„Es wächst zusammen, was zusammen gehört.“ kommentierte Alt-Kanzler Brandt einst den Mauerfall vom 09. November 1989. Kurz und prägnant brachte er damals mit wenigen Worten zum Ausdruck, was viele fühlten. Es war ein Satz, der Orientierung gab, als die Mauer noch nicht mehr als erste Risse hatte und die Zukunft der DDR noch vollkommen im Ungewissen lag. Heute, fast 27 Jahre nach dem Mauerfall und angesichts eines Festaktes, der immer noch und angesichts der Flüchtlingskrise mehr denn je die kulturelle Vielfalt beschwört, stellt sich die Frage nach dem Zusammenwachsen und der Einigkeit der Gesellschaft erneut – mit denkbar schlechterem Ergebnis als damals.
Es ist nur wenige Tage her, als ich meinen Followern auf Facebook von einer Begebenheit an einer Autobahnraststätte berichtete. Zwei Frauen mit Kopftuch samt Männern und Kindern betraten dort die Tankstelle. Keiner sprach Deutsch, alle unterhielten sich lautstark. Ich beklagte, dass ich mich in Gegenwart dieser Menschen, die das Stadtbild nahezu überall in zunehmender Weise prägen, nicht mehr heimisch fühle. Dass es mir angesichts arabischer Sprache, Kleidung und Co. nicht einmal mehr so vorkäme, als befände ich mich in Europa. Und dass ich das schlicht und ergreifend nicht mag. Dass es meiner Ansicht nach einfach nicht hier her gehört. Dass es nicht passt.
Dieser kurze Post aus dem Gefühl heraus gehörte gemessen an den 1.800 Likes und mehr als 250 Shares zu den Top 5 auf meiner Seite. Und auch wenn ich an meinen Kommentar „Ihr nehmt mir meine Heimat weg“ hier auf Tichys Einblick denke, erscheint es mir so, als wenn insbesondere das Thema des Heimatverlusts durch zunehmend fremde kulturelle Einflüsse einen Nerv bei vielen Menschen trifft. Das Gefühl von: Das passt nicht. Ich mag es nicht. Es ist mir fremd und es entfremdet meine Heimat von mir.
Ich mag es nicht
Vielleicht, weil es sich hierbei um ein Thema handelt, das kaum greifbar zu machen ist. Das in den Medien auch deshalb kaum beleuchtet oder allenfalls als diffuse und vor allem irrationale Angst des besorgten Bürgers deklariert wird. Oft diskutieren wir nur über die harten Fakten und über das, was qua gesetzlicher Regelung sein soll und nicht über das, was tatsächlich ist bzw. auf immer mehr Menschen und ihre Gefühle und Ansichten zutrifft. Ja, was der ganzen Debatte fehlt, ist die Erlaubnis, sagen zu dürfen, dass man den Islam schlicht nicht mag. Dass man ihn sogar überaus doof findet und deshalb nicht möchte, dass er hier in Europa in immer stärkerem Maße eine gesellschaftliche Rolle spielt. Dass hier nichts zusammenwachsen kann, egal wie viel Multikulti propagiert wird, weil es nicht passt. Weil hier nicht zusammenwächst, was zusammen gehört und weil es nie zusammenwachsen wird. Weil es das in den letzten mehr als 50 Jahren nicht getan hat, seitdem die ersten Gastarbeiter kamen und sich allenfalls auf ein Nebeneinander beschränkt. Weil der Islam vornehmlich eine politische Ideologie ist und keine religiöse Privatsache wie bei den Christen hierzulande. Weil sich die Kulturen und die daraus ergebenden Konsequenzen für Recht