Deutschland nimmt derzeit eine in die Hundertausende gehende Anzahl von syrischen Flüchtlingen auf – während die reichen Ölstaaten auf der arabischen Halbinsel ihre Tore geschlossen halten. Die Verwunderung darüber treibt zunehmend mehr Deutsche um – sind sie doch in Folge ihrer Erfahrungen nach 1945 darin geschult, Vertriebene des eigenen Kulturkreises wenn vielleicht auch nicht mit offenen Armen aufzunehmen, so doch ihnen zumindest Aufenthalt zu gewähren und eine Chance zur Integration zu geben. Wie nun aber ist es bestellt mit der arabischen Solidarität, fragen sich die Deutschen? Wie erklärt sich insbesondere die kompromisslose Abschottung der immer noch in Geld schwimmenden Sa‘udi? Wo liegen deren arabische Ziele in der Region zwischen Mittelmeer und Golf? Auch hier hilft ein Blick in die Geschichte, um zu verstehen, welche Interessen in Riad die Politik bestimmen und welche möglichen Folgen daraus auch uns treffen können.
Glaubenskrieger aus der Wüste
Bis in das 18. Jahrhundert war der arabische Stamm der Sa’ud nichts anderes als eine unbedeutende, arabische Sippe unter vielen. Ihr Kernland im Nadschd – dem geografischen Zentrum der arabischen Halbinsel – gehört zu den unwirtlichsten Regionen unseres Planeten, besteht überwiegend aus Wüste ohne Zugang zum Meer und lässt menschliches Leben nur in Oasen zu. Traditionell lebten diese Stämme als Nomaden in ständiger, auch bewaffneter Konkurrenz untereinander. So befanden sich beispielsweise die islam-sunnitischen Sa’ud in einer traditionellen Stammesfehde mit den vom heutigen Irak bis in den Norden des Nadschd siedelnden Schamar als größtem arabischen Stammesverband. Diese wiederum stellen den Großteil der sunnitischen Bevölkerungen im heutigen Syrien, dem Irak und immer noch auch im Norden Sa’udi-Arabiens.
1744 – in Europa setzt der Preußenkönig Friedrich in seinem zweiten Schlesischen Krieg an, den Österreichern Böhmen zu entreißen, während in Nordamerika die britischen und französischen Kolonialarmeen um die Vorherrschaft kämpfen – schließen die sa’udischen Wüstenaraber einen Pakt auf Gegenseitigkeit mit dem Geistlichen Muhamad ibn Abd alWahab. Die Sa‘ud verpflichten sich, die fundamentalistische Islaminterpretation des Wahabismus anzunehmen und als einzig zulässige Islamische Lehre zu verbreiten. Der Glaubensfanatiker wiederum konstruiert im Gegenzug eine vorgeblich religiöse Legitimation der von den Sa’ud über die anderen arabischen Stämme angestrebten Vorherrschaft. Die enge Verbindung zwischen weltlichem Herrschaftsanspruch und radikal-islamischem Glaubenseifer findet sich bis heute in der Flagge Sa‘udi-Arabiens, die auf dem Grün des Islam, der Farbe des Muhamad und seiner Nachfolger, das Glaubensbekenntnis der Mohamedaner, die „shahada“, trägt.
Die Verbindung der aus arabisch-städtischer Sicht barbarischen Wüstensöhne mit dem fundamentalistischen Glaubensreformer ist schnell erfolgreich. Als erstes nehmen sie die nördlich des Nadschd gelegene Stadt und Provinz Ha’il. Die Sa’ud führen hier ebenso wie in allen künftigen Eroberungen die hanbalitisch-radikalislamische Lehre des Wahab ein, die sich als Teil der den Wortlaut des Koran lebenden salafistischen Bewegung neben strenger Askese maßgeblich dadurch auszeichnet, andere islamische Strömungen wie die Mystiker der Sufi und die seit dem islamischen Schisma eigenständigen Schiiten der todeswürdigen Abtrünnigkeit vom Islam zu zeihen.
