Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein? Wie würde es sich anfühlen, die Welt um einen herum via Ultraschall und Echoortung wahrzunehmen?
Wir können zwar theoretisch verstehen, was es bedeutet, zu fliegen und dabei mit anderen Sinnen als nur den menschlichen zu navigieren, doch nachfühlen können wir es nicht.
(Ich greife hier den berühmten Aufsatz »What is it like to be a bat?« des Philosophen Thomas Nagel auf, worin er argumentiert, dass es etwas am Bewusstsein gibt, das nicht durch Reduktion auf die zugrundeliegende Materie erklärbar ist – ich beziehe mich hier gezielt auf die Unterschiedlichkeit der Erfahrung.)
Es sind nicht nur Fledermäuse, deren inneres Erleben ich nicht oder nicht vollständig nachfühlen kann! Als Mann etwa, so versichern Feministinnen uns immer wieder, kann ich nicht vollständig wissen, wie es sei, eine Frau zu sein.
Doch, selbst bei gleichen biologischen Voraussetzungen soll es vorkommen, dass man sich nicht in einen Menschen hineinversetzen kann. Als jemand, der schon aus Prinzip eine eigene Meinung zu finden versucht, wird mir immer deutlicher, dass ich einfach nicht nachvollziehen kann, wie man jener Menschentypus sein kann, der damals unisono dem »Totalen Krieg« zustimmte und heute sich am »Wir sind mehr« berauschen könnten – es ist mir ähnlich fremd wie das Innenleben der Fledermaus.
Und, nicht zuletzt, sondern immer dringender: Wir sollten uns fragen, ob einige der Menschen, die von Schleppern und rätselhaften NGOs nach Europa gebracht werden, nicht eventuell so anders ticken als der prototypische Europäer, dass wir es uns schlicht nicht vorstellen können. Zur Empathie – eine Eigenschaft, die in Linken und Gutmenschen notorisch verkümmert ist – gehört es auch, die Grenzen der Empathie zu kennen.
Sachbeschädigung an der Eingangstür
In Mönchengladbach leben etwas über 260 tausend Einwohner, und einer davon ist Rashid K.. Vielleicht heißt er auch Islam H., wie er sich nannte, als er sich in Brandenburg registrierte. Vielleicht heißt er auch ganz anders – Namen sind Schall und Rauch.
Herr K. ist ein freier Mann, und das wird auch für den Moment so bleiben, wie ein Gericht ihm nun bestätigte (davon ausgehend, dass die entsprechende Story bei spiegel.de, 11.6.2019 so stimmt und der Text nicht ein Journalismus-Preis-Kandidat ist). – Herr K. ist auch extra-frei in seinen Gedanken wie auch in seinen Taten. Die Polizei fürchtet, dass er ein hochgefährlicher Extremist ist (mir ist die Religion gerade entfallen).
Der Herr soll gewalttätig sein und kriminell noch dazu – »schwere Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Drogen, Diebstahl, Gefängnisstrafen«. – Herr K. hat sich da um Asyl beworben, wo solche Leute sich eben um Asyl bewerben. Polizisten entdeckten in seiner Wohnung eine »halbautomatische Waffe, durchgeladen«. Herr K. ist Salafist und mag als solcher die Ungläubigen, bei denen er sich um Asyl bewirbt, nicht so gern. 2018 haben Polizisten sogar ein Foto von ihm gesehen, wo er mit einem Sturmgewehr posierte.
Ursprünglich kommt Herr K. wohl aus Tschetschenien, und damit aus Russland, doch das Reich von Putin, Borschtsch und E-Mail-Hackern sagt, dass sie ihn nicht kennen – man kann sie fast verstehen – und so wird Herr K. seit 14 Jahren in Deutschland »geduldet«.
Nachdem die Polizei die verbotene Pistole bei ihm gefunden hatte, sollte er endlich, wenn auch nicht abgeschoben werden, so doch immerhin ins Gefängnis kommen können. Der Richter aber ließ »Milde walten«. Herr K. durfte frei herumlaufen, mit der höflichen Bitte, der Gefährder möge bis zum Abschluss des Verfahrens doch freundlicherweise straffrei bleiben.
Es dauerte nur zwei Wochen, und Herr K. wurde geschnappt, so wird weiter berichtet (spiegel.de, 11.6.2019 – es ist das Relotius-Magazin, ich nehme also alles unter Vorbehalt), und diesmal hatte er sich wohl an der Tür eines Mehrfamilienhauses zu schaffen gemacht. Ein Einbruchversuch – so dachten die Polizisten – endlich Haft für den Gefährder! Falsch gedacht. Der Richter wertete es als »Sachbeschädigung« an der Eingangstür, und man wusste auch nicht, in welche der Wohnungen er einbrechen hätte wollen, also insgesamt nicht einmal ein Verstoß gegen die Bitte, straffrei zu bleiben – und so läuft Herr K. unter den braven Steuerzahlern von Mönchengladbach frei herum, oder, wie er vermutlich sagen würde, inmitten der »dummen Kuffar«. Wenn der Rechtsstaat doch im Angesicht seiner Gegnern so konsequent aufträte, wie er etwa seine eigenen Bürger anfasst, wenn sie auch nur die GEZ nicht bezahlen.
Der Text schließt so:
Und so bleibt Gefährder K. trotz seiner erwiesenen Schwäche für Schusswaffen und seiner alarmierenden Gesinnung bis auf Weiteres auf freiem Fuß, eine Gerichtsverhandlung liegt in weiter Ferne. In zwei Wochen steht erneut die Verlängerung seiner Duldung an. Es wird seine Einunddreißigste werden. (spiegel.de, 11.6.2019)
Man muss es dem Relotius-Blatt lassen, Dramatik können sie, auch wenn ich immer etwas vorsichtig bin bei denen.
Fremd wie eine Fledermaus
Ich tue mir schwer nachzuvollziehen, was in diesem Richter vorgeht. Ich hoffe, dass es tatsächlich die Gesetze sind, die ihn zu solchem Verhalten zwingen (womit die Polizisten in ihrer Einschätzung komplett falsch gelegen hätten – merkwürdig).
Die innere Welt des Herrn K. ist mir noch fremder als die des Richters. Ich weiß nicht, wie es sich von innen anfühlt, Herr K. zu sein. Ich bin dankbar, dass es Freiheit, Gesetz und Ordnung gibt, und ich gebe mein Bestes, mich in diese einzufügen. Mit meinen Mitteln versuche ich, Demokratie und Rechtsstaat zu verteidigen, und ich erziehe meine Kinder dazu, gute Bürger zu sein. Was einen Menschen antreibt, den Baum, auf dem man sitzt, samt dem Wald drumherum abzufackeln – ich kann es nicht nachfühlen. Herr K. ist mir ähnlich fremd wie eine Fledermaus, nur macht er mir weit mehr Angst.
Ich bin nicht außergewöhnlich darin, dass ich das Gefühlsleben eines Herrn K. nicht nachempfinden kann – das können die meisten von uns nicht. (Sogenannte »Antifaschisten« wiederum scheinen ideologisch gefährlich nah an den Gedanken der Salafisten zu leben – gut, wenn der Verfassungsschutz da ein Auge draufhat.)
Sehr unterschiedlich
Die öffentliche Debatte wird heute von emotionalen und anti-rationalen Positionen bestimmt, und zu ihren Merkwürdigkeiten zählt die gruselige Empathielosigkeit der linksgrünen Denkschule. Linke gehen (implizit) davon aus, dass alle Menschen innerlich so ticken, wie es ihr Idealbild von sich selbst tut – und jene, die es nicht tun, werden dämonisiert (etwa »Kapitalisten«, »Nazis« et cetera) – oder es wird schlicht geleugnet, dass andere Menschen grundsätzlich anders denken und fühlen könnten.
Die Empathielosigkeit und damit auch aggressive Angst linker Meinungsmacher gegenüber störender Meinung erlebt man täglich in körperlichen Angriffen gegen Abweichler und Oppositionelle. In Großbritannien hat die BBC-»Komödiantin« Jo Brand dazu aufgerufen, nicht nur wie bisher mit dem Werfen von Milkshakes gegen Andersdenkende vorzugehen, sondern Batteriesäure zu nehmen – sie nannte es einen »Scherz«, doch offensichtlich hatte sie ihre Inspiration von den Säureattentaten, die man auch aus Londoner archaischen Kreisen kennt; die Reaktion der BBC war zunächst, die Linke zu verteidigen, es sei Humor und von Meinungsfreiheit gedeckt (bbc.com, 12.6.2019), später schaltete sich sogar Theresa May kritisch fragend ein, BBC bat dann schließlich um Entschuldigung und schnitt die Passage aus der Wiederholung (bbc.com, 13.6.2019). – Hätte ein Nicht-Linker einen ähnlichen Witz gemacht, säße er vermutlich längst im Gefängnis, mindestens aber wäre er entlassen worden.
Strafen und ihre Wirkung
Doch, nicht nur Linksgrüne gehen mit bestimmten Vorstellungen vom Innenleben anderer Menschen ans Werk, auch Recht und Gesetz transportieren mindestens implizit bestimmte Prämissen darüber, wie Menschen fühlen, denken und die Welt wahrnehmen.
Juristen denken im Rahmen der »Strafrechttheorie« auch darüber nach, welche Wirkung durch Strafen auf Mensch und Gesellschaft erzielt werden. Eine wesentliche Rolle spielen, unter anderem, das Vertrauen der Bürger auf die Rechtsordnung des Staates, aber auch die Prävention durch Abschreckung. Ein Staat, der Taten nicht bestraft oder zu hart bestraft wird gleichermaßen als ungerecht empfunden.
Man kann diskutieren – und die Diskussion ist wieder besonders aktuell! – ob und wie Abschreckung durch Strafen beim Bürger wirkt – dieselbe Strafe kann auf Bürger aus unterschiedlichen Kulturkreisen sehr unterschiedlich wirken – die einen schämen sich in den Boden, die anderen rollen am Boden vor Lachen.
Der deutsche Rechtsstaat – oder was davon nach Merkel und den Grünen übrig sein wird – geht mindestens implizit davon aus, dass der Mensch auf eine bestimmte Art und Weise denkt, fühlt und davon motiviert handelt, selbst wenn es einzelnen Juristen nicht bewusst ist, weil sie es als gegeben annehmen. Gesellschaft und Rechtsstaat scheinen zunehmend schmerzhafter überfordert, wenn sie es mit Menschen zu tun haben, die grundsätzlich anders denken, als die Menschen, für welche die Gesetze geschrieben wurden. Wir sind uns dessen nicht bewusst.
Der Rechtsstaat tut sich schwer, mit Menschen umzugehen, die völlig anders ticken. Bislang wussten ein Einbrecher oder ein Räuber tief in sich dann doch, dass es falsch war, was sie taten. Wenn so einer es mit der Polizei zu tun hatte, schämte er sich dafür. Ich erinnere mich gut, als ich zum ersten Mal auf der Baustelle einen ehemaligen Häftling traf, mit Gefängnis-Tatoos, der von seinem Leben im Knast erzählte. Er war damals etwa so alt wie ich es heute bin. Er schuftete auf dem Bau, und hoffte, nicht wieder von der ehrlichen Bahn abzukommen und in den Bau zu müssen. Er schämte sich für seine Tat.
Einst hörten wir, wenn ein Mann eine Frau geschlagen hatte, dass er wohl betrunken gewesen war und, so sein Entschuldigungsversuch, sie ihn extra wütend gemacht hatte, und es würde nie wieder vorkommen – heute könnten wir schon mal hören, der Angeklagte habe frech gefragt, was die Erziehung seiner Frau bitte die Polizei angehe. Einst war der Polizist eine Respektsperson – heute braucht er in manchen Stadtteilen selbst einen beschützenden Polizisten.
