Tichys Einblick
World Economic Forum

Auf nach Davos! – Deutschland beim WEF stark vertreten

Das World Economic Forum ist zu einem missionarisch beseelten Bussi-Bussi-Weltrettungs-Netzwerk geworden: intransparent, ohne jede demokratische Kontrolle oder Legitimation.

IMAGO / U. J. Alexander

Einfach mal so ’ne Frage: Sind Sie, verehrte TE-Leser, kommende Woche vom 16. bis 20. Januar 2023 in Davos? Beim 53. Lobbytreffen des Welt-Wirtschafts-Forums (WEF = World Economic Forum)? Nein, Sie sind nicht dabei? Dann beeilen Sie sich, die Plätze sind nahezu alle besetzt – auch in den Hotels. Nur noch für 22.000 Schweizer Franken (circa 22.200 Euro) für vier Tage ist etwas zu haben. Ohne Anreise mit Privatjet oder Privathubschrauber, versteht sich. Gehören Sie immer noch nicht zu den 2.700 „Top Shots“ aus 126 Ländern dieser Welt, wo die 2.700 doch angeblich einen neuen Teilnehmerrekord darstellen? Was allerdings nicht stimmt, denn bis 2020 waren es rund 3.000.

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Die wenigen Tausenden Teilnehmer jedenfalls können sich einbilden, einen Beitrag zur „Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt“ (so das diesjährige Motto) und damit einen nachhaltigen Beitrag zur Rettung der Welt zu leisten. In einer Welt die sich – so die WEF-Organisatoren – „an einem kritischen Wendepunkt“ befinde. Die Anzahl der aktuellen Krisen erfordere ein „mutiges gemeinsames Handeln“. Das zumindest hat das WEF im Vorfeld von „Davos 2023“ soeben mit seinem „Global Risk Report“ kundgetan.

Klar, das ist zwar schon alles gesagt, aber eben noch nicht von allen Kassandras. Jedenfalls kommen jetzt die „Teilnehmenden“ in Davos zusammen, um all die Probleme dieser Welt „ganzheitlich“ zu erörtern und die „Prioritäten für das kommende Jahr“ zu diskutieren.

Wie wichtig all die „Top Shots“ sind, vermittelt übrigens bereits die Schweizer Armee; sie schützt das Jahrestreffen mit bis zu 5.000 Soldaten. Ein Teil davon kommt direkt in Davos zum Einsatz. Ein anderer Teil sorgt für die Sicherheit der Infrastruktur, der Logistik und der Lufthoheit. Insgesamt bringt die Schweiz für dieses „Event“ pro Jahr rund 10 Millionen Schweizer Franken auf; Kosten der Sicherheitskräfte nicht mitgerechnet. Allerdings zahlt sich das für die Wirtschaft in und um Davos aus; so dass die 10 Millionen vermutlich als Gewerbesteuer mehr als wieder zurückkommen.

Sie, liebe TE-Leser, sind also nicht dabei? Und werden somit keinen nennenswerten Beitrag für den Planeten leisten? Oder doch? Klar, auch Sie dürfen sich ein wenig als „Stakeholder“ im Sinne des WEF fühlen. Wenn Sie dies denn CO2-neutral tun. Ansonsten muss ja irgendjemand in diesen fünf Davos-Tagen echt arbeiten und den Laden zusammenhalten, während 2.700 wichtige oder sich für wichtig haltende Leute  den „großen Neustart“ („Great Reset“) voranbringen.

Blase mit 2.700 „High Potentials“

Also lassen Sie die 2.700 in froher Erwartung machen in Davos. Vertrauen Sie darauf: Wem Gott ein (Lobby-)Amt gibt, dem gibt er vielleicht auch Verstand. Jedenfalls sind unter den 2.700 Hochkarätern, „High Potentials“ wie UNO-Generalsekretär António Guterres, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Marokkos Premierminister Aziz Akhannouch, Koreas Präsident Yoon Suk-yeol, die finnische Premierministerin Sanna Marin sowie der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez. Außerdem der Präsident von Serbien und der Premierminister von Kosovo. Und die Premierminister von Georgien und Moldau sowie der Präsident von Polen.

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Nicht weniger als 52 Staats- und Regierungschefs werden in Davos erwartet plus über 300 Minister. Eine kleine chinesische Delegation wird dabei sein. Die USA schicken dieses Jahr „nur“ John Kerry, den Sondergesandten des Präsidenten für das Klima, und Arbeitsminister Martin J. Walsh. Die Regierungschefs von Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan und Kanada haben sich nicht angemeldet – als einziger Regierungschef der G-7-Staaten ist Olaf Scholz auf der Gästeliste. Und mit dabei – wie konnten wir das vergessen: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit mindestens 13-köpfigem Hofstaat, ferner Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Wer aus der Ukraine kommt, weiß man noch nicht. Wahrscheinlich Witali Klitschko, Bürgermeister von Kiew. Vielleicht auch Wolodimir Selenskyj (per Video?) oder seine Gattin Olena Selenska. Die Russen sind jedenfalls wieder nicht mit von der Partie. Neben den illustren Gästen aus der Politik werden über 1.500 „Vertretende“ (sic!) aus der Wirtschaft und „Persönlichkeiten“ (sic!) wie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer (in der Teilnehmerliste als „Climate Activist/Fridays for Future Movement“) dabei sein (sofern sie bis dahin nicht noch Lützerath verteidigt). Dabei ist außerdem der Yoga- und Meditations-Guru Ravi Shankar. So spannend wie früher, als Arafat, die Bills (Gates und Clinton), Xi oder Trump und Co. anreisten, wird es aber wohl diesmal nicht.

