Am 9. und 10. März war Parlamentssitzung. Einen Tag nach dem Weltfrauentag wurde am Nachmittag „TOP ZP 6-8“ verhandelt: Der Kampf für verstärkte Gleichstellungspolitik, Geschlechtergerechtigkeit und Gender-Forschung.
Gehört doch nicht „jeder, der in diesem Land lebt“ dazu?
Die Damen Katja Kipping, Katrin Göring-Eckardt und Kollegen legten sich mächtig ins Zeug und kündigten eine neue Offensive an: „Wir machen euch den Weg frei!“ – „Es ist die Zeit, dafür zu kämpfen und nicht nur nette Worte zu machen.“ – „Wir kämpfen, und wir wollen kämpfen!“ – „Zieht eure pinken Mützen auf!“
Mir fiel dabei der oft zitierte, kürzlich von der Bundeskanzlerin geprägte Satz wieder ein: „Das Volk ist jeder, der in diesem Lande lebt.“ Also gehören im Verständnis vor allem der Grünen und der „Linken“ doch sicher auch die muslimischen Frauen dazu, denke ich mir. Gerade die brauchten dringend Unterstützung, wenn sie gar nicht – oder nur ganzkörperverhüllt – aus dem Haus dürfen; wenn sie in Ehen gezwungen werden, die sie nicht wollen; wenn sie sich nicht kleiden dürfen, wie sie wollen; wenn sie nicht studieren und arbeiten dürfen. Wenn ihnen die jedem Menschen zustehenden Grundrechte nicht gewährt werden, werden sie sich erst mal kaum für eine Frauenquote in den oberen Wirtschaftsetagen oder für einen Frauen-Marsch mit rosa „Pussy Hats“ (Strickanleitung im „Tagesspiegel“) interessieren.
Ich höre mir die Parlamentsaussprache an und warte … Aber diejenigen, die sonst immer eine so große Rolle – nicht nur in den Reden der Grünen und der „Linken“ – spielen, von denen sie gar nicht genug ins Land bekommen können, nämlich die Muslime, sind total ausgeblendet aus dem internationalen Frauen-Kampf. Der Islam scheint in dem Bereich, wo die Frauen, die unter seinen Gesetzen leben, es am meisten nötig hätten, nicht mehr zu Deutschland zu gehören.
Die wahren Kämpferinnen
Da können sich Frauen (und übrigens auch viele Männer) aus diesem Kulturkreis wie Necla Kelek, Seyran Ates, Aayan Hirsi Ali, Güner Balci, Zahra Ramadani und Mina Ahadi, die sich täglich in Gefahr begeben, indem sie für das verbriefte Recht der Gleichberechtigung kämpfen, noch so sehr abarbeiten. Unterstützung aus dem Parlament? Integration? Fehlanzeige!
Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime schreibt in einem offenen Brief an Sahra Wagenknecht: „Nicht mit Bomben kann der Terror bekämpft werden, aber auch nicht mit Schweigen und einer verharmlosenden Darstellung des politischen Islam. Es ist eine bittere Wahrheit, dass die westlichen Staaten – Amerika, England, Frankreich – auf den politischen Islam zur Sicherung eigener Macht gesetzt haben. In Ländern wie dem Iran, dem Irak, Afghanistan, dem Sudan usw. haben die Terrorbanden der islamischen Bewegung das Leben von Millionen von Menschen beeinträchtigt oder gar zerstört. Um es deutlicher zu sagen: Ich rede über Steinigung, Zwangsverschleierung und Massenhinrichtungen.“
Sie habe gegoogelt, um zu wissen, wie oft die Oppositionsführerin über die Verbrechen der islamischen Bewegung öffentlich gesprochen habe, schreibt Frau Ahadi weiter: „Google hat meine Hoffnung zunichte gemacht …Google hat mir gesagt, dass unter dem Namen Sahra und islamische Bewegung nichts zu finden ist.“
Das Islam-Bild der „Linksgerichteten“
Ist da etwas passiert? Im Gegenteil. Nur ein Beispiel: Claudia Roth taucht zum Entsetzen der Iranerinnen, die sich mit der Aktion „Meine heimliche Freiheit“ gegen den Zwang zum Kopftuch einsetzen, mit eben diesem im Iran auf. Neben dem Iran zieht es sie schon seit vielen Jahren in die Türkei, die sie als ihre „zweite Heimat“ bezeichnet, erklärt sie in einem Interview. Sie liebe die Menschen dort, und sie liebe die Konflikte in der Türkei. Es gebe immer wieder Probleme, immer wieder Konflikte. „Mir gefällt die Gastfreundschaft. Mir gefällt in der Türkei Sonne, Mond und Sterne. Kichererbsenpüree und Börek. Mir gefällt Wasser, Wind.“
Alles nur naiv? Verharmlosend, romantisierend? Mein Lieblingszitat in diesem Zusammenhang ist Angela Merkels Aussage bei Anne Will im Oktober 2015, kurz nach der Öffnung der Grenzen: „Bis jetzt hab‘ auch ich oft gedacht: Syrien ist weit, Irak ist weit. Afghanistan ist weit … Jetzt zeigt sich plötzlich, dass es Menschen gibt, die so um ihr Leben rennen, dass diese weiten Strecken plötzlich zusammenschrumpfen und sie bei uns in die EU kommen; das heißt, dass wir Teil dieser Konflikte werden.“
Immer wenn sich eine Frau z.B. in einer der Talkshows gegen das Kopftuch oder sonstige Unterdrückungsmechanismen im Islam stark macht, sitzt garantiert jemand aus Politik, Wirtschaft, Journalismus oder aus der Unterhaltungsindustrie dabei und relativiert und stigmatisiert die Vorkämpferinnen. Sabatina James, heute katholische Christin, sitzt – bedroht, verhetzt, unter Polizeischutz – bei Markus Lanz und muss sich nicht nur gegen Muslime, sondern in erster Linie gegen „Linke“ verteidigen. Sie kann nun nicht nur in Pakistan, sondern auch in Deutschland und Österreich ihre Menschenrechte nicht wahrnehmen, weil die Täter jetzt auch hier seien, sagt sie.
Das möchte Nahost-Berichterstatter a. D. Ulrich Kienzle dann doch nicht so stehen lassen, will „differenzieren“ und erklärt uns ab diesem Zeitpunkt der Sendung minutenlang die islamische Welt. Frau James, die in diesem Kulturkreis gelebt und gelitten hat, ist abgemeldet. „Ich bin immer wieder darüber erstaunt, mit was für einer Leidenschaft die Islamisten verteidigt werden“, sagt sie schließlich. „So viel Verteidigung bekommen die Opfer nicht.“ – Integration? Fehlanzeige.
Verbündete im Machtspiel
Natürlich sind die Kirchen traditionell bei dem Spiel mit von der Partie. Zu lange haben sie auf Macht verzichten müssen und wittern jetzt Morgenluft. Weitere Verbündete in diesem Machtspiel sind die islamischen Verbände, die die alten Traditionen massiv unterstützen und befördern. Obwohl seit Jahrzehnten hundertfach kritisiert von allen fortschrittlichen Vorkämpfern mit muslimischem Hintergrund, hält die Politik entgegen jeder Vernunft an ihnen fest. Nicht nur die Grünen besuchen zu besonderen Anlässen gerne Moscheen und propagieren, Bündnis 90/die Grünen kämpften gemeinsam mit den muslimischen Gemeinden gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit. „Das ist doch der eigentliche Rassismus“, sagt Güner Balci, die versucht aufzuzeigen, wovor Roth, Göring-Eckardt & Co. die Augen verschließen, „dass die deutschen Politiker hier mit zweierlei Maß messen.“ Integration? Fehlanzeige.
Der machtlose Souverän
Wenn die „große Politik“ uns den gesunden Menschenverstand, die Vernunft derart offensichtlich auszutreiben versucht, stecken Machtinteressen dahinter. Das ganze 20ste Jahrhundert ist ein Beispiel dafür. Warum sollte es gerade im 21sten anders sein. Zitat Franklin Roosevelt: „In der Politik geschieht nichts durch Zufall. Wenn etwas geschah, kann man sich sicher sein, dass es so geplant war.“ Seit der Öffnung der Grenzen ist besonders sichtbar geworden, wie machtlos der Bürger ist, wie sehr gegen seine Interessen gehandelt wird. In den ersten Jahren der BRD gab es noch große Protestbewegungen (warum heute nicht mehr?), fühlte sich der Bürger noch als Souverän, während Demokratie heute nur noch eins zu bedeuten scheint: einmal alle paar Jahre sein Kreuz zu machen, während in der Zeit zwischen den Wahlen Dinge passieren, die unserem Einfluss total entzogen sind.
Joachim Gauck nimmt da schon lange kein Blatt mehr vor den Mund und hält sogar den weit verbreiteten Wunsch, das Staatsoberhaupt vom Volk wählen zu lassen, für verfehlt. „Unser Parlament und die Regierung bestimmen die Politik“, erklärt er in Herrscher-Attitüde gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Eine Direktwahl des Bundespräsidenten würde den Eindruck erwecken, dass es da noch eine letzte Instanz gibt, die autorisiert ist, notfalls das zu korrigieren, was die Regierung möglicherweise falsch gemacht hat.“ (Der Souverän als „letzte Instanz“?) Und Jakob Augstein stellt gleich alles auf den Kopf und behauptet in seiner Kolumne: „Wer Demokratie will, darf die Menschen nicht direkt befragen.“ Parlamente schützten die Demokratie vor dem Volk, und das Volk vor sich selbst, meint er in Umkehrung zu dem, was Demokratie eigentlich bedeutet. Und es gibt nicht wenige, die seiner Meinung sind.