Tichys Einblick
Dramatische Inszenierung geplant

Weltrettung für 29,95 Euro: Klima-Event im Berliner Olympiastadion

Im kommenden Juni soll sich das Berliner Olympiastadion mit 90.000 Menschen füllen, die gemeinsam die Rettung des Klimas zelebrieren. Fragwürdig ist die Angelegenheit nicht nur, weil die Teilnehmer Eintritt zahlen sollen. Kritik kommt auch aus den Reihen der Klimaschutz-Bewegung

Getty Images

Großes kündigt sich an. Am 21.06.2020 soll im Berliner Olympiastadion ein Klima-Event der besonderen Art stattfinden. 90.000 Besucher sollen zusammenkommen, um einen Tag ganz im Zeichen des Klimas zu zelebrieren. Aber auch etliche andere Probleme sollen gleich mitgelöst werden: „Soziale Ungerechtigkeit, Rassismus, Diskriminierung und all die Probleme, die uns so auf der Seele liegen.“ (O-Ton). Gegen Eintritt versteht sich, 29,95 Euro soll der Spaß kosten. Eine Veranstalterin im Youtube-Video: „So billig war die Weltrettung noch nie.“

Für Teilnehmer, die nicht aus Berlin oder Umgebung kommen, dürften sich die Kosten noch erhöhen um Anfahrt und Logis. Hoffen wir, dass alle Teilnehmer mit dem Schienenverkehr an- und abreisen, sonst steht hier die Frage im Raum, welchen Klimaabdruck so eine Veranstaltung hinterlässt.

Luisa Neubauer: eine seltsame Wandlung und Einstellung

Eine eigenartige Rolle bei der Kampagne rund um die Veranstaltung spielt Luisa Neubauer von der Bewegung Fridays For Future (FFF). Sie trat nämlich beim Start der Aktion, für die auf der Crowdfunding Plattform Startnext Geld gesammelt wird, als Testimonial auf. Sie, aber auch andere, sind die Akteure in einem Video bei Startnext. Die Aktion hat (Stand 02.12.2019) etwa 500.000 Euro eingesammelt und somit 27% des angepeilten ersten Spendenziels erreicht. Allerdings hat sich die Zahlungsdynamik nach dem Start stark abgeschwächt.

Ob das erste Ziel bis zur Deadline 24.12.2019 erreicht werden kann, ist ungewiss. Es ist daher zu erwarten, dass die Zeit vor Weihnachten mit Spendenappellen im Internet für die Aktion gepflastert sein wird. Ob das bei allen anderen Spendenaufrufen um die Weihnachtszeit dann allerdings noch auffällt?

Friendly Fire – Kritik von Freunden

Kaum waren erste Informationen zu dem Vorhaben veröffentlicht, da hagelte es Kritik. TV-Satiriker wie Jan Böhmermann aber auch Ex Pirat Christopher Lauer stießen sich aus verschiedenen Gründen daran. Während Böhmermann die politische Partizipation gegen Eintrittsgebühr nicht gefiel, stellte sich Lauer die Frage, was man mit dem Geld, das hier für die Eintages-Veranstaltung gesammelt wird, doch alles Gute auch für das Klima bewirken könnte. Selbst die Klimasekte Extinction Rebellion, die bisher Hand in Hand mit der FFF-Bewegung ging, äußerte Kritik. Zwar gefiel den Klimagläubigen die Idee mit Bürgerversammlungen und per Klick auf ein Handy Display Politik zu machen, aber bitte nicht gegen Eintritt. Auch einzelne FFF-Chapter wie Frankfurt kritisierten den geplanten Event.

Flugs distanzierte sich Luisa Neubauer von der Aktion. Sie sei nur beratend tätig gewesen und nicht die Veranstalterin. Das ist zweifelsfrei richtig, aber wieso tritt sie dann in einem Video auf, berichtet darüber, dass alles vorbereitet „ready“ und geplant sei, um sich dann beim ersten Anflug von Kritik zu distanzieren? Welche Schwachpunkte dieser Event mit sich bringt, hätte ihr als intelligentem Menschen bereits beim Lesen des Konzepts klar sein müssen.

Die Gretchenfrage: Wie hältst Du es mit der Demokratie?

Welchen Eindruck von Demokratie vermittelt man am Klima interessierten Menschen, wenn man in einem Video allen Ernstes die Lösung „der größten Krise der Menschheit“ (O-Ton des Videos) per Zusammenkunft von 90.000 Menschen und Abklicken von Petitionen suggeriert? Petitionen haben in Zeiten des Internets Hochkonjunktur. Dabei werden sie aber gern mit Willensbekundungen verwechselt. Profitorientiere Unternehmen wie Change.org haben sehr früh begriffen, wie sich mit einer „Petitonsplattform“ Klickvolk einsammeln lässt, dass man dann über gesponsorte Petitionen monetarisiert. Im Falle der Zusammenkunft im Sommer 2020 soll die E-Petition-Plattform des Bundestags „genutzt“ werden. Hoffentlich haben die Veranstalter und Teilnehmer begriffen, dass der Gesetzgeber eigene Verfahrensregeln für Petitionen hat, in denen es lautet:

„Die Bundesregierung ist wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung nicht verpflichtet, dem Beschluss des Deutschen Bundestages zu folgen. In diesem Fall muss sie jedoch ihre abweichende Haltung gegenüber dem Petitionsausschuss begründen.“

Die Vorstellung der Organisatoren, dass es bei rund 65 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland nur die Zusammenkunft von 90.000 Menschen (lediglich 0,13% der Wahlberechtigten) braucht, um Gesetze zu ändern oder anzustoßen ist mehr als eigentümlich. Demokratie ist die Willensbildung durch Mehrheiten und nicht Minderheiten. Parteien sind nach den FFF-Verständnis eigentlich obsolet.

Die spezielle Sicht auf die Demokratie passt aber ganz gut in das Bild von FFF.
Auf die Frage von FDP Chef Lindner an Luisa Neubauer, wer sie denn bitte schön legitimiert hätte, antwortet diese ausweichend, dass eine Bewegung keine Partei ist. Es würde allerdings im Umkehrschluss bedeuten, dass in einer Bewegung wie FFF keine demokratischen Prinzipien, nämlich Wahlen, herrschen. Das wäre allerdings nicht demokratisch. Jeder kleine Verein handelt nach demokratischen Regeln mittels Wahl von Vorsitzenden, Sprechern usw.. Auch wenn der Verein nicht staatstragend wie eine Partei ist. Bei FFF gilt das alles offenbar nicht. Bis heute ist weiterhin unklar, wie Frau Neubauer als Sprecherin an die Spitze der Bewegung gelangen konnte. Genau das wollte Lindner wissen, die Antwort blieb aus.

Peak Klimaprotest

Dramatische Inszenierungen haben ein großes Manko. Es ist schwer, diese zu toppen. Ganz sicher waren die Proteste Ende September ein Erfolg für die FFF-Organisatoren. Aber bereits Ende November ließ die Streiklust merklich nach und Diskussionen um die Teilnehmerzahlen rundeten das Bild ab. Den Angaben der Polizei, die so etwas regelmäßig schätzt, wurde per se misstraut. In Hamburg schätzten die Veranstalter locker doppelt so hohe Zahlen wie die Polizei. Ob es nur am schlechteren Wetter Ende November lag oder eine generelle Streikmüdigkeit eingetreten ist, wird sich zukünftig zeigen. Die Idee, mit dem 21.06.2020 das Drama um das Thema Klima noch einmal zu steigern, zeigt aber sehr schön, dass eine Sache auch ausgereizt oder überreizt werden kann. Heiligabend wissen wir mehr, dann lohnt ein Blick auf die Startnext-Seite. Vielleicht wird sich bis dahin aber auch zeigen, wie demokratisch der Weg zur Sprecherin einer Bewegung bei Frau Neubauer war.


Zuerst erschienen bei Kalte Sonne.


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