Was man über das WEF wissen sollte

Das WEF, 1971 noch unter dem Namen „European Management Forum“ gegründet und 1987 in WEF umbenannt, versteht sich als Public-Private-Partnership-Unternehmen. Visionäres Ziel des WEF mit seinen rund 600 Mitarbeitern ist das Etablieren von „governance“ als Ergänzung (oder Ersatz?) von „government“. „Governance“ heißt: Staatliche, primäre Steuerung soll ergänzt werden durch Steuerung aus einem zweiten Sektor (Wirtschaft) und einem dritten Sektor heraus (NGOs, Vereine, Verbände usw.). Übrigens: „Governance“ kommt vom lateinischen Verb „gubernare“ (= steuern) und ist sprachgeschichtlich verwandt mit Gouvernante.

WEF-Mitglieder sind fast alle der tausend größten Unternehmen der Welt. Die Mitglieder zahlen zwischen 60.000 und – als „strategische Partner“ – bis 500.000 Schweizer Franken pro Jahr Beitrag. Ein Einzelticket für die Teilnahme in Davos kostet 25.000 Schweizer Franken. Das ergibt einen Jahresumsatz von weit über 300 Millionen Euro bzw. Schweizer Franken. Steuerfrei, denn das WEF definiert sich als „not-profit-foundation“, ist also aufgrund von Gemeinnützigkeitsanspruch steuerfrei. Die „Süddeutsche“ hat das „Familienunternehmen“ WEF 2017 gleichwohl eine „Gelddruckmaschine“ genannt.

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Das nicht nur graue Eminenz-Paar besteht aus Klaus Schwab (84) und Gattin Hilde Schwab (76). Klaus Schwab gibt sich gerne auch als visionärer Autor. 2020 schrieb er „Das große Narrativ. Für eine bessere Zukunft“. Das Buch wird angekündigt als optimistisches Buch, das die Negativität, die in zu vielen Weltuntergangserzählungen auftaucht, denen zufolge die Menschheit dem Vergessen anheimfallen wird, kategorisch ablehnt. Das Buch gehe davon aus, dass sich die Kreativität, der Einfallsreichtum und die angeborene Sozialität der Menschen durchsetzen werden.

2022 ließ Schwab ein anderes Buch folgen: „Covid-19: Der große Umbruch“ – angeblich ein „Leitfaden für alle, die verstehen möchten, wie das neuartige Coronavirus soviel Zerstörung und Leid anrichten konnte und welche Änderungen für eine integrativere, robustere und nachhaltigere Welt erforderlich sind“. Und noch etwas aus der Ankündigung des Buches: „Es zeigt uns, wo wir beginnen müssen.“ Übrigens: Klaus Schwab gehört zum Lenkungsausschuss der Bilderberger-Konferenz. WEF als Krake eben!

Krake WEF? Ja, denn das WEF hat es geschafft, wie die „Atlantik-Brücke“ eine Art Ausbildungsprogramm für „Young Global Leaders“ zu etablieren. Es geht hier um die Förderung und die Vernetzung von Nachwuchskräften in Politik, Wirtschaft, Medien und NGOs, die zu Beginn ihrer WEF-„Ausbildung“ noch keine 40 Jahre alt sind. Insgesamt 1.400 Namen umfasst mittlerweile die Liste. Mehr als fünfzig Regierungschefs und Meinungsführer durchliefen das WEF-Programm. Die Liste der prominenten „Alumni“ reicht von Angela Merkel, Emmanuel Macron und Tony Blair über Wladimir Putin bis hin zu Annalena Baerbock und Justin Trudeau. Mit von der Partie waren insgesamt 109 Deutsche, neben den schon Genannten ferner zu Guttenberg, Wolfgang Ischinger, Claus Kleber, Jens Spahn usw.

Was ist hier also entstanden? Ein missionarisch beseeltes Bussi-Bussi-Weltrettungs-Netzwerk: intransparent, einer demokratischen Kontrolle entzogen, ohne demokratische Legitimation, nur die „Großen“, aber keinen Mittelstand und keinen Normalbürger kennend. Wir werden das in wenigen Tagen medial aus Davos wieder mitverfolgen können.


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