„Wir haben ein gutes Herz, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt.“ Dieser Satz ist ziemlich einzigartig in seiner Kombination aus moralischem Hände-Vorzeigen vor dem Abendbrot und (gespieltem?) Realismus. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, hat ihn gesagt. Mit anderen Worten: Wollen würde er ja, aber können kann er nicht. Die deutschen Kommunen, so Landsbergs eines Gesicht, „können nicht unbegrenzt Flüchtlinge in diesem Land aufnehmen“. Im ZDF-Morgenmagazin forderte er eine „Zeitenwende in der Migrationspolitik“, spricht von realen Grenzen des deutschen Wohnungsmarktes: „Es suchen ja nicht nur Flüchtlinge Wohnungen, sondern auch viele andere Menschen in Deutschland.“
Doch im nächsten Atemzug fordert Landsberg eine „nachhaltige Strategie“, die man angesichts der kommenden Klimaflüchtlinge brauche. Waren das vorher also nur melodramatische Stanzen? Verhandelt Landsberg einfach knallhart für die Kommunen? Zwei Milliarden Euro fehlen angeblich schon seit letztem Jahr für die Unterbringung anerkannter (!) Flüchtlinge, also nicht mehr Asylbewerber im Verfahren. Der deutsche Staat hat sich offenbar entschlossen, diese Zuwanderer in alle Ewigkeit zu subventionieren, unterzubringen und zu verpflegen. Und der CDU-Mann Landsberg fordert an dieser Stelle die Solidarität aller ein.
Obergrenze? „Das will auch, glaube ich, keiner“
Angesichts dieses Lage- und Stimmungsbilds darf man sich allerdings fragen: Was ist die Rationalität des Handelns dieser Bundesregierung in Sachen Migration? Was sagt Nancy Faeser, und was tut sie? Das sind sicher zweierlei Sachen. Zunächst einmal geht es weniger um Handeln als um Nicht-Handeln und Gewährenlassen dessen, was da kommt. Die SPD-Taktik in dieser Frage ist klar: Man vermenge die Ukraine- mit der Asylzuwanderung und rufe etwas von Krieg, Not und Menschlichkeit in den Raum hinein. Die Innenministerin bleibt bei ihrer Weigerung, eine Obergrenze anzuerkennen, und wiederholt dazu einfach ihre Behauptung, dass 78 Prozent der Zuwanderer aus der Ukraine kämen: „Höchstgrenzen zu definieren, wenn Krieg in der Ukraine ist, das kann man, glaube ich, im Moment nicht verlangen, ist sehr schwierig, hängt halt leider davon ab, wie der aggressive Krieg Putins weitergeführt wird“, so fließt der Redefluss der Ministerin. Offenbar ist die Polizeiministerin Faeser nicht nur auf dem linken Auge (bekanntermaßen) blind, denn der Flüchtlingszustrom aus der Ukraine hat eindeutig und stark abgenommen, wie auch die Bundespolizei weiß. Die Zahl der Ukrainer im Lande stagniert. Faeser aber behauptet weiter tapfer, Ukrainer würden die Mehrzahl der Ankommenden ausmachen.
Und von Obergrenzen reden, „das will auch, glaube ich, keiner“. Das war Faesers erste Unwahrheit. Denn eine Obergrenze fordern in der Tat eine Menge Menschen im Land. Faeser spricht hier allenfalls von einem kleinen Teil der politischen und gesellschaftlichen Elite, in deren Kreisen sie sich bewegt und die sich in diesem Sinne abgesprochen haben könnte.
Vier Unwahrheiten und ein Halleluja
Schnell weiter zur nächsten Unwahrheit aus Faesers Mund: Um den Kommunen Erleichterung zu verschaffen, versuche sie eine bessere Verteilung der Ukrainer hinzubekommen. „Versuchen“ ist etwa vom Rang des „hat sich stets bemüht“ in Arbeitszeugnissen. Aber auch von dem Versuch kann in Faesers Fall keine Rede sein. Im Gegenteil, Gemeinden im Westen des Landes berichten, dass inzwischen Ukrainer aus Frankreich und Belgien nach Deutschland kommen – wegen der besseren Sozialleistungen.
Es folgt die vierte und (vorerst) letzte Unwahrheit oder Lüge Faesers in diesem ZDF-Interview, zusammen mit einer wohlfeilen Ermahnung an den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Kein Grenzschutz, keine Obergrenze, kein Geld für die Kommunen. Das ist ein gefährlicher Cocktail, der die Stimmung im Land kippen lässt“, hatte Bundespolizist Heiko Teggatz Anfang April gegenüber Bild gesagt. Die Kapazitäten zur Unterbringung in den Städten und Kommunen seien längst erschöpft. Wer das immer noch nicht erkannt habe, der „leidet offensichtlich an Realitätsverlust“, so Teggatz. Doch Faeser entgegnet auf unendlich banale Weise und ohne den Hauch eines Belegs: „Nein, das führt nicht in die Überforderung.“
Statt Problemlösungen: Haltungsnoten für die Kritiker
Statt das Problem anzuerkennen, von dem alle in Deutschland reden, erteilt Faeser Haltungsnoten an ihre Kritiker. Die deutsche Polizeigewerkschaft solle überlegen, was sie tut. Es gehe darum, „das gesellschaftliche Klima auch zusammenzuhalten“. Lieber lobt Faeser die „hervorragende Arbeit in den Kommunen (…), auch von vielen Ehrenamtlichen“. Ihre praktische Vorschläge an die Kommunen beschränken sich aber darauf, die Durchlauf-Geschwindigkeit im System zu erhöhen. Heute überlege man im Gegensatz zu 2015 und 2016 „gemeinsam“, was „wir verbessern können“. Gott gnade diesem Land, wenn Nancy Faeser mit seiner Verbesserung fertig ist.
Sie selbst will ihre Hausaufgaben gemacht haben, zum Beispiel mit der Verlängerung der Grenzkontrollen zu Österreich („das habe ich gemacht“), aber auch mit der laut Teggatz unzureichenden Schleierfahndung an der Grenze zu Tschechien und einem „Abkommen“ mit der Schweiz vom Dezember, das in Wahrheit nur ein Aktionsplan ist. Und der verpflichtet die Schweizer Grenzer noch immer zu gar nichts. Noch Anfang des Jahres sagte ein Vertreter der helvetischen Migrationsbehörde von illegalen Migranten in seinem Land: „Die bekommen einen Wegweisungsbescheid und dann müssen sie die Schweiz verlassen. Aber nochmals: Festhalten können wir diese Leute nicht.“
Das Fazit: Mit ihrer Untätigkeit sorgt Faeser auch weiterhin für das Chaos in den Kommunen und vor den Haustüren der Bürger, für die Gefährdung der Menschen durch wachsende Kriminalität und für eine ansteigende Unordnung in den Kantonen des Landes, die sich vielleicht bald einem Wilhelm Tell anschließen sollten, um den neuen Gesslerhut Migrationspolitik abzuschießen und Nancy Faeser zu sagen, dass man sich sehr wohl eine Obergrenze wünscht.