leben neu ordnen zu können. „Da habe ich gemerkt, worum es ihr eigentlich ging.“ In ihrem Blick hätte er den ganzen Hass und Ekel gesehen, den sie ihm gegenüber empfand und den er sich bis heute nicht erklären kann.
Die Wohnung durfte er von da an nicht mehr betreten. Die Kinder sah er vorerst auch nicht mehr. Er bat sie, sich einen gemeinsamen Anwalt zu nehmen. Auch, um zu zeigen, dass er ihr nichts Böses wollte. Erst hatten sie eine Anwältin. Die vertrat jedoch nur seine Frau, sodass er sich einen eigenen Anwalt besorgte. Einen christlichen Mann, wie Henning sagt, weil er jemanden wollte, „der für Gerechtigkeit ist.“
Der bibeltreue Anwalt wurde von der Anwältin der Ex zerrissen. „Alles, was ich besprechen oder erreichen wollte, wurde zerpflückt.“ Seine Exfrau sei nie auf Einigung aus gewesen. Ihr wäre es einzig um die Konfrontation gegangen. Den Unterhalt für die beiden Kinder zahlte er immer und dennoch verweigerte sie ihm lange Zeit den Umgang. „Sie wusste, dass das ihre stärkste Waffe war, dass sie mich damit am meisten treffen kann.“ Die Vereinbarung, dass er die Kinder alle zwei Wochen sehen könne, hielt sie nicht ein. Zum vereinbarten Telefonat einmal die Woche kam es auch nie. Entweder waren die Kinder nicht da, beim Essen oder es gab eine andere Ausrede. Das Verhältnis zum älteren Kind wurde immer schlechter. Von Großeltern und Mutter aufgestachelt, fungierte er, sofern er noch zu Besuch kam, nun mehr als Spitzel. Jedes Wort, was gegen ihn verwendet wurde, wurde an den Anwalt weitergeleitet. Und immer wieder die Androhung, die Kinder nicht mehr sehen zu dürfen, wenn er ihre Forderungen nicht erfüllt.
Dass er in die Nähe zog, um bei seinen Kindern sein zu können, passte ihr zudem von Anfang an nicht. Eines Tages kam sie mit einem Zettel zu ihm, auf der ihre neue Adresse stand. 80 km vom damaligen Wohnort entfernt. Dagegen machen konnte er nichts. Sie hatte das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Vier Monate sah er seine Kinder danach nicht. Wenn er sie zu seinem Besuchswochenende abholen wollte, waren Mutter und Kinder nicht da. Hilfe vom Jugendamt gab es nicht, da hebt er sich nicht von den anderen Fällen ab. Anschreiben könne man sie, ansonsten müsse alles gerichtlich geregelt werden. Zum Unterhalt von knapp 700 Euro kamen nun fortan die Fahrtkosten zu den Kindern.
Dann kam seine Ex auf die Idee, rückwirkend einen Lohnsteuerjahresausgleich für die letzten vier Jahre zu machen. Etwas, was sie zusammen nie gemacht hatten. Weil sie es tat, musste er es auch tun und plötzlich sollte er 18.000 Euro zurückzahlen. Er nahm sich einen Schuldnerberater, weil er das Geld nicht aufbringen konnte. Mit 20.000 Euro Schulden ging er schließlich 2015 in die Privatinsolvenz. Sein gesetzlicher Freibetrag, den er von seinem Gehalt behalten durfte, wurde von 1079 auf 1689 Euro angehoben, sodass er zumindest noch den Unterhalt zahlen konnte. Das Auto musste er hingegeben abgeben und plötzlich stellte sich die Frage, wie er künftig seine Kinder besuchen solle. Dann lernte er seine heutige Lebensgefährtin, seinen „Stern“ wie er sagt, kennen. Sie hatte ein Auto und Verständnis.
Den großen Sohn hat er inzwischen seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Der Kleine ist immer noch gerne bei ihm. Über sein Leben, die Schule etc. erfährt er dennoch nichts.
Wie es ihm mit all dem gehe, frage ich auch ihn. Er sagt, er sei von Natur aus ein lustiger Mensch, seinen Humor hätte er sich nie nehmen lassen – auch damit seine Kinder ihn nicht als gebrochenen Mann erleben. Und dennoch hätte ihn all das, was seine Ex getan hat, wie sie mit ihm umgegangen sei, zermürbt. Auch auf der Arbeit wäre es das erste halbe Jahr nach der Trennung schlecht gelaufen, doch irgendwann riss er sich wieder zusammen. „Wenn ich meinen Job verloren hätte, hätte ich ja keinen Unterhalt mehr zahlen können und dann hätte ich meine Kinder nicht mehr gesehen.“ Seiner jetzigen Freundin müsse er es wahnsinnig hoch anrechnen, dass sie ihn so genommen hat. Sie wusste ja, dass er nichts hat.
Weitere Kinder will Henning, der selbst aus einer Großfamilie mit fünf Kindern stammt und für den Familie immer alles war, dennoch nicht, obwohl seine Freundin gerne noch eines hätte. Das hätte jedoch nichts mit seinen Erfahrungen zu tun. Er wolle die Kinder einfach gerne groß haben, um das mit seiner Freundin zu erleben, was er in seiner Ehe nie hatte.
Frauen, sagt Henning zu Ende unseres Gespräches noch, hätten eine ganz andere Lobby, weil sie sich als Opfer hinstellen können. Diese Opferrolle würden Männer oft nicht für sich annehmen wollen, weil man es von der Gesellschaft auch gar nicht reflektiert bekäme. „Als Mann bist du der Schuldige.“ Daran würde auch keine Selbsthilfegruppe etwas ändern.
Kinder gewonnen und trotzdem verloren
Der Fall von Jens ist etwas anders gelagert als die anderen, denn im Gegensatz zu den anderen Vätern darf Jens seine Kinder oft sehen. So oft, dass sie bis auf zwei Wochen im Jahr genauso viel bei ihm sind wie bei seiner Expartnerin. All das hatte er vor Gericht erstritten und Recht bekommen. Damit ist er nach allen Gesprächen, die ich bis jetzt geführt habe, eine absolute Ausnahme und dennoch kann man auch Jens am Ende nicht als „Gewinner“ dieser Schlacht bezeichnen.
Als seine Ex ihm mitteilte, dass sie sich trennen wolle, war sie gerade hochschwanger mit dem dritten gemeinsamen Kind. Jens sagt, dass es weder Streit, noch einen anderen Partner gab. Sie hätte sich wohl schlicht neu erfinden, noch einmal durchstarten wollen. Die Kinder wurden, so wie es in der Regel der Fall ist und trotz gemeinsamen Sorgerechts, nach der Trennung der Mutter zugesprochen bzw. wurde es so kommuniziert, erklärt Jens. Er hätte den Fehler begangen, nicht direkt dagegen vorgegangen zu sein, was ihm später vor Gericht als Duldung ausgelegt worden war.
Als es ihm irgendwann zu willkürlich mit den Besuchszeiten wurde, nahm er sich eine Anwältin, um ein geregeltes Umgangsrecht zu erwirken. Was folgte, war ein jahrelanger Krieg vor Gericht. Am Ende hatte er so gut wie alles gewonnen und verlor am Ende trotzdem – vor allem finanziell.
Was war das Problem? Jens hatte sich ein solch umfangreiches Umgangsrecht erkämpft, dass die Kinder nun fast genauso oft bei ihm waren wie bei der Mutter. Eigentlich ein klassischer Fall für das Wechselmodell, bei dem die Kinder zu gleichen Teilen bei den Eltern sind und jeder auch für sich die Kosten für den Unterhalt trägt. Ein Modell, welches heutzutage nahezu allen Familien nach einer Trennung empfohlen wird, weil es nachweislich zu mehr Absprachen und den Willen zur Kompromissfindung zwischen den Eltern führt. Daneben können die Kinder weiterhin bei beiden Elternteilen aufwachsen.
Doch Jens Ex wollte das Wechselmodell nicht, denn das hätte bedeutet, dass sie für die Zeit, die die Kinder bei ihr sind, selbst hätte dafür aufkommen müssen. Also erstritt sie genau jene zwei Wochen, die die Kinder im Jahr mehr bei ihr sind, die nun dafür sorgen, dass Jens trotz der Tatsache, dass er sich gleichermaßen um die Kinder kümmert und dementsprechende Mehrkosten hat, den vollen Unterhalt an seine Ex für die Kinder zahlen muss und sich selbst nichts anrechnen lassen kann. Dazu beantrage seine Ex ständig Kostenübernahmen für Schulgeld, Essensgeld und andere Dinge, weil sie das nicht vom Kindergeld bezahlen möchte. Für seine Ex, sagt Jens, haben der Staat und der Vater finanziell für die Kinder aufzukommen. Daran halte sie fest. Ihr Einkommen sei ihres.