Wie geht der Rechtsstaat mit Menschen um, die den Westen insgesamt ablehnen? Welche Wirkung hat das drohende Wort eines Richters, wenn der Täter stolz ist auf seine Taten? Anders gefragt: Einige Straftäter können nicht abgeschoben werden, weil ihnen in ihrer Heimat eine weit schärfere Strafe droht als in Europa – haben wir für einen Moment überlegt, dass es einen Grund geben könnte, warum ihnen dort, wo man sie kennt, eine schärfere Strafe droht?
Einige Kommentatoren verteidigten den Richter des Mönchengladbachers damit, so sei eben das Recht – doch das wäre eben das Problem! Wir haben es mit Tätern mit einer Denkart zu tun, die unserer eigenen westlichen Denkart fremd ist. Wird es gut gehen, wenn Bürger nachhaltig das Gefühl haben, der Rechtsstaat würde sich in seinem Handeln selbst beschädigen?
Nach 9/11 mussten Gesetze und Sicherheitsbestimmungen neu geschrieben werden. Es war schmerzhaft deutlich geworden, dass man es mit Tätern zu tun hatte, die maximal rational auf ein aus westlicher Perspektive vollständig irrationalen Ziel hinarbeiteten. Wie soll Deutschland mit Menschen umgehen, für deren Psychologie der Rechtsstaat schlicht nicht (ausreichend) vorbereitet ist?
Der Rechtsstaat könnte empathischer werden, und zwar nicht im gefühligen Larifari-Sinn, sondern darin, dass er anerkennt, dass einige derer, die nach Deutschland kamen und kommen werden, sehr anders verschaltet sind als der »gewöhnliche« Bürger, der bislang vorwiegend vor Gericht stand.
Ob es uns gefällt oder nicht: Es gibt Menschen die denken nicht nur ein »wenig« anders als wir im Westen, sondern sehr viel anders, und der Rechtsstaat sollte uns eigentlich vor denen schützen.
Ich gehe leider nicht davon aus, dass sich das Recht in Deutschland so bald ändern und anpassen wird – möge man mich bitte durch Taten widerlegen!
Einige der Wohlversorgten, die derzeit in der Politik den Ton angeben, wirken nicht durchgehend wie die hellsten Glühbirnen im Regal. Können dieselben Leute, die in gutmenschlichem Wahn und machtbewusstem Durchwurschteln diese Probleme entstehen ließen, sie auch lösen?
Es bleibt dem Bürger wenig übrig, als sich selbst zu schützen vor Leuten, die so grundsätzlich anders denken, dass selbst Polizisten in ihrer Gegenwart nervös werden. Mit anderen Worten: Der Bürger könnte das Bedürfnis spüren, sich schützen zu wollen vor der Hilfslosigkeit eines Rechtssystems, das implizit von einer ganz anderen psychologischen Realität ausgeht.
Die Welt ist gefährlich, und manchmal machen die da oben sie gefährlicher. Diejenigen, die den ganzen Irrsinn bezahlen, sind auch diejenigen, die als Erste die Folgen ausbaden müssen. Was soll man tun? Was kann man tun?
Der Bürger könnte sich ja ein Beispiel an den Fledermäusen nehmen und neue Sensoren entwickeln, damit er auch im Dunkeln sehen kann.
(Nachtrag Freitag 14.6 2019: Laut bild.de, 14.6.2019, Stand 6:04 Uhr wurde Rashid K. in der Nacht von Donnerstag auf Freitag festgenommen. – Habe ich die auf die Idee gebracht, seine GEZ-Zahlungen zu prüfen? Wer sagt denn, dass die neuen Medien nichts bewirken! – Im Ernst aber: Wir werden sehen, für wie lange.)
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.