Leipzig-Connewitz: Wie nach jedem „plötzlich auftretenden Ereignis“ schlägt die Stunde der „TV-Experten“, Sternendeuter und Politiker. Besonders wenn es übereifrig in den „Kampf gegen rechts“ geht. Nicht zu vergessen ist dabei der immer wieder gebetsmühlenartig geäußerte Generalverdacht gegen eine angeblich „unterwanderte Polizei“. Das Pendel schlägt dann gern bis zum Maximum der eingebildeten Empörung aus und Verschwörungstheorien machen die Runde.
Wenn es um Ausschreitungen von Linksextremen geht, richtet sich das Pendel der Empörung keineswegs gegen Steinewerfer, Schläger oder Brandstifter, sondern gegen die Polizei als „Ursache allen Übels“.
Polizeiliche Einsätze gegen gewalttätige Linke sind hochkomplexe Lagen, die eine sehr gute Ausbildung, einen festen Charakter, Fingerspitzengefühl, eine schnelle Auffassungsgabe und viel polizeiliche Erfahrung erfordern. Nicht alle diese Eigenschaften sind erlernbar. Kritiker dagegen ersetzen ihr mangelndes Wissen und ihre ideologischen Fehldeutungen durch Wichtigtuerei und öffentliche Statements. Wenn sich einst Napoleon selbst zum Kaiser krönte, können sich heutzutage „Experten“ für polizeiliche Einsatzbefehle selbst ernennen. Einzige Voraussetzung: Mitgliedschaft in der SPD oder einer anderen rotgrünen Partei.
Nach der „Lagebeurteilung“ im klimatisierten Büro, legt der Sozi die Polizeistrategie und -taktik, Mannschaftsstärke, offensive und defensive Handlungsvarianten, Bewaffnung und Ausrüstung, Einschreiteschwelle, An- und Abfahrtswege, Funkverkehr, Meldewege und -erfassung, Reserven u.v.m. nach dem erfolgten Einsatz fest. Denn die Partei hat immer recht!
Auch hier gilt: Die besten Skatspieler waren schon immer die Zuschauer. So schreibt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken: „Im Sinne der Polizeibeamten muss jetzt schnell geklärt werden, ob die Einsatztaktik angemessen war“. Natürlich geht es dabei darum, der Polizei und nicht den Linksextremen für die Randale in Connewitz die Schuld in die Schuhe zu schieben. Und sie legt noch einen nach: „Sollte eine falsche Einsatztaktik Polizistinnen und Polizisten unnötig in Gefahr gebracht haben, liegt die Verantwortung dafür beim sächsischen Innenminister“.
Was spricht aus diesen Zeilen? Hier wird kolportiert, der Polizeiführer vor Ort wäre weder von seiner Persönlichkeitsstruktur noch in fachlicher Hinsicht geeignet gewesen, den Einsatz in geeigneter Weise durchzuführen. Eine „Ferndiagnose“, die der von Kartenlegerinnen gleichkommt. Und natürlich versucht sie das Ereignis politisch für die SPD zu instrumentalisieren, um damit den CDU-Innenminister anzugreifen und Wählerstimmen zu akquirieren. Ein leicht durchschaubares Manöver, Sandkastenspiele.
Sie ist aber keineswegs die einzige, die versucht, persönlichen Profit aus den Ereignissen in Connewitz zu ziehen. Das SPD-nahe Netzwerk „RND“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland“) zitiert aus einem offenen Brief der SPD-Bundestagsabgeordneten Kirsten Lühmann. Diese wird durch RND u.a. Leitmedien seit Monaten künstlich aufgebaut, um den Vorsitzenden der DPolG, Rainer Wendt, den letzten bekannten konservativen Schutzmann Deutschlands, abzulösen. Wendt ist den Rotgrünen schon lange ein Dorn im Auge, da er Wahrheiten als das verkündet was sie sind: unangenehme Lebensrealitäten. Das betrifft auch Themen des Linksextremismus oder der ungefilterten Zuwanderung.
Da in Deutschland besonders Dienstgrade, höhere Posten und allerlei Phantasiebezeichnungen die an Operettengeneräle erinnern, selbst fraglichen Aussagen Autorität verschaffen, hilft RND bei Lühmann etwas nach. Aus der Hinterbänklerin wird die vermeintliche „Vizevorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft“ (DPolG), natürlich nicht ohne zu erwähnen, dass sie Rainer Wendt ablösen möchte. Dabei ist die Dame in Wirklichkeit nur ein einfaches Mitglied und bisher nicht einmal im Vorstand der Deutschen Polizei-Gewerkschaft vertreten. Der Eifer Lühmanns erklärt auch die Kritik an der „lieben Saskia“. Sie will Pluspunkte bei Polizisten für ihren neuen Job in der DPolG sammeln, damit es ihr und den hinter ihr stehenden Medienvertretern gelingt, den jetzigen Vorsitzenden abzulösen. Ein aufgebauschter Sturm im Wasserglas.
