Tichys Einblick
Nach 323 Jahren das Aus

Jetzt knallt’s aber richtig – in der Feuerwerksbranche

Schon das Feuerwerksverbot an Silvester 2020 führte dazu, dass der Feuerwerkshersteller Weco sein Werk in Freiberg im Dezember schließen muss. Durch das Verkaufsverbot von Böllern und Raketen auch in diesem Jahr steht das Unternehmen nun ganz vor dem Aus. Von Antje Hermenau

IMAGO / localpic

Das wiederholte Verbot der Böllerei an Silvester verdirbt nicht nur vielen Feuerwerksenthusiasten die Freude, die man ihnen schon vor Corona nicht mehr gönnen wollte: Umweltschutz (der viele Feinstaub), Lärmschutz (die verängstigten Tiere und ruhegestörten älteren Mitbürger), Verletzungsgefahr (Knalltraumata und zerfetzte Gliedmaßen), Kritik am Konsumrausch („Brot statt Böller!“) Machtenden Feiernden schon vorher das Böllern schwer. Nun kriegen diese Benimm-Vorschriften in der Corona-Pandemie angesichts einer drohenden Bettenüberlastung wegen der erwartbaren vielen Schwerstverletzten noch moralisch einen obendrauf. Wer kann da noch sagen, er hätte gern ein Feuerwerk gehabt? Das erscheint dann zumindest asozial, so ein Verhalten. Und die Regierung meint das nun deswegen verbieten zu müssen.

Rege ich mich auf, wenn jemand Vergnügen daran hat, aus 30 Sorten französischen Rohmilchkäses gebildet und gepflegt auszuwählen, welcher ihm besonders mundet? Soll er doch seinem Affen Zucker geben – leben und leben lassen. Muss sich eine Regierung aufregen, wenn Menschen den Wunsch verspüren, an Silvester zu böllern, um die bösen Geister des vergangenen Jahres, derer es wahrlich genug gibt, zu vertreiben und das mit der Hoffnung zu verbinden, 2022 möge besser werden?

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Man könnte das Ganze ja noch unter einer moralsklerotisierten Politik mit reichlich Ironie abhaken, wenn man nicht den ökonomischen und menschlichen Flurschaden beachtete. Aber der ist so beträchtlich, dass die Wirtschaft und die Menschen in Richtung Regierung sagen müssten: Jetzt ist Schluss mit lustig!

Die Weco, ein renommierter Hersteller von Feuerwerkskörpern, der in Nordrhein-Westfalen und Sachsen jeweils ein Werk hat, steht vor dem Aus. Das Verbot des Silvester-Feuerwerks 2020 hatte schon dazu geführt, dass das Werk in Freiberg mit 100 Mitarbeitern dieses Jahr im Dezember schließen sollte, mit Sozialplan und Auffanggesellschaft. Und dann knallt es vor wenigen Tagen wieder mit einem Blindgänger aus der Politik ins Haus: dem Böllerverkaufsverbot 2021 – einem echten Kracher!

Damit ist der Sozialplan gefährdet, alles gefährdet. Die Firma hat noch nicht einmal alle Hilfen, die sie wegen des Verbotes 2020 beantragt hat, bekommen. Nun kann sie vielleicht nicht einmal mehr die vereinbarten Abfindungen zahlen. Was für ein Flurschaden der Politik. Die Weco existiert seit 70 Jahren – ein Traditionsbetrieb. Der Standort in Freiberg kann auf mehr als 300 Jahre „Pulvermüller“-Tradition zurückblicken. Das Silvestergeschäft macht über 90 Prozent des Umsatzes aus. Ein faktisch zweijähriges Berufsverbot lässt nicht nur die Weco kaputtgehen. Manche schafften es schon im letzten Jahr nicht mehr, weil sie durch die Raster der Programme zur Pufferung der Umsatzeinbußen fielen.

Man darf davon ausgehen, dass die ganze deutsche Pyrotechnik-Branche insgesamt den Bach runtergehen kann. Dabei erfüllt sie höchste Standards. Wenn man irgendwann einmal – falls überhaupt jemals – wieder böllern wird dürfen, dann werden die Böller aus anderen Ländern kommen, vielleicht mit niedrigeren Standards. Man wird sich zweimal überlegen, ob man hier einen alten Standort wieder aufmacht.

