Die Situation ist trist, kompliziert, gefährlich, aber nicht hoffnungslos. Merkels Politik der Entpolitisierung und der Alternativlosigkeit, ihr Putsch von oben gegen die Demokratie in Thüringen und in ihrem Pandemie-Regime hat dazu geführt, dass sich ein politisches Establishment, eine „Elite“ gebildet hat aus Berufspolitikern von den Grünen über die SPD, die FDP bis hin zur Union, die sich für sakrosankt hält. Nennen wir sie die Herrscher von Neu-Versailles – abgehoben, weit weg von den Bürgern, auf die sie herabblicken. Sie sagen es jetzt ständig selbst, dass sie den Begriffsstutzigen „da draußen“, also vor den Toren von Neu-Versailles, nennen wir sie Bürger, ständig etwas erklären müssen, dass sie die Bürger mitnehmen wollen, und zwar dahin, wohin die Bürger eigentlich aus gutem Grund nicht wollen, weshalb man die grüngefälligen Medien benutzt, von denen man übrigens auch getrieben wird, und zunehmend Gesetze erlässt sowie die Staatsanwaltschaften und die Polizei bemüht.
Pharisäertum oder das Geschäft Tartuffes betreiben die Aristokraten von Neu-Versailles, wenn sie den inzwischen grünextremen, öffentlich finanzierten Rundfunk und die Propaganda von ZEIT, FAZ, Süddeutsche, sehr rührig übrigens: vom Handelsblatt unter anderem, vollkommen nutzen, aber die Diskussion zwischen Elon Musk und Alice Weidel als „illegale Parteispende“ behandeln wollen. 150 Zensurschaffende der Brüsseler Oligarchie sollten die Diskussion beobachten, in der Hoffnung, etwas zu finden, um X verbieten zu können. Wovor haben sie Angst? Davor, dass ihre Demokratie, die bei Lichte besehen immer mehr de facto zur Oligarchie entartet, wieder zur wahren Demokratie, zur Herrschaft des Volkes wird? Wird X etwa durch Zwangsgebühren finanziert und hat dafür einen öffentlich-rechtlichen Auftrag? Nein. RTL oder Pro 7 können so viel, wie sie wollen, für die Grünen oder die Roten werben, wenn ihnen danach die Gesinnung steht, sie sind privat finanziert, sie handeln im eigenen geschäftlichen Auftrag, auf eigenes geschäftliches Risiko. Elon Musk und X auch.
Kritik und Veränderung ist hingegen da von Nöten, wo ein Medium durch den Staat Zwangssteuern einziehen lässt und im Gegenzug den Informations- und Bildungsauftrag nicht mehr erfüllt, sondern Indoktrination, Propaganda und wie im Falle der Räuberpistole von Correctiv Desinformation betreibt, sogar aus eigener Machtvollkommenheit noch über ein Gerichtsurteil hinaus. Es ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der inzwischen zur Gefahr für die Demokratie und zur Propagandaabteilung des Brandmauerkombinats, der Aristokratie von Neu-Versailles wurde. Das ist nicht erstaunlich, denn diese Medienleute fühlen sich dieser neuen Aristokratie zugehörig, sie sind nicht Beobachter, sondern Teil des politischen Geschäfts.
Die Union propagiert nun einen Politikwechsel, hat aber nicht dessen Konsequenz bedacht, denn ein Politikwechsel bedeutet zunächst einen Wechsel der Politiker.
Im Grunde erlebt man – und daran wird die Wahl am 23. Februar wohl kaum etwas ändern – ein kleines Déjà-vu, denn im Ergebnis führte Merkels Politik der Alternativlosigkeit zum Brandmauerkombinat, den neuen Blockparteien. Damit einher geht der Autoritätsverlust der Eliten, den diese Eliten durch einen höheren Aufwand an Propaganda und immer drakonischer werdenden exekutiven Maßnahmen, durch eine fast an Orwell erinnernde Gesetzgebung zu begegnen suchen: Volkserziehung und Volkskontrolle. Obwohl fast 70 Prozent der Bürger eine bürgerliche Politik wünschen, bekommen sie durch den Verrat der Union eine grüne Politik. Wenn die Union nicht diesen gordischen Knoten löst, wird die Wirklichkeit ihn zerschlagen.
Ein interessantes Phänomen, das man auch als Dekadenzphänomen betrachten kann, zeigt sich: Obwohl nach allen bisherigen Wahlumfragen Friedrich Merz Kanzler werden wird, die Union steht zwischen 29 und 31 Prozent, interessiert das im Wahlkampf immer weniger Bürger. Da Friedrich Merz und die Union ihr Wahlprogramm nicht mit der SPD, erst recht nicht mit den Grünen, mit denen Merz liebäugelt, verwirklichen können, sondern einzig mit der AfD – die FDP kommt rechnerisch nicht mehr in Frage –, wird Friedrich Merz eher auf das Wahlprogramm als auf die Regierungsbildung mit den Roten oder den Grünen oder mit beiden verzichten. Man weiß also, dass die Union sicherlich, die SPD möglicherweise regieren wird, doch interessiert das nicht weiter, nimmt man das nicht weiter zur Kenntnis.