Offensichtlich ist sie aber Realistin genug, um zu erahnen, dass nach der nächsten Bundestagswahl ihre mutmaßliche Rückkehr als „einfache Polizistin“ in den Dienst bevorsteht. Dann wird wieder „stramm gestanden und ausgeführt“. Unter diesen taktischen Gesichtspunkten darf man auch ihren offenen und kritischen Brief an Esken verstehen, auf den ich deshalb nicht weiter eingehen werde.
Ein SPD-Überexperte meldet sich zu Wort
Aber die beiden Sozialdemokratinnen sind nicht die Einzigen, die mit öffentlichen Stellungnahmen das Trittbrett bedienen. Nachdem Esken die Polizei angriff und Lühmann wiederrum Esken, greift nun ein weiterer „Fachmann“ in das Geschehen ein. Ein mir bisher unbekannter gewisser Robert Pietsch sieht seine Chance zur Profilierung gekommen. Sein Vater ist immerhin Polizist, deshalb meint er, ein echter und fundierter Spezialist für Polizeitaktik zu sein und deshalb ebenso einen offenen Brief schreiben zu müssen. Der Angriff geht diesmal gegen Kirsten Lühmann.
Als „Experte“ für Polizeiangelegenheiten stellt er erst einmal fest, die beim G20-Gipfel in Hamburg angewendete Taktik ist ein antiquiertes Ding und schon seit 10 Jahren veraltet. Deshalb wäre die Polizei für die Gewaltentwicklung mitverantwortlich. Als Mitbegründung verweist der Sohnemann aus dem Tal der Ahnungslosen auf einen anderen Theoretiker und Polizeikritiker. Überhaupt schreibt er das alles nur, weil ihm die Gesundheit seines Vaters so sehr am Herzen liegt. Da wird sich Vati sicherlich sehr freuen.
Bekanntermaßen war früher die Ehegattin vom Zahnarzt „Frau Zahnärztin“. Deshalb ist der Sohn des Polizeibeamten auch der Herr Polizeiexperte.
Dass es die Saskia E. gut mit den eingesetzten Polizeibeamten gemeint hat, findet er „großartig“. Er kritisiert den Brief Lühmanns an die Parteivorsitzende als polemisch und meint, dass sie die Kritik Eskens gar nicht gelesen habe. Die Ansammlung an Wahrsagern scheint mir bei der SPD überproportional hoch zu sein. Und na klar, er findet deren offenen Brief „inhaltlich“ als auch „vom Stil“ daneben. Der Polizistensohn möchte solche Briefe zukünftig von einem MdB nicht mehr sehen, da dieser uninformiert, unsolidarisch und parteischädigend sei.
Jetzt wird der „Überexperte“ (denn „Experten“ für Polizeieinsätze waren Esken und Lühmann auch) nach seinem pauschalen Rundumschlag endlich konkret, ihm stößt bittersauer auf, dass das Frame „linksextrem“ mit „rechtsextrem“ in einem Satz sprachlich gleichgesetzt wird: „Verdammt – seit Jahren erzähle ich in etlichen Seminaren und Vorträgen, wie sehr uns das ins eigene Fleisch schneidet.“ Beim Lesen dieser Zeile kam mir unwillkürlich die Sprachregelung zu DDR-Zeiten ins Gedächtnis. Dort unterschied man zwischen „Spionen des Klassenfeindes“ und „Kundschafter für den Frieden“. Offensichtlich sind für den Sohn eines Polizisten Linksextreme die neuen „Kundschafter für eine gute Sache“, wenn sie auch manchmal etwas über die Stränge schlagen.
Oft genug habe ich diese neue „Avantgarde der Arbeiterklasse“ in Form der Antifa, gemeinsam in bunten Demonstrationen und in großer Eintracht mit den vereinten Linksgrünen und den bald (wieder) völlig vereinten Links-Linken wahrgenommen.
Alle drei hier angeführten Sozialdemokraten versuchen, aus den Ereignissen in Leipzig persönliches Kapital zu schlagen. Keine von denen wäre auch nur annähernd in der Lage, die Situation der Polizei zu verbessern, geschweige denn, den Spalt in der Gesellschaft zu kitten. Sie sind nach meinem Eindruck lediglich vom Ehrgeiz getrieben, daraus persönliches Kapital zu schlagen.
Steffen Meltzer, Autor von „Ratgeber Gefahrenabwehr: So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf“