Diana Kinnert ist ein gefördertes und gehyptes Parteimitglied der CDU – und sie ist noch mehr: Sie verkörpert die neue, die moderne CDU, die genug hat von den Menschen auf dem Land, in den Dörfern und kleineren Städten, in den Außenbezirken der Großstädte, die so gern grün, grün und woke sein möchte, so wie sie sich Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Hendrik Wüst, Katrin Prien, Serap Güler, Daniel Günther und wohl auch Carsten Linnemann wünschen – blickt man zumindest auf den Entwurf der Präambel zum neuen Grundsatzprogramm der CDU.
Einige Positionen dieses Entwurfes hat der Spiegel vorab veröffentlicht. Die CDU sorgt sich demnach um das Versprechen nach Teilhabe und Aufstieg in Deutschland, das „allerdings noch nicht für alle Menschen in Erfüllung“ geht, „da sie aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, wegen ihres Glaubens oder ihres Alters oder anderer Merkmale benachteiligt werden“.
Hat die CDU eine Schieflage erkannt? Will sie junge Menschen ohne Migrationshintergrund, die womöglich männlich und dann auch noch heterosexuell sind, mehr noch, die zudem die schlimme Vorstellung hegen, eine Frau zu heiraten und eine Familie zu gründen, fördern? Denn die sind es in Wirklichkeit, die immer mehr und immer öfter durch Identitätspolitik, durch Genderismus und durch willkürliche Quotierungen benachteiligt werden.
Soziologen haben sich für diese Benachteiligung den hübschen Ausdruck „positive Diskriminierung“ ausgedacht. Auch wenn so mancher Phrasenschmied das Adjektiv positiv davor setzt, wird dennoch aus der Diskriminierung längst keine positive Angelegenheit: Diskriminierung bleibt eben Diskriminierung. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein, denn die CDU plagiiert mangels eigener Ideen die Vorstellungen der Grünen: „Dies bedeutet, dass in der Zukunft vermehrt Frauen Politik mitgestalten und in der CDU ihre Interessen einbringen, ebenso wie mehr Menschen mit einer Einwanderungsgeschichte und mehr junge Menschen.“
Eine demokratische Gesellschaft jedoch fragt nicht nach Herkunft, Ethnie, Geschlecht oder sexueller Präferenz, das alles sind in einer freien Gesellschaft Privatangelegenheiten; eine demokratische Gesellschaft fragt nach den Bürgern, die gleiche Rechte und Pflichten besitzen. Es geht nämlich nicht um den statistischen Anteil von mehr oder weniger willkürlich zusammengestellten (Opfer-)Gruppen, sondern es geht laut Grundgesetz um die Gleichheit der Bürger, jedes einzelnen, darum, dass jeder Bürger unabhängig von seiner sozialen und ethnischen Herkunft, von Geschlecht und sexueller Präferenz über die gleichen Rechte und Pflichten verfügt – wie der Bürger seine Rechte nutzt, bleibt der Freiheit des einzelnen anheimgestellt.
In der positiven Diskriminierung, in der Benachteiligung von Bürgern aufgrund ihrer sozialen und ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Präferenz scheint die CDU nach den zitierten Aussagen den Grünen zu folgen. Eine Überraschung ist das längst nicht mehr. Entgegen der Vorgabe des Grundgesetzes würde dann aber nicht mehr die Qualifikation, nicht mehr das fachliche Können entscheiden, sondern Herkunft, Geschlecht und sexuelle Präferenz – der Bundestag bietet dafür ein anschauliches Beispiel.
Schließlich könne man an Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock erkennen, wie sehr die Grünen in der Realpolitik angekommen sind. Ausstieg aus der Kernenergie, aus der Kohleverstromung, aus Erdgas und Erdöl, um den wachsenden Energiebedarf Deutschlands durch erneuerbare Energien zu decken – wiewohl der Begriff erneuerbare Energien schon physikalisch eine contradictio in adjecto darstellt –, Realpolitik zu nennen, gelingt nur dann, wenn man inzwischen den Traum der Grünen von der klimaneutralen Gesellschaft, also von einer neuen Kommandowirtschaft, von der neuen Wirtschafts- und Morallenkung durch eine All-Partei teilt. Schließlich bedrohen, findet die CDU, Klimawandel und Umweltzerstörung unser Land – und eben nicht De-Industrialisierung und Wohlstandszerstörung, nicht Rezession demnächst und nicht Inflation schon heute, wie jeder außerhalb des Politik-Medien- und NGO-Betriebs bereits wahrnimmt.
Und den Herren und Damen und aller anderen Geschlechter, die in der CDU vertreten sind, kommt dabei nicht einmal in den Sinn, welch gigantische Umweltzerstörung die Pläne der Grünen bedeuten. Würde es der CDU um die Umwelt gehen, würden sie nicht den Grünen hinterherlaufen, sondern gegen die Grünen für den Artenschutz kämpfen. Denn die einzige Art, die von den Grünen künftig geschützt wird, ist die Art des heiligen Windrades, nicht mehr die Vögel, nicht die Bienen, nicht die Insekten, nicht die Fische. Windparks versiegeln gigantische Flächen, für sie und für die Stromtrassen werden zudem Wälder gefällt und Menschen krankgemacht, die sich nach dem Willen der Grünen und der FDP auch nicht dagegen wehren dürfen, indem sie durch Beschleunigungsgesetze ihrer Bürgerrechte beraubt werden.
In der Gesellschaftspolitik folgt die CDU gehorsam den Grünen. Serap Güler – und nicht nur sie – nennen Schwarz-Grün die Koalition der Zukunft, doch immer, wenn in der Geschichte Politik mit der Zukunft und nicht mehr der Realität begründet wurde, stand dahinter eine Utopie, die, sobald man sie zu realisieren versuchte, sehr schnell zur Dystopie wurde. Wer geblendet dem Morgenrot entgegenschritt, sah für gewöhnlich die Abendsonne im Arbeitslager untergehen.
Die CDU dient sich nicht nur den Grünen an, sondern sie wird wohl auch programmatisch eine Blockpartei, denn programmatisch gleichen sich SPD, FDP, Grüne und bald auch die CDU so sehr, dass sie längst eine virtuelle Nationale Front zur Klimaneutralisierung Deutschlands bilden.
Was bis jetzt aus dem Entwurf der Präambel bekannt wird, klingt sehr nach einem Plagiat grüner Programmatik. Demnach wäre für Gülers Zukunft der Christdemokratie Diana Kinnert die Politikerin der Stunde. Die CDU will jedenfalls nach eigenem Bekunden keine Interessen mehr vertreten, sondern die „Partei der Vielen“ sein. Der Vielen, was? Der vielen Mandatsträger?
Womöglich gelingt es der CDU sogar, die Grünen zu überholen, ohne sie einzuholen, denn wenn Robert Habeck bisher erst das Undenkbare denken möchte, will die CDU bereits das Undenkbare schaffen. Doch vor allem schafft sie sich ab – und das ist höchst denkbar, denn darin besitzt sie eine reiche historische Erfahrung.