Jens ist selbstständig. In schlechten Monaten hat er abzüglich des Unterhalts, den er an seine Ex zu entrichten hat, nicht mehr als die in seinem Bundesland festgelegten 1.080 Euro Selbstbehalt plus 270 Euro, die ihm vom Kindergeld zustehen. Davon muss er dann die vierköpfige Familie ernähren. Ein schier unmögliches Unterfangen. Früher war Jens Künstler, reiste mit Kollegen durch die Welt und verdiente nach eigenen Angaben ziemlich gut. Mit drei Kindern war das nicht mehr möglich. Heute hat er drei Jobs, um über die Runden zu kommen. Einen als Angestellter, damit er zumindest krankenversichert ist. Seine private Krankenversicherung hat er längst gekündigt. Wenn er kann, zahlt er dann und wann 100 Euro in eine private Altersvorsorge ein. Jens sagt, die Trennung hätte sein ganzes Leben verändert. Manchmal würde man sich fragen, ob es sich überhaupt noch lohne, nach etwas Höherem zu streben, wenn man doch am Ende ohnehin weder für sich, noch für die Kinder etwas davon hätte.
Auch auf die Psyche und den Körper wirkt sich all das aus. Zu den Prozesszeiten hätte er extreme Schlafstörungen gehabt. Auch Aggressionen und Hassgefühle spielten eine Rolle. Und dann die ständige Angst, die Kinder zu verlieren. Zwei Bandscheibenvorfälle hatte Jens mittlerweile. Als die Mutter den jüngsten Sohn vor Gericht als Zeugen zerrte, tat das Jens so weh, dass er nicht mehr vor Gericht kämpfen wollte. „Ich wollte nicht, dass mein Kind vor Gericht muss.“ Dann zog er es doch auf Anraten des Rechtsbeistands durch. Vermutlich wäre sonst alles noch viel schlimmer gekommen.
Jammern wolle er dennoch nicht. Die Kinder gäben ihm immer wieder Kraft und dass sie so viel bei ihm sein können, sei natürlich Klasse. Es wäre immer sein Wunsch gewesen, Familie zu haben. Daran hätte sich nichts geändert. Er hätte auch immer wieder Partnerschaften gehabt, wobei diese oft aufgrund der beruflichen Belastung und der wenigen Zeit scheiterten. Die Frauen, die meist selbst auch Kinder hatten, waren sehr verständig, aber irgendwann ging es meist nicht mehr.
Für ihn bedürfe es ganz klar einer Reformierung der Gesetze, die noch aus einer Zeit stammen würden, wo Frauen zu Hause blieben und der Mann arbeiten ging. Bis heute geht auch in Sachen Wechselmodell nichts ohne die Zustimmung der Frau. Ohne Zustimmung des Mannes geht es hingegen sehr wohl.
Und das ist letztlich der alles dominierende Faktor in dieser Angelegenheit zwischen Frauen und Männern, Müttern und Vätern. Wir leben in Zeiten, wo wir die Gleichberechtigung der Geschlechter zu einem der obersten gesellschaftliche Ziele ernannt haben. In vielen Bereichen ist diese Gleichberechtigung für die Frau noch nicht gänzlich gegeben. Besonders in Bezug auf die eigenen Kinder lässt sich jedoch nach all meinen Erkenntnissen sagen, dass es hier der Mann ist, der eklatant benachteiligt und zum bloßen Bittsteller ohne eigene Entscheidungsbefugnis degradiert wird. Er ist derjenige, der in Bezug auf die eigenen Kindern bei einer Trennung oder, wenn er nie mit der Mutter zusammen war, einen Haufen Pflichten, aber kaum Rechte besitzt und der durch diese gesetzliche Schieflage zermürbt wird.
All das, das muss man eigentlich gar nicht mehr extra erwähnen, schadet in immenser Weise nicht zuletzt auch den betroffenen Kindern. Denn bei aller Toleranz gegenüber den unterschiedlichen Familienmodellen, brauchen Kinder sowohl Mutter als auch Vater. Nicht jeder wird dieser Rolle gerecht oder will dieser Rolle gerecht werden, aber wieso machen wir jenen, die Vater sein wollen, das Leben hierzulande so schwer? Hier bedarf es eines Umdenkens. Sowohl beim Staat, als auch bei den Müttern.
Die Namen wurden auf Wunsch der Väter geändert.