Tichys Einblick
Die Schwachen müssen regieren

Wenig Zukunft mit so einer halblinken Regierung und schwachem Personal

Sieben Schlussfolgerungen aus der Bundestagswahl 2021. Die wichtigste: Das Land bräuchte eine Erneuerung, bekommt sie aber nicht.

IMAGO / Chris Emil Janßen

Erstens. Die Bundestagswahl 2021 markiert einen tiefen Einschnitt: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik vereint keine Partei auch nur annähernd 30 Prozent der Stimmen auf sich. Das Resultat von Olaf Scholz‘ SPD wirkt nur vor dem Kontrast der noch schlechteren Ergebnisse vorher halbwegs gut. Der SPD-Kandidat, der dem Bewerber Peer Steinbrück bisher am ähnlichsten sah, fährt auch ungefähr dessen Ergebnis von 2013 ein (damals 25,7 Prozent). Wer auch immer die nächste Koalition bildet: Es wird ein Bündnis einer schwachen Kanzlerpartei mit mindestens zwei anderen Partnern werden.

Zweitens. Die Union erlebt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Selbst bei den Wählern über 60 – bisher ihre sichere Bank – dominiert sie nicht mehr. Das liegt auch an Armin Laschet, aber viel mehr noch an der fast restlosen Entkernung der Partei unter Angela Merkel. Laschet machte am Wahlabend in seiner Ansprache noch einmal deutlich, woran seine CDU scheiterte: an dem Versuch, „weiter so, aber ein bisschen anders“ als Parole auszugeben. Erst dankte er der neben ihm stehenden Merkel für 16 gute Jahre, dann beschwor er eine neue Regierung unter seiner Führung, die das Land „schneller machen“ und von „Fesseln befreien“ soll. Wer hat dem Land Fesseln angelegt? Um doch noch regieren zu können, wird Laschet den potentiellen Koalitionspartnern praktisch alles anbieten nach dem Motto: Hauptsache, ich ziehe ins Kanzleramt. Das fällt ihm zum einen leicht, da seine Partei tatsächlich nichts mehr für sich will.

Aus genau diesem Grund wäre es für das bürgerliche Lager das Beste, die CDU würde sich in die Opposition verabschieden, um dort nach neuer Substanz zu suchen. Der CSU wäre das sogar recht: Eine Regierung ohne Union verbessert sowohl ihre Aussichten bei der nächsten Landtagswahl als auch für Söders nächsten Versuch, Kanzlerkandidat zu werden.

Drittens. Zwischen der medialen Stimmung für die Grünen und dem realen Ergebnis für die Partei wird ein generelles Phänomen deutlich: Vor allem die Öffentlich-Rechtlichen, aber viele andere verwechseln absichtsvoll ihr eigenes Milieu mit dem ganzen Land. Dass die Grünen ihre früheren Prognosen mehr als halbierten, lag auch an Annalena Baerbock. Aber auch daran, dass ganz offensichtlich deutlich weniger Wähler als suggeriert die Klima-Frage für die alles entscheidende halten, dem sich sämtliche Themen unterzuordnen haben. Für die Partei bleibt das Fazit aus dieser Wahl: Die Weltrettung ist ihnen wichtig – aber das grüne Frauenstatut übertrumpft im Zweifelsfall alles. Daran dürfte sich auch nach dieser Wahl wenig ändern.

Viertens. Obwohl Abgeordnete aus sechs Parteien in den Bundestag einziehen, ergeben sich nur drei theoretische Koalitionsmöglichkeiten, wobei eine – Union und SPD – auf den ersten Blick die geringsten Chancen hat. Dazu ist diese Kombination zu ausgelaugt. In den anderen beiden müssten entweder die Grünen Laschet zum Kanzler machen – oder die FDP in ein Ampelbündnis gehen, das Christian Lindner eigentlich ausgeschließt. So oder so bestimmen Parteien um die 15 Prozent aller Wahrscheinlichkeit nach, wie die nächste Regierung aussieht. Laschet müsste den Grünen einen hohen Preis zahlen, Scholz der FDP. Möglicherweise stellt der SPD-Kandidat – falls sein hauchdünner Vorsprung bleibt – nach langen Verhandlungen fest, dass die Union für ihn vergleichsweise am billigsten zu haben wäre.

Fünftens. Keine der möglichen Regierungen verspricht, die zentralen Probleme anzugehen: Die dramatisch verschlissene Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Die Frage, woher in Zukunft bezahlbare Energie kommt. Wie Deutschland seinen Spitzenplatz bei der Steuerbelastung wieder loswird. Und: Wie es seine Nettosteuerzahler hält, gut ausgebildete Einwanderer anzieht und verhindert, dass schlecht Ausgebildete weiter in großer Zahl in die Versorgungssysteme migrieren. Keiner der beiden möglichen Kanzler wäre in der Lage, das Klima von Verdächtigung und Hysterie wieder abzukühlen, das sich in 16 Jahren Merkel herausgebildet hat – angefeuert durch kulturkämpferische Medien und steuergeldfinanzierte NGOs. Hinter einem Regierungschef Olaf Scholz werden sehr schnell Figuren wie Saskia Esken und Kevin Kühnert auftauchen. Olaf Scholz ist eben trotz seiner Zugewinne aus genau diesem Grund keine starke Figur.

Und ein schwächlicher Kanzler Armin Laschet besäße keine Kraft, Agitprop-Fabriken wie der Amadeu-Antonio-Stiftung, den „Neuen Deutschen Medienmachern“ und anderen den Geldfluss abzudrehen. Sein Joker besteht darin, eine Katrin Göring-Eckardt als Bundespräsidentin mitzuwählen – die personifizierte Zumutung. Ein liberales Staatsoberhaupt wie Udo di Fabio, der auf das politische Klima im Land womöglich kalmierend wirken könnte, kann er nicht durchsetzen.

Sechstens. Der AfD bescheinigten die Wähler, dass sie wenig mit der Zwiegestalt der Partei anfangen können. Zum einen rechtsnationaler Flügel, zum anderen rechtsliberaler Teil – beide werden nur den Druck von außen zusammengehalten wie eine Magdeburger Kugel. Es gibt mit dem Blick auf die deutsche Parteienhistorie eine sehr einfache Formel: Auf die Dauer setzen sich nur Parteien durch, die auch irgendwo ins Regierungs- oder zumindest Tolerierungsgeschäft kommen, wenigsten in einem Bundesland. Daran entscheidet sich auch die Zukunft der AfD.

Siebtens. Deutschland ist alles in allem nicht so links, wie es das mediale Abbild nahelegt. Das viel beschworene breite linke Bündnis existiert nur als Saga. Allerdings gibt es genau so wenig eine Chance auf eine tatsächlich bürgerliche Regierung. Deutschland muss auf längere Sicht mit einer halblinken Regierung mit zusammengeschrumpelten Parteien und schwachem Personal leben. Dass diese Konstellation auf Jahre hinaus alternativlos ist, gehört zu Merkels Erbe.

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