Tichys Einblick
Wer die falsche Gesinnung hat, fliegt

Wenn die Cancel Culture zuschlägt: Geschasst als VHS-Dozent wegen „falscher“ Meinung

Was in autoritären Staaten vollkommen üblich ist, sollte in einer freiheitlichen Demokratie eigentlich undenkbar sein: Ein guter Lehrer zwar, aber einer mit der "falschen Meinung", wird nicht weiterbeschäftigt. Wer nicht kuscht, fliegt raus.

picture alliance/dpa | Uli Deck

Normalerweise passen herrschende Klassen Regeln und Gesetze ihrer Ideologie an. Inzwischen fühlt sich die herrschende woke Kaste aber so sicher, dass sie auch gegen geltende Regeln ihre Macht ausspielt.

Das musste ich am eigenen Leib erfahren: Ohne mit der Wimper zu zucken wurde mir als VHS-Dozent gekündigt, nicht weil ich silberne Löffel geklaut oder mich sonst ungebührlich verhalten hätte; oder gar weil an meiner Leistung als Lehrer etwas auszusetzen gewesen wäre. Nein, nicht einmal, weil ich mich der herrschenden Ideologie und dem Gendersprech verweigerte, sondern, weil ich die VHS mehrfach darauf aufmerksam machte, dass die Gendersprache geltenden Rechtschreibregeln entgegensteht.

Meinen Hinweis darauf, dass die von der VHS verwendeten Schreibweisen nicht korrekt sind, und dass überdies eine Mehrheit der Deutschen Genderschreibweisen ablehnt, nahm die VHS-Leitung zum Anlass, mir zu unterstellen, dem Leitbild der VHS nicht zu entsprechen:

Nach sorgfältiger Prüfung und unter Berücksichtigung unseres Leitbildes haben der VHS-Leiter und ich jedoch entschieden, die Zusammenarbeit mit Ihnen nicht weiterzuverfolgen. In unserem Leitbild legen wir großen Wert auf Neutralität und Offenheit. Unsere Kurse (…) dienen dazu, Menschen unabhängig von ihren persönlichen Weltanschauungen zusammenzubringen und einen Raum für gemeinsames Lernen und Kreativität zu schaffen.

Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie unsere Verwendung von geschlechtergerechter Sprache explizit ablehnen. Auch wenn wir Ihre Meinung und die Meinungsfreiheit selbstverständlich respektieren, möchten wir sicherstellen, dass potenzielle Diskussionen zu diesem Thema nicht in unsere Kurse im Bereich Kultur und Gestalten einfließen. Gerade in einem Gitarrenkurs sollten der Fokus und die Energie allein der Musik gewidmet sein und nicht von weltanschaulichen Fragestellungen überschattet werden.

Man wolle sicherstellen, dass die Kurse „nicht von weltanschaulichen Fragestellungen überschattet“ würden, so heißt es in dem Schreiben weiter, mit dem meiner weiteren Lehrtätigkeit eine Absage erteilt wurde.

Die Ironie fällt den Betreffenden wohl nicht auf: „Neutralität“, das hieße: Verzicht auf ideologisch motivierte Verballhornung der deutschen Sprache, und eine Anwendung der Sprache schlicht und einfach gemäß der geltenden Regeln. Und „Offenheit“ würde bedeuten, jenen Raum zu geben, die genau diese Neutralität einfordern.

Doch nicht so die VHS: Bereits wer auf die geltenden Regeln aufmerksam macht, hat, wenn diese im Widerspruch zur herrschenden Ideologie stehen, in der sich als woke definierenden Volkshochschule als Dozent nichts mehr zu suchen.

Das entspricht ganz dem Ansinnen der konstruktivistischen Eliten, die Realität in ihrem Sinne umzugestalten: Es reicht nicht, sich zu unterwerfen, man muss die Illusion, die hier errichtet wird, aktiv anerkennen und mittragen, und darf sich keinerlei Kritik – sei sie noch so sachverständig – erlauben. Der leiseste Hinweis darauf, dass das potemkinsche Dorf ein solches ist, muss mit aller Härte unterdrückt werden: Dass auch noch so elaboriertes Gendersprech an der Realität der Zweigeschlechtlichkeit nichts ändert, sich gegen die Struktur der deutschen Sprache richtet und diese verhunzt; ja, selbst der einfache Hinweis, dass eine Bildungsinstitution sich an geltende Rechtschreibung und Grammatik halten sollte: Derartiger Widerspruch wird nicht geduldet. Nur so kann man sichergehen, der eigenen Verblendung nicht ins Auge sehen zu müssen.