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Diese Regierung trifft sprunghaft und wenig nachvollziehbar Entscheidungen, deren Reichweite dramatisch in den Alltag vieler Menschen eingreift, ganze Branchen an den Rand des Ruins bringt, Menschen verschreckt und anhaltend verängstigt. Der Schrecken und die Angst kommen eben nicht nur von der Ansteckungsgefahr, sondern auch von der Unterbrechung des alltäglichen Lebens durch immer neue, oft sich widersprechende Anordnungen, durch die materielle Bedrohung durch Jobverlust oder Kurzarbeit, durch den anhaltenden Eindruck, es gehe eher zu wie auf dem Affenfelsen von Gibraltar – egal, wer gerade regiert.

Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Art von Politik zu interpretieren: Entweder ist die Alltagsentfremdung in der Verwaltung und der Politik inzwischen so weit vorangeschritten, dass sie einfach nicht mehr wissen, was sie tun. Dann taugen sie so viel für die Ämter, die sie inne haben, wie Feinmechaniker in der Gießerei. Oder es hat Methode, die Bürger so viel wie möglich im Ungewissen zu halten und sie so zu steuern, indem man sie zur Unmündigkeit zwingt. Auch dann sind die falschen Leute in den Ämtern – wenn auch nicht aus Unfähigkeit.

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Man könnte als politisch Verantwortlicher mit den Leuten über vieles reden, wenn eine gewisse Logik erkennbar wäre. Vor allem aber, wenn ein Alltagsverständnis und ein Gefühl von Augenhöhe und Dialog entstehen könnte. Stattdessen wird sehr deutsch herumkommandiert, was das Zeug hält. Das wirkt nicht nur extrem hilflos, sondern lässt keinerlei Menschenfreundlichkeit erkennen. Warum ist es nicht möglich, anstatt die Firmen mit Kurzarbeitergeld und Hilfsprogrammen zwei Jahre lang zu beatmen, ihnen den Absatz zu ermöglichen? Kleinere Artikel, bei deren Nutzung höchstens mal die Fingerkuppe eines Familienvaters kurz heiß wird, können verkauft werden. Die Familien wird es freuen; die feiern eh meistens im Innenhof. Größere Artikel werden von den Kommunen gekauft, von der Feuerwehr beaufsichtigt zentral und öffentlich geböllert für alle, die daran Freude haben, das anzusehen.

Draußen ist die Ansteckungsgefahr viel niedriger als drinnen. Alle haben ihren Spaß, jeder kann von seinem Standort aus zusehen: und zum Beispiel in Baden-Württemberg offensichtlich befürchtete Zusammenrottungen „eventorientierter“ Jugendlicher jedweder Couleur drohten dann eher nicht und könnten von der Polizei zügig aufgelöst werden. Und wem der Feinstaub zu viel wird, der kann sich ja mit seiner FFP-2-Maske, die er ohnehin mit sich führt, individuell schützen. Menschenfreundliche Politik ist in Deutschland nicht ausdrücklich verboten. Bei der aktuellen Steuer- und Abgabenlast ist sie meines Erachtens sogar geboten. Die Bürger leisten sich den Staat, nicht umgekehrt.

Das Hü und Hott, das Hin und Her, der Zickzackkurs, der mitunter in abenteuerlicher Geschwindigkeit mit seinen Richtungswechseln für angehobene Mägen in der Kurve sorgt, ist nicht mehr zu ertragen.

Die Weco hat ein Jahr lang mit der Belegschaft einen Weg gesucht, sich dann schweren Herzens von dem Standort in Freiberg getrennt und dort einen Sozialplan aufgestellt. All diese Bemühungen des Unternehmens, sozialverträgliche Lösungen zu finden, die die Kassen des Unternehmens auch weiter belastet haben, werden nun konterkariert, indem wenige Wochen vorher wieder ein Verkaufsverbot verordnet wird.

Kein Wunder, dass sich immer mehr Unternehmer so vorkommen, als würde man sie als Partner in dieser Krise nicht ernst nehmen. Ich frage mich inzwischen, wie lange diese Unternehmen eine derartig irritierende Politik überhaupt noch ernst nehmen können.

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