Der eigentliche Wahlkampf findet zwischen den Grünen als Speerspitze der woken Eliten von Neu-Versailles und der AfD, zwischen Robert Habeck und Alice Weidel statt, obwohl die beiden nicht im Duell aufeinandertreffen werden, weil Habeck, der Held, sich seitwärts in die Büsche schlägt, weil er wie damals in Schlüttsiel vor den Bauern, dessen Minister er einmal war, geflohen ist, wie der Kämpfer für die Meinungsfreiheit, Robert Habeck, vor Alice Weidel davonläuft. So schnell hat man ihn noch nie laufen sehen. Aber Habecks Verständnis von Meinungsfreiheit lautet, dass jeder offen und frei Habecks Meinung äußern darf. Mit und an seinem Küchentisch und anderswo diskutiert er ausschließlich mit Leuten, die seine Meinung teilen. Aber die Wahl wird auf ein pro Elite oder contra Elite hinauslaufen.
Nach dem Gespräch zwischen Musk und Weidel, was erst die aufgeschreckten Bewohner von Neu-Versailles wichtig gemacht haben, werden die abenteuerlichsten Kommentare und Rechtsfiktionen das Publikum überraschen, schon deshalb, weil die Bewohner von Neu-Versailles inzwischen den eigenen Verschwörungstheorien, die immer abstruser werden, anheimfallen. Sie werden zu Opfern ihrer eigenen Fiktionen und ihres eigenen Denkens, das sie anderen unterstellen. Habeck führt im Grunde keinen Wahlkampf gegen Weidel, sondern gegen sich, gegen seine Ängste und für seine Eitelkeiten, für die allergrößte Fiktion, der Fiktion von sich selbst. Zum Wahlkampfauftakt wirft er sich in die Rolle des Messias von Lübeck. Einige wollen ihn über die Ostsee laufen gesehen, wieder andere dabei beobachtet haben, wie er Wein in Wasser verwandelt hat. In München strahlte sein Konterfei als Kanzler des allerneuesten Bundes vom Siegestor. „Ein Mensch. Ein Wort.“ Daran hielt er sich nicht, denn in Lübeck in der Pose von Nietzsches Übermenschen machte er sehr viele Worte, die dann doch nur auf ein Wort hinausliefen: ICH.
Was bleibt den Grünen, der SPD und der Union übrig, wo sie doch den Horizont vermauert haben und auf die Brandmauer starren, die eifrig mit dem illuminiert wird, was die alten Ideologien und Utopien so hergeben. Irgendwie haben sie Berlin-Mitte zu Wandlitz gemacht und träumen davon, dass es Versailles wäre.
Ungewiss ist derzeit manches. Vielleicht ereignet sich ein Wunder, vielleicht erkennt die Union noch, dass Deutschlands Talfahrt so dramatisch verläuft, dass eine wirklich neue, auf der Höhe der Zeit stehende Politik, die nur die Union mit der AfD durchsetzen kann, diese Talfahrt aufhalten und schließlich durch harte Arbeit aller umgekehrt werden wird. Doch will man, dass der Bürger sich engagiert, muss man Politik nicht gegen, sondern für den Bürger machen. Das wäre ein Anfang. Damit ist nicht zu rechnen, nicht solange Friedrich Merz das Sagen hat, dem der Meldestellenministerpräsident Hendrik Wüst im Nacken sitzt. Die Union könnte am Ende zerbrechen zwischen Ost und West und Nord und Süd.
Ganz gleich, ob es nach der Wahl zu Schwarz-Rot, Schwarz-Grün oder zu Schwarz-Rot-Grün kommt, zu den ewig gleichen Politikern, zum Wechsel der Namen, aber nicht der Politik kommt, wird diese Regierung wohl kaum die Legislaturperiode durchstehen, auch wenn Angst sie zusammenschweißt. Doch sie werden Getriebene sein, wie jetzt schon der Wahlkampf von außen bestimmt wird, vom Ukraine-Krieg, von den politischen Entwicklungen in den USA, Trumps neuer Geo- und eben auch Energiepolitik, in Österreich, überhaupt in Europa. Ganz gleich, wie der Krieg in der Ukraine ausgeht, ein Verlierer steht jetzt schon fest: Deutschland. Dafür haben Baerbock, Habeck, Scholz, Merz und Kiesewetter gesorgt, das Brandmauerkombinat in trauter Einigkeit.
Ganz gleich, wie die Wahl ausgeht, es wird einsam in Neu-Versailles. Lehnen wir uns zurück, vergessen wir für einen Moment, aber auch nur für einen Moment, dass es um unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder geht, mit der die neue Aristokratie spielt, und schauen wir uns mit einem Vergnügen an komödiantischen Gegenständen an, am Polit-Slapstick, was uns die neue Herrschaft bietet: Eine Farce nach der anderen, eine Groteske nach der anderen, ein Grand Guignol nach dem anderen wird bis zur Wahl aufgeführt werden. Molière hat in den Leuten des Brandmauerkombinats seine Lehrmeister gefunden.
Aber den Preis dafür zahlen wir, solange wir Publikum sind.