Nun könnte man sagen: Jedem Tierchen sein Plaisierchen. Aber bei einer wesentlich steuerfinanzierten öffentlichen Institution, stellt sich grundsätzlich die Frage, ob hier demokratische Meinungsvielfalt herrscht oder vollkommen einseitig ideologische Propaganda durchgesetzt wird. Bösmeinende meinen gar, viele Volkshochschulprogramme seien in ihrem gesellschaftspolitischen Teil regelrecht Antirechtsprogramme.

Demokratie erfordert den aktiven Bürger. Demokratie lebt von Beteiligung. Politische Partizipation ist die Grundlage unserer Gesellschaft: Das ist Konsens allüberall und wird auch so propagiert. Nehmen wir das ernst: Was etwa nehmen wir wahr, wenn wir die Programme örtlicher Volkshochschulen anschauen? Präsentiert das gesellschaftspolitische Programm zu viel Vielfalt, zu wenig oder keine Vielfalt der Meinungen? Hat es eine politische Schlagseite? Fehlen für die Bevölkerung wesentliche Inhalte? Sind alle politische Spektren gemäß ihrer Relevanz in der Bevölkerung vertreten? Werden die Volkshochschulen ihrem Auftrag gerecht?

Gendern und das Wahlprogramm der CDU-CSU

Im Entwurf des Wahlprogramms von CDU und CSU heißt es unter der Überschrift „Deutsch ohne Beipackzettel und Bevormundung“: „Wir setzen uns dafür ein, dass im öffentlichen Raum – an Schulen und Universitäten, im Rundfunk und der Verwaltung – auf die Gendersprache verzichtet wird“. Einen „Gender-Zwang aus ideologischen Gründen“ lehnen die beiden Parteien ab, „weil er Barrieren errichtet, Menschen ausgrenzt und bevormunden will“.

Also demnächst keine Anstellung mehr für CDU/CSU-Mitglieder an der VHS? Schließlich hatte ich nicht einmal für ein Verbot des Gendersprache im Volkshochschulprogramm argumentiert, sondern nur darauf aufmerksam gemacht, dass das durch Sonderzeichen und Binnengroßbuchstaben gekennzeichnete Genderdeutsch nicht den Regeln der deutschen Rechtschreibung entspricht. Allein dieser Hinweis reichte aus, um mich als Dozent aus dem Unterricht zu entfernen.

Die Antidiskriminierungsstelle

Natürlich hatte ich mich nach meinem Rauswurf aufgrund meines Hinweises, dass die Gendersprache nicht regelkonform ist, auch an die Antidiskriminierungsstelle ADIS gewandt. Deren Antwort lautete wie folgt:

Guten Tag Herr Gadamer,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. In diesem Fall liegt keine Diskriminierung nach Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz vor. Die von der VHS-Leitung eingebrachte Argumentation ist nach unserer Einschätzung stichhaltig. Natürlich steht es Ihnen frei, sich anwaltlich beraten zu lassen.

Gerade für eine Volkshochschule, deren Aufgabe die Weiterbildung breiter Bevölkerungsschichten ist, ist es geradezu unverantwortlich, die deutsche Sprache zu verunstalten, statt sie zu pflegen und – in ihrer korrekten Anwendung – zu vermitteln. Insbesondere dann, wenn das Anliegen der VHS auch Inklusion und Integration umfasst, wäre dies unabdingbar. Aber Ideologie schlägt geltende Rechtschreibung und Grammatik – und wer auf dieses offensichtliche Versagen hinweist, muss gehen.

Es ist bezeichnend, dass hier auch die Antidiskriminierungsstelle keinerlei Interesse daran hat, den zu Unrecht geschassten Mitarbeiter zu unterstützen, tatsächliche Meinungsvielfalt zu fördern, und echte Diskriminierung zu unterbinden.

Das Demokratieverständnis der Herrschenden

Hier wäre eine Kultursensibilität der Feminist*Innen gegenüber der Mehrheits-Meinung der deutschen „Indigenen“ angebracht, ja demokratisch erforderlich. Schließlich brüstet man sich seiner Toleranz. Aber offensichtlich zählt eine demokratische Mehrheit nicht mehr viel. Es zählt die Herrschaft einer Kaste und Pseudoelite, die, obschon akademisch gebildet, die Grundlagen jeder Bildung um einer absurden Ideologie willen sabotiert und unterminiert: Demokratische Legitimierung ist für diese Schicht irrelevant, da sie sich moralisch überlegen fühlt – und damit berechtigt, Recht und Gerechtigkeit mit Füßen zu treten.

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