Eroberung und Öl
In ihrer religiös-revolutionären Dynamik erobern die Sa’ud bis 1806 die formal zum Osmanischen Reich gehörenden Heiligen Stätten in Mekka und Medina, wo sie die aus ihrer Sicht unislamischen Stätten anderer islamischer Richtungen ähnlich dem heutigen Vorgehen von Islamischer Staat, AlQaida und Boko Haram vernichten. Gegen diese Eroberung schicken die türkischen Osmanen ihren ägyptischen Statthalter, den weitgehend unabhängig herrschenden Mehemed Ali Pascha, ins Feld. Dessen Truppen gelingt es bis 1818 nicht nur, die heiligen Stätten zu befreien, sondern auch die sa’udische Hauptstadt Di’riya – das heutige Riad – zu schleifen. Damit schien der fundamentalistische Spuk ein Ende zu haben – vor allem, nachdem die Schamar 1884 die wiedererstarkende Konkurrenz stürzen und die Sippe der Sa’ud nach Kuwait fliehen muss.
1902 jedoch gelingt es Abd alAziz ihn Sa’ud aus dem kuwaitischen Exil heraus, seine ehemalige Hauptstadt mit angeblich nur vierzig Kamelreitern im Handstreich zu erobern. Durch eine Politik der Zwangssesshaftmachung der Beduinenstämme und weitere Feldzüge gegen arabische Nachbarstämme ebenso wie gegen die osmanische Herrschaft erobert Abd alAziz bis 1913 nicht nur das frühere, zentralarabische Kernland zurück, sondern dringt mit der Einnahme der Ostprovinz alHasa bis an den Persisch-Arabischen Golf vor. Dort liegen unter dem Wüstensand unermessliche Reichtümer an schwarzem Gold, die jedoch erst 1937 tatsächlich als solche erkannt und die enge Kooperation zwischen den Sa’ud und den US-amerikanischen Yankees begründen werden.
Arabischer Zwist seit dem Ersten Weltkrieg
Als der Krieg der Europäischen Mächte ab 1914 auch den Nahen Osten erfasst, stehen sich auf der arabischen Halbinsel die fundamentalistischen Glaubenskämpfer der Sa’ud und die weltoffeneren Araber um den Haschemiten Hussein ibn Ali als Sharif von Mekka unversöhnlich gegenüber. Ein einheitliches und abgestimmtes Vorgehen der nach Unabhängigkeit von den Türken strebenden Araber ist damit ausgeschlossen, weshalb die Haschemiten mit den west- und nordarabischen Stämmen mit britischer Unterstützung einen Guerillakrieg gegen das Osmanische Reich führen, während die Sa’ud den Mekkanern die Unterstützung verweigern.
Dennoch rüsten die Briten auch die fundamentalistischen Sa’ud mit Waffen und Geld aus, was diese abschließend in die Lage versetzt, 1925 den westarabischen Stamm der Quraisch mitsamt der haschemitischen Dynastie aus seiner Heimat zu vertreiben oder zu unterwerfen. Nach weiteren Eroberungszügen zur Unterwerfung der freien arabischen Stämme wird 1932 der arabische Staat der Sa’ud als Sa‘udi-Arabien ausgerufen – und erzwingt 1934 die Abtretung der bis dahin jemenitischen Provinzen Asir, Ghazan und des von ismaelitischen Schiiten bewohnten Naghran.
Seitdem haben sich die Sa’ud mit weiteren territorialen Eroberungen zurückgehalten, wenn auch unklare Grenzziehungen sowohl zum Jemen wie zu den nördlichen Nachbarn immer wieder Anlass zu Konflikten boten.
Sa’udische Konfliktlinien
Aus dieser geschichtlichen Entwicklung resultieren zahlreiche Konflikt- und Problemsituationen, die die Politik der Sa’ud bis heute bestimmen.
- Aufgrund sowohl des wahabitischen Anspruchs, die Scharia als islamisches Gottesgesetz vor jegliches weltliche Gesetz zu stellen, wie auch angesichts der Tatsache, dass die Sa’ud in ihrem Herrschaftsbereich alles andere als eine Bevölkerungsmehrheit stellen, ist jegliche Vorstellung der Einführung eines demokratischen Regierungssystems nach westlichem Muster grundsätzlich auszuschließen. Eine sa’udi-arabische Demokratie wäre gleichbedeutend mit dem Ende der Herrschaft der Sa’ud und könnte darüber hinaus die fragile Konstruktion des Landes innerhalb kürzester Frist zur Implosion bringen. Liberale Bestrebungen wie jene des zum langsamen Foltertod verurteilten Raif Badawi werden insofern vom Königshaus als unmittelbarer Angriff auf seine Herrschaft gewertet.
