Eines ist Patrick Graichen mit Sicherheit gelungen: Deutschlands bekanntester Staatssekretär zu werden. Einige bezeichnen ihn als „Spinne im Netz“, andere als Mastermind des Gesellschaftsumbaus, genauer der Systemveränderung, die genau gesehen mit dem Grundgesetz im Widerspruch steht, als Takt- und Ideengeber des institutionellen Putsches gegen die Soziale Marktwirtschaft. Ihm ist es aus Selbstermächtigung und Machtüberhebung freilich ungewollt eher geglückt, dem in der öffentlichen Meinung als dröge bewerteten Bundewirtschaftsministerium einen schimmernden Glanz zu verleihen. Clever griff er zu dem Seriengenre, das in Deutschland immer läuft, zur Familienserie, und aus Mangel an erzählerischer Raffinesse zur Familien-Telenovela. Aber damit ist er in guter Gesellschaft und sozusagen Mainstream, denn erzählerische Raffinesse existieren im deutschen Fernsehen und Kino und in der deutschen Romanmanufaktur ohnehin nicht mehr, sondern nur noch Haltung und stumpfe Pädagogik.
Doch das beantwortet nur die Frage, was Patrick Graichen macht, aber nicht, wer er ist. Diese Frage geht weit über das Private hinaus, weil sie den Schlüssel dafür liefert, was er macht und vor allem, warum er das macht, was er macht, und mehr noch, was er zu tun vorhat.
Graichens Eltern arbeiteten in Bundesministerien, die Mutter im Entwicklungsministerium. 1996 trat Graichen den Grünen bei. Schröders rot-grüne Koalition wurde für ihn zum Glück, denn der Grünen-Politiker, durch den eine Kugel Eis sich so extrem verteuerte, dass sie immer unbezahlbarer wird, Jürgen Trittin, holte den damals jungen Mann als Referenten für internationalen Klimaschutz ins Bundesumweltministerium. Glück für Graichen, Pech für Deutschland, stieg er im Ministerium zum persönlichen Referenten von Trittins Staatssekretär Rainer Baake auf, dem die Deutschen auch für kommende Energiekrisen und für teuren Strom zu danken haben, schließlich stellte Baake mit die Weichen für den Ausstieg aus der Kernenergie.
Heute steht Baake der maßgeblich von amerikanischen Geldern finanzierten Stiftung Klimaneutralität vor. Außerdem darf Baake als Habecks Namibia-Beauftragter auf die Verteilung von 11 Milliarden Euro deutschen Steuergeldes in Namibia Einfluss nehmen. Baake war auch der Gründungsdirektor der Agora Energiewende, zu der er Graichen als stellvertretenden Geschäftsführer holte. Graichens Karriere gestaltete sich blendend finanziert im Zentrum eines der wichtigsten grünen Think-Tanks, in dem Konzepte für das entwickelt wurden, was heute zum Schaden Deutschlands in Windeseile und in Überrumpelungsmanier in Gesetze gegossen wird. Man könnte Habecks und Graichens Gesetzgebungsfuror auch als legislativen Putsch bezeichnen.
Was in der Politik gegenwärtig abläuft, geschieht nach dem Muster des Märchens vom Hasen und vom Igel. Die Grünen sind, wen wundert es, der Igel. Wenn die Grünen ein Gesetz für den Klimakomplex erlassen wollen, erheben grüne Aktivisten eine Forderung, diese Forderung wird in einem grünen Think-Tank oder Institut mit „wissenschaftlichen“ Argumenten und mit Zahlen, die mittels zweifelhafter Daten und dubioser Rechenmodellen ermittelt werden, als Studie verkleidet, die das Gesetz oder die Regelung als machbar und sogar für wichtig und geboten hält. Die grünaffinen Medien, allen voran die öffentlich-rechtlichen verbreiten dann mit großem Pomp die martialischen Überschriften der „Studie“ und schüchtern jeden Kritiker mit den talmihaften Begriffen „Studie“ und „Wissenschaft“ ein. Mit dem Verweis auf die „Studie“ oder die „Wissenschaft“ wird dann das Gesetz als Teil der grün lackierten kommunistischen Transformation durchgesetzt. Doch diese Think-Tanks und Institute besitzen allenfalls den Grad an Wissenschaftlichkeit, den das Institut für Marxismus-Leninismus in der DDR für sich beanspruchen durfte, denn sie sind nicht wissenschafts-, sondern ideologiegeleitet.
Patrick Graichen, der seit 2014 dann Direktor des zu einem Gutteil amerikanisch finanzierten grünen Think-Tanks wurde, hat sich in der Agora Energiewende all die Jahre darauf vorbereitet, Konzepte erarbeiten zu lassen, um seine All-Elektric-Utopie zu verwirklichen, um endlich die deutsche Wirtschaft und die deutsche Gesellschaft nach seinen im Grunde erschreckend infantilen Vorstellungen umzugestalten. Er hat sich jahrelang auf die Übernahme der Macht vorbereitet. Während es in der CDU um Karriereplanung geht, verfolgten Graichen und Co. Gesellschaftsplanung.
Graichen glaubt an die Klimareligion wie kleine Kinder an den Weihnachtsmann, er glaubt wie Lenin an den Kommunismus, an die klimaneutrale Gesellschaft, die im Grunde nur Kommunismus in grünen Farben ist, und er ist davon überzeugt, dass der Weg zur klimaneutralen Gesellschaft die vollständige Elektrifizierung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft voraussetzt, dass alles von Strom aus erneuerbaren Energien und aus grünem Wasserstoff gewonnen angetrieben und betrieben werden muss. Er ist Habecks elektrischer Reiter. In der All-Elektric-Utopie erinnert er sogar direkt an Lenin, dessen Staatsplan zur Elektrifizierung des Landes (GOELRO-Plan) unter dem Motto stand: „Kommunismus – das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes“, mit dem einen Unterschied, dass Lenins Elektrifizierung zur wirtschaftlichen Modernisierung Russlands führte, während Graichens All-Elektric-Utopie die Deindustrialisierung Deutschlands zur Folge haben wird. Um das zu vertuschen, will Habeck nun einen Industriepreis für Strom schaffen. Doch das wird nicht die letzte Subvention zur Verschleierung des wirtschaftlichen Niedergangs sein, Subvention um Subvention, Regelung um Regelung werden folgen.
Das Handelsblatt schreibt über Patrick Graichen: „Als Chef des Thinktanks Agora Energiewende konnte Graichen mit schlüssigen Konzepten brillieren, die aber nie den Praxistest bestehen mussten. Heute kämpft der Staatssekretär mit harten Bandagen, um seine Ziele durchzusetzen.“ Schlüssig sind Graichens Konzepte nicht, nicht einmal dann, wenn man Graichens ideologische Prämissen teilt. Die „harten Bandagen“ sind eine fast schon euphemistische Umschreibung für Erpressung und Nötigung. Als Verhandlungspartner wird Graichen als wenig konziliant, als stur und dogmatisch beschrieben. Das klingt alles ein wenig nach dem Drama des begabten Kindes.
Auf einer Tagung der Stadtwerke verhöhnte Graichen die Betreiber der Gasnetze, dass sie schon einmal mit Planungen für den Rückbau ihrer Netze beginnen könnten, denn 2045 würde „natürlich kein Gas mehr in den Netzen sein“. Die Stadtwerker erlebten einen Mann, der wie alle Ideologen und Weltverbesserer, die bisher nur die Welt verschlechtert und einen Scherbenhaufen hinterlassen haben, getrieben ist von seiner Ideologie oder Rechthaberei, einen, der sich überhebt. Um die Industrie zu zwingen, die Produktion von Wärmepumpen zu erhöhen, drohte Graichen den Herstellern von Wärmepumpen damit, den Markt für die asiatische Konkurrenz zu öffnen.
Das klingt alles danach, dass eher die deutsche Wirtschaft zugrunde gehen soll, als dass Graichen Abstriche an seiner Utopie macht. Laut Handelsblatt sagte „jemand, der in den vergangenen Monaten viel mit dem promovierten Ökonomen zu tun hatte“: „Graichen weiß nur theoretisch, wie es geht, aber er weiß nicht, wie man die Dinge auch tatsächlich umsetzt.“ Nur theoretisch zu wissen, wie es geht, also ohne Bezug zur Wirklichkeit zu agieren, ist das Kennzeichen aller Utopisten.
Und um die Deutschen zu zwingen, die der Industrie verordneten Wärmepumpen auch zu kaufen, will Graichen das Wärmepumpengesetz, den einer totalitären Diktatur würdigen Eingriff in die Freiheit der Bürger, ganz gleich, wie viel an Eigentum, Glück und hart erarbeitetem Wohlstand der Bürger dabei vernichtet wird. Damit, seinen Wohlstand hart erarbeiten zu müssen, hat der Mann, der entweder vom Steuerzahler oder von amerikanischen Fonds mehr als reichlich finanziert wurde, sicher keine Erfahrung. Graichen sollte übrigens auch der Verfechter der bürgerfeindlichen Gasumlage gewesen sein, die noch gestoppt werden konnte und wahrlich handwerklich ein Tiefstand im Ministerium markiert hat.
Laut Handelsblatt „kritisiert ein Lobbyist“, dass das Ministerium „chaotisiert“ sei. Ein Indiz dafür, dass man es bei Graichen mit einem Ideologen, der wenig von der Praxis, viel aber von Power-Point-Präsentationen weiß, liefert die Wirtschaftszeitung mit der Einschätzung: „Und Industrievertreter werfen ihm vor, die Rettung energieintensiver Unternehmen nur halbherzig betrieben zu haben. Im Grunde seines Herzens freue sich Graichen so sehr über jede eingesparte Tonne CO-2, dass er dafür auch den Niedergang ganzer Branchen gern in Kauf nehme.“ Das dürfte stimmen, denn vor kurzem verstieg sich Graichen in einem Gespräch mit dem Briten Michael Liebreich, einem ehemaligen McKinsey-Berater, der mit seiner Stiftung Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien unterstützt, über die deutsche Industrie zu dem eiskalten Zynismus: „In essence, it’ll probably mean, easy to copy energy intensive industry might go to places where you have those one to two cents.“ („Im wesentlichen wird das wahrscheinlich bedeuten, dass die leicht zu kopierende energieintensive Industrie dorthin geht, wo sie diese ein oder zwei Cent bekommt.“) Unternehmen, denen die Energie in Deutschland zu teuer ist, sollen dorthin gehen, wo es billige Energie gibt. „Schon erstaunlich, mit welcher Nonchalance Habecks #Energiewende-Staatssekretär P. Graichen deutsche Industrie abschreibt wg. höherer Energiekosten“, kommentierte Axel Bojanowski von der WELT zu Recht.
Graichens beklatschte Abwanderung der Industrie will Habeck nun mit Steuergeldern und mit Schulden im Industriestrompreis planwirtschaftlich entgegenwirken. Mehr Irrsinn geht nicht, schneller geht es kaum zum Staatssozialismus. Und Patrick Graichen ist der Architekt des grün lackierten Sozialismus. Er ist der Architekt von Deutschlands Selbstzerstörung.