Wenn X, dann Y. – Die einfache Mathe-Gleichung »2+2=4« steht heute für einen Akt geistiger Rebellion, also auszusprechen, was man bei klarem Geist für wahr hält, was unvoreingenommener und rationaler Prüfung standhält. Doch, eine andere Aussage aus dem logisch-mathematischen Bereich beschreibt das Elend heutiger öffentlicher Debatten noch präziser: »Wenn X, dann Y.«
Wenn Tiere oder Menschen etwas lernen, dann ist der Inhalt des Lernens oft von der Art: »Wenn A passiert, dann wird B passieren.«
Eine Krähe im Versuchslabor lernt, dass wenn sie einen bestimmten Hebel bedient, ein Fach mit Körnern geöffnet wird. Ein Mensch lernt, dass wenn es regnet, die Erde nass wird.
Intelligente Lebewesen sind in der Lage, aus beobachteten Kausalitäten abstrakte Regeln zu entwickeln und so das Gelernte zu übertragen.
Es ist wieder mal eine schräge Zeit, die Deutschland heute durchmacht. Einerseits werden offensichtliche Kausalitäten geleugnet und ihr Aussprechen hart bestraft, von sozialer Ächtung bis potentieller Gefängnisstrafe. Andererseits werden von Staatsfunk und NGOs angebliche Kausalitäten gelehrt, die näherer Überprüfung nicht immer standhalten.
Talente und Strom
Natürlich wäre es optimal, stets realistisch auf die Welt zu blicken, doch zu oft fehlen uns Informationen, und dann stellt sich die Frage: Ist es besser, die Dinge optimistisch zu sehen oder lieber doch pessimistisch? – Die Antwort ist, wieder einmal: Es kommt darauf an.
Wenn ich sowieso nur wenig beeinflussen kann, wenn auch ein schlimmes Ergebnis kein Weltuntergang wäre, wenn nach aller Erfahrung es eigentlich ganz okay werden sollte und wenn meine Sichtweise zudem die Situation selbst beeinflusst (etwa wenn ich auf der Arbeit einem neuen Kollegen vorgestellt werde), dann kann eine optimistische Haltung ratsam sein.
Jedoch: Wenn ein negatives Ergebnis schmerzhaft oder destruktiv wäre, und wenn wir außerdem noch den Ausgang beeinflussen könnten, dann kann eine pessimistische Sichtweise sehr gerechtfertigt sein. Wer etwa ein Flugzeug konstruiert, der sollte »pessimistisch« an die Zuverlässigkeit der Motoren und Messgeräte herangehen – falls ein Teil ausfällt, soll nicht gleich das ganze Flugzeug vom Himmel fallen. Überall da, wo ein Versagen schlimme Konsequenzen hat, empfiehlt es sich, »pessimistisch« zu denken und mehrfache Ebenen von Sicherheit einzubauen, also »viel sicherer« zu sein, als eigentlich notwendig (siehe auch Wikipedia zu Overengineering und Redundanz).
Eigentlich müsste man meinen, dass die Strom-Versorgung eines Industrie-Landes eine jener Angelegenheiten sei, an die eine kluge Regierung »professionell pessimistisch« herangeht und reichlich Redundanz sicherstellt. – Eigentlich.
Aktuell lesen wir, dass nach einer Worst-Case-Prognose der deutschen Stromnetzbetreiber nächstes Jahr um diese Zeit, also im Januar 2021, Deutschland der Strom ausgehen könnte.
In der Studie heißt es:
»Für den erstmalig betrachteten Stichtag 2021 ergibt sich ein möglicher Importbedarf von ca. 5,5 GW. Diese Entwicklung ist im Wesentlichen durch das hier angenommene Auslaufen der Reservekraftwerksverordnung bedingt.« (via netztransparanz.de: Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz 2017-2021, PDF)
Dies würde, so erklärt etwa auch welt.de, 15.1.2020 (inzwischen hinter Bezahlmauer), im Fall einer »kalten Dunkelflaute«, also falls die Sonne nicht scheint und zugleich nicht genug Wind weht, eintreten. (Die linke Website mimikama.at, 10.1.2020 weist übrigens darauf hin, dass vor diesem Ereignis schon früher gewarnt wurde, auch für dieses Jahr.) Es wird hoffentlich nicht passieren, dass in Deutschland die Lichter ausgehen – ich bin optimistisch, dass die Kohle- und Atomkraftwerke unserer lieben Nachbarn uns gern aushelfen.