- Die strikte Ablehnung der Schia durch den Wahabismus organisiert eine ständige Diskriminierung der Anhänger dieser Glaubensrichtung. Da die Schia sowohl in der ölreichen Ostprovinz nebst dem vorgelagerten Vasallenstaat Bahrain wie auch im urprünglich jemenitischen Südwesten vertreten ist, sieht sich die sa’udische Herrschaft gezwungen, alle schiitischen Bestrebungen im Keim zu ersticken. Das Todesurteil gegen einen schiitischen Jugendlichen, der an einer Demonstration gegen das Königshaus teilgenommen hatte, ist somit aus sa’udischer Sicht unvermeidbares Vorgehen zur Absicherung der eigenen Macht ebenso wie zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen. Die militärische Intervention im Jemen mit dem Ziel, die schiitischen Huth von der Machtübernahme abzuhalten, resultiert ebenfalls aus dieser Notwendigkeit, ein Erstarken der Schia auf der arabischen Halbinsel um jeden Preis verhindern zu müssen.
- Infolge der Vertreibung der Haschemiten befindet sich das sa’udische Herrschaftshaus in einer ambivalenten Situation seinem nördlichen Nachbarn Jordanien gegenüber. Dieses infolge britischer Kolonialherrschaft künstlich gezeugte Land wird mit Abdullah 2 bin alHussain vom direkten Erben des Sharif von Mekka regiert. Abdullah gilt daher in islamischer Tradition als Nachkomme des Propheten. Tatsächlich könnte der liberale Sunnit Abdullah damit jederzeit einen sowohl religiösen wie weltlichen Anspruch auf die Herrschaft über das Hedschas mit seinen heiligen Stätten erheben. Umgekehrt macht dieses deutlich, dass die Sa’ud im Falle einer die Stabilität gefährdenden Situation in Jordanien nicht zögern werden, auch dieses Kunstprodukt mit Waffengewalt zu annektieren. Sie verzichteten darauf bislang vorrangig deshalb, weil die Haschemiten seit 1916 von Großbritannien und den USA gestützt werden.
- Die zu keinem Zeitpunkt ausgeräumte Fehde zwischen den Sa’ud und den Schamar erklärt einerseits die nur halbherzige Unterstützung der Sunniten im Irak ebenso wie die strikte Weigerung, Flüchtlinge aus dem sich selbst zerstörenden Syrien aufzunehmen. Die mehrheitlich den Schamar zuzurechnenden Syrer würden als Neusiedler im Reich der Sa’ud das dortige Bevölkerungsgleichgewicht erheblich stören können und die seit 1921 im arabischen Reich von den Sa’ud unterworfenen Schamar in ihrer Position stärken. Hinzu kommt, dass die syrischen Sunniten eher einer toleranteren Islamauslegung angehören als die Sa’ud. Sie könnten insofern aus Sicht der zentralarabischen Herrscher den „ewigen Bund“ mit dem Wahabismus gefährden.
- Die arabischen Golfstaaten ebenso wie das unter seinem absolutistischen Sultan Qabus ibn Said seit den siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts sich behutsam der Außenwelt öffnende Oman sind angesichts ihrer eigenen Machtmöglichkeiten und geopolitischen Lage darauf angewiesen, die Hegemonie der hochgerüsteten Sa’ud zu akzeptieren. Gleichzeitig sichert ihnen eine enge Anlehnung an die USA derzeit die Eigenständigkeit vor möglichen Expansionsgelüsten des Nachbarn. Sollte es allerdings vergleichbar dem Jemen zu Unruhen in diesen südostarabischen Ländern kommen, wird Sa’udi-Arabien nicht zögern, auch hier militärisch aktiv zu werden.
- Der bis in die Antike zurückgreifende Konflikt zwischen den zivilisierten Persern/Iranern und den aus deren Sicht barbarischen Arabern hat durch die Konfrontation zwischen Schia und sunnitischem Fundamentalismus seit dem Erstarken der Sa’ud eine neue Dynamik gewonnen. Neben der Türkei, die unter Erdogan die Vorstellung entwickelt hat, an das osmanische Kalifat anknüpfen zu müssen, stehen sich der gegenwärtig als schiitischer Gottesstaat organisierte Iran und das radikal-sunnitisch geprägte Sa’udi-Arabien im Streit um die Hegemonie in der Region unversöhnlich gegenüber. Das zwischen den europäischen Führungsmächten und dem Iran ausgehandelte Atomabkommen steht insofern in eklatantem Widerspruch zu den sa’udischen Interessen, als es dem Feind ermöglicht, seine Ölreserven nun wieder offiziell auf dem Weltmarkt verkaufen zu können. Der gegenwärtig niedrige Ölpreis ist auch eine Folge des sa’udischen Versuchs, durch Überproduktion die Gewinne des Iran aus dem Ölgeschäft möglichst niedrig zu halten. Dass dieses nicht nur die US-Schieferölproduktion deutlich unattraktiver macht, sondern insbesondere auch Russland in seinem Hauptexportgut empfindlich trifft, dürfte dabei eher ein Nebeneffekt sein, der jedoch maßgeblich dazu beigetragen haben kann, die neue syrische Achse Russland-Iran zu befördern.
- Trotz seiner inneren Probleme und der defizilen außenpolitischen Situation fühlt sich das sa’udische Königshaus nach wie vor an seinen Bund mit den Wahabiten gebunden. Dieses erklärt unter anderem die heimliche Unterstützung von radikal-sunnitischen Bewegungen wie alQaida und alNusra ebenso wie Bestrebungen, insbesondere in Europa und den bereits früher islamisch beherrschten Regionen der heutigen EU den salafistischen Islam massiv zu fördern. Der angekündigte Bau von Moscheen bei gleichzeitiger Einflussnahme auf die dortigen Imame böte insofern die Möglichkeit, unmittelbar in diese derzeit noch jüdisch-christlich geprägten Länder zu wirken.
Sa’udische Perspektiven, Russland und der Iran
Der Syrienkonflikt berührt die Interessen der Sa’ud in vielerlei Hinsicht. Vorrangig sahen sie – wie die Türkei im Norden – darin die Möglichkeit, den schiitischen Einfluss, der mit iranischer Unterstützung sowohl im Libanon wie auch in Syrien erheblich zugenommen hatte, zurück zu drängen. Gleichzeitig hält sich der Wunsch, diese arabische Region einzugemeinden, nicht nur mangels gemeinsamer Grenze, sondern auch auf Grund der oben dargelegten ethnischen Problematik in Grenzen. Ein Zustand anhaltender Instabilität bei kontinuierlicher Schwächung des schiitischen Einflusses läge hingegen durchaus im sa’udischen Interesse.
Die Intervention Russlands auf Seiten der schiitischen Alawiten wird daher in Riad als unmittelbarer Angriff auf die eigenen Interessen gewertet. Auch wenn trotz der Hochrüstung der wahabitischen Monarchie nicht von einem direkten Waffengang zwischen Russland und Sa’udi-Arabien auszugehen ist, wird das Königreich seine gegen Russland gerichteten Bestrebungen nunmehr forcieren. Das kann einen Niederschlag darin finden, den Ölpreis weiter auf möglichst niedrigem Niveau zu halten. Es wird aber mehr noch dazu führen, dass die Sa’ud entweder direkt oder wie in der Vergangenheit über Vertraute des Königshauses jene radikalislamischen Kräfte stärken, die bis in das russische Kernland hinein durch Anschläge den nunmehr aktiv auf den Plan getretenen Gegner schwächen sollen. Gleichzeitig wird dieses die im Sinne der Menschenrechte unheilige Allianz der Sa’ud mit den USA stärken.
Zu einem weiteren unmittelbaren Waffengang mit sa’udischer Beteiligung kann es in der Region kommen, falls tatsächlich eine schiitisch kontrollierte Brücke von der libanesischen Mittelmeerküste bis in den Iran hinein entstehen sollte. Eine solche durch Nordarabien führende, schiitische Barriere kann aus ihrem eigenen Machtanspruch heraus weder die türkische noch die sa’udische Regierung akzeptieren. In diesem Falle wäre es sogar vorstellbar, dass das sa’udische Königshaus eine Möglichkeit sieht, die traditionelle Fehde mit den Schamar zu überwinden, indem es sich dann zu dessen Schutzmacht erklärt und damit aktiv Position auch gegen die irakischen Schiiten bezieht.
Ein unmittelbarer Konflikt mit dem Iran wäre dann ebenso vorprogrammiert wie für den Fall, dass der schiitische Gottesstaat auf Seiten der von den Sa’ud im Jemen oder möglicherweise auch in den arabischen Ölprovinzen bedrängten Schiiten aktiv eingreifen sollte. Bei der gegenwärtigen Lage mit den nunmehr engen Verbindungen der Protagonisten zu den Großmächten USA auf der sunnitischen und Russland auf der schiitischen Seite könnte ein solcher Konflikt schnell ein Pulverfass entzünden, das sich nicht mehr auf den Nahen Osten eingrenzen ließe.
Konflikt und Konflikteindämmung
Die russische Intervention ist in ihren Konsequenzen insofern für Russland völlig unberechenbar, da sie auf eine geballte Front sunnitischer Gegner trifft, deren Fanatismus und Opferbereitschaft russische, aber auch amerikanische Analysten bis heute niemals in ihrer Tragweite realistisch einzuschätzen wussten. Die Glaubenskämpfer, die eben nach wie vor auch in Sa’udi-Arabien die hochgerüstete Macht in den Händen halten, werden mit unterschiedlichsten Instrumentarien gegen den Interventionisten vorgehen. Gleichzeitig können die Russen zumindest zeitweilig bislang völlig unerwartete Koalitionen befördern, wenn beispielsweise Israel, die Türkei und die sunnitischen Araber zu der Überzeugung gelangen, dass das russisch-schiitische Bündnis für jeden von ihnen gleichermaßen eine existentielle Gefahr darstellt.
Unabhängig davon verschärft Russlands Militäreinsatz nicht nur durch die unmittelbare Einsatznähe von Militärgerät der Großmächte beziehungsweise deren Verbündeten die Gefahr direkter Konfrontation. Es stellt sich die Frage, ob diejenigen, die an den roten Knöpfen sitzen, im Ernstfall die Kontrolle haben oder überhaupt haben wollen, eine dann möglicherweise weltweite Eskalation zu verhindern.
Offen ist auch nach wie vor, wie sich im Falle einer weiteren Zuspitzung China positionieren wird. Dem derzeit wirtschaftlich angeschlagenen Reich der Mitte ist zwar auf der einen Seite an einer Schwächung beider global agierender Konkurrenten gelegen – andererseits kann es in der für einen globalen Schlagabtausch zu klein gewordenen Welt nicht das geringste Interesse an einem selbstvernichtenden Konflikt zweier Atomgroßmächte haben.
Insofern könnte ihm bei einer weiteren Zuspitzung der Situation anders als beispielsweise dem militärischen, mit der eigenen Zuwanderung beschäftigten Zwerg Deutschland, in dem immer noch nicht wenige von einer neutralen Position zwischen den Großmächten träumen, tatsächlich die Rolle eines Friedensstifters zufallen, der aus seiner eigenen militärischen Stärke heraus das Gewicht hätte, die eine wie die andere Seite massiv in Bedrängnis zu bringen. Dass China sich eine solche Rolle durch eigenen Machtzuwachs bezahlen lassen wird, steht außer Frage.
Ob Russland wie die USA im Ernstfall eine chinesische Konfliktlösung mit den entsprechenden Zugeständnissen angesichts einer drohenden Selbstvernichtung bezahlen würden, wird letztlich von der Größe des Kuchens abhängen, den man zu Dritt untereinander aufteilen könnte. Sollte es dazu kommen, könnten nach dem Muster der Berliner Konferenz von 1884 dann allerdings neben den zerfallenden Syrien und Irak auch Sa‘udi-Arabien, die Türkei und der Iran zu den großen Verlierern gehören.