Wie konnte es passieren, dass das Industrieland Deutschland bei einer seiner wichtigsten Ressourcen potentiell wieder vom Ausland abhängig wird? Der Grund ist einfach: Die deutsche Debatte wird von linken Ideologen in Staatsfunk, Parteien und teils aus dem Ausland finanzierten NGOs bestimmt. »Wenn X, dann Y« gilt diesen Leuten als »rechts«, während sie eigene Kausalitäten mit »Weltuntergang« als »Y« als Dogma aufstellen. Gestalten, die meinen, »das Netz« diene »als Speicher«, werden nicht ausgelacht, wie es sich gehört, sondern bestimmen die Debatte (heutige Grünen-Chefin Baerbock in deutschlandfunk.de, 21.1.2018).
Wenn X, dann Y. Wenn wir zuverlässige Kraftwerke abschalten und auf Schönwetter-Strom umschalten, werden wir wieder Strom importieren – wer hätte das gedacht?
12.000 begeisterte Menschen
Es ist ja nicht die einzige Meldung heute, bei der die Frage nach dem »Wenn X, dann Y« nicht (laut genug) gestellt wurde – oder gar nicht gestellt werden durfte.
In NRW wurde erstmals eine Statistik der erfassten Taten mit Messern vorgestellt; ja, es ist erschreckend (bild.de, 15.1.2020). Wir hören, dass die Salafisten-Szene in Deutschland auf 12.000 begeisterte Menschen angewachsen ist, wie zu erwarten mit besonderem Wachstum in Berlin (tagesspiegel.de, 14.1.2020). Wir lesen von Islamisten, die eine Synagoge ausgespäht haben sollen (spiegel.de, 14.1.2020). Wenn einer formulieren würde: »Wenn totale Toleranz und politische Korrektheit, dann Extremismus und Antisemitismus« – wie falsch läge er?
Nehmen wir all diese Entwicklungen als X, die spontane Hysterie als Staatsräson, die Vernunftfeindlichkeit öffentlicher Debatte und der nationale Selbsthass als Leitmoral, was ergibt sich dann daraus als Y?
Akademiker und Akademikerinnen
Seit einigen Jahren lesen wir die immergleichen Schlagzeilen zum Reizthema »Auswanderung«:
»Und tschüss! Immer mehr deutsche Fachkräfte wandern aus« (dw.com, 29.7.2008)
»Die Zahl der Auswanderer steigt und steigt. Besonders die Leistungsstarken kehren der Heimat den Rücken.« (wiwo.de, 25.6.2018)
»Fachkräfte-Schwund in Deutschland verschärft sich drastisch« (spiegel.de, 26.5.2009)
»Deutschlands Talente verlassen in Scharen das Land« (welt.de, 10.3.2015)
»Während sich die Bundesregierung bemüht, mehr Arbeitskräfte zur Einwanderung zu bewegen, verlassen Deutsche in großer Zahl das Land.« (welt.de, 13.3.2018)
»Rund 180.000 Deutsche ziehen jedes Jahr in ein anderes Land. Vor allem deutsche Akademiker und Akademikerinnen wandern aus«. (focus.de, 5.12.2019)
Der Trend scheint sich fortzuschreiben, wie der aktuelle Migrationsbericht nahelegt (bmi.bund.de): »Im Jahr 2018 wurden insgesamt 1.185.432 Fortzüge aus Deutschland registriert, darunter 923.581 Fortzüge von ausländischen Personen.« – Wir zücken den Taschenrechner, und wir stellen fest: 261.851 Deutsche sind 2018 ausgewandert. Sicher, es sind auch Deutsche eingewandert. Netto sind sogar knapp 400.000 Leute mehr nach Deutschland ein- als ausgewandert. Jedoch: Es genügt der gesunde Menschenverstand, um zu ahnen, dass die Leute, die kommen, und jene, die gehen, nicht in gleichem Maße zu Deutschlands Wohl und Wohlstand beitragen (siehe auch »Wanderer, aus Gründen«).
In Gesprächen mit Auswanderern habe ich festgestellt: Diejenigen, die tatsächlich auswandern, in dem Sinne dass sie bewusst aus Deutschland weg-gehen statt nur etwa einer Liebe oder einem Beruf hinterher zu ziehen, tun es nicht (nur) wegen der aktuellen Probleme und herrschenden Unvernunft, sondern (vor allem) weil sie nicht mehr glauben, dass es besser wird.
Nicht alle, die auswandern, tun es so, dass die Statistik es erfasst. Manche bereiten den Ausstieg auch erst einmal vor, und das sind oft die, deren Weggang besonders schmerzt. Wer es sich leisten kann, kauft erst einmal eine Wohnung im Ausland oder finanziert den Kindern das Studium an einer ausländischen Uni. Auch einfache Leute können beschließen, ihre Qualifikationen »auslandsfit« zu machen. Und die, die für sich selbst nicht mehr die Kraft aufbringen, auszuwandern, können ihre Kinder sanft zu Berufen und Sprachkenntnissen lenken, die im Ausland nützlich sein werden.
Fakten und Folgen statt Emotionen und Hysterie
Die Gefahr drohenden Strommangels und die Auswanderung von Leistungsträgern aus Deutschland haben eine gemeinsame Ursache, die noch hinter vielen der genannten Gründe liegt. Deutschland leidet an dummen Prioritäten. Oder, um es in der Sprache der Relevanten Strukturen zu sagen: Deutschland erklärt solche Strukturen für hoch relevant, die tatsächlich gar nicht so relevant sind – und ignoriert Strukturen, die tatsächlich für Deutschlands Zukunft hoch relevant sind.
In der vom Staatsfunk bestimmten öffentlichen Debatte werden Haltung und politische Korrektheit priorisiert (als »relevante Struktur« betrachtet), nicht Denk-Gründlichkeit und Ehrlichkeit. In der Energie- und Industriepolitik sind Emotionen und Hysterien relevanter als das Durchdenken der Fakten und Folgen.
Man sollte sagen, wenn man erfolgreich sein will: »Wenn X, dann Y – wollen wir Y?«
Man sagt aber: »X, weil X sich gut anfühlt, und wer Y erwähnt, ist mundtot zu machen!«
Dass Ingenieure und andere Leistungsträger ins Ausland auswandern, dass Deutschland in der Stromversorgung vom Ausland abhängig wird, dass Islamisten tausende von Anhängern finden und der Antisemitismus wieder erstarkt, all das hat eine gemeinsame Ursache: Falsche Prioritäten, und, vor allem, eine Verteufelung des simplen Denkens in Kausalitäten.
Wenn Haltung und politische Korrektheit belohnt werden, statt Leistung, Kreativität und präzises Denken, dann wird man zuletzt eben ein Land vorfinden, wo alle Insassen politisch korrekt dasselbe denken (oder aus Angst und Vorsicht so tun, als ob), und ansonsten viele Gründe erfinden, warum alle außer ihnen selbst an ihrem Scheitern schuld sind. (In Deutschland könnte es außerdem noch die Clans und Gangs geben, deren Existenz und Gefahr die politisch korrekte Klasse einfach leugnet.)
Jeden Tag
Eines meiner Lebensmottos lautet: Ordne deine Kreise! – Probleme bei der Stromversorgung, auswandernde Leistungsträger und wachsende Extremisten-Szenen, die meisten dieser und ähnlicher Probleme haben dieselbe Ursachen: In Deutschland ist es heute verpönt, »wenn X, dann Y« zu denken – oder, schlicht: zu denken. In Deutschland gilt das Denken als rechtspopulistisch und das Schlussfolgern als radikal.
Wenn wir in die Formel »wenn X, dann Y« für X »rationales Denken« einsetzen, wie wird Y aussehen?
Ich weiß nicht, ob Deutschland noch die Kurve kriegt. Ich verstehe die Menschen, die mit ihrer Familie auswandern, und ich verstehe und bewundere jene, die bleiben und kämpfen.
Wenn der vermaledeite Staatsfunk abgeschaltet würde, lieber heute als morgen, dann würde es einigen Bürgern ergehen wie den Angeketteten in Platons Höhlengleichnis – sie wären verunsichert und geblendet, und sie wären zunächst ganz und gar nicht dankbar. Der Staatsfunk wird nicht so bald abgeschaltet, und dennoch zeigen die Staatsfunker in letzter Zeit ein wenig Nerven, weil und wenn man ihnen täglich widerspricht, ihre Unverschämtheiten und Unwahrheiten aufdeckt.
Können wir die Vernunft zurückbringen? Können wir aus Deutschland wieder ein Land machen, wo auch jene einwandern möchten, die Steuern zahlen, die Wissenschaft und Kunst voranbringen? Wir können es versuchen. Wir müssen es versuchen!
Heute sei unser Motto: Hirn statt Haltung, Gewissen statt Gehorsam.
Wenn X, dann Y. Wer ein besseres Y will, der muss am X arbeiten – jeden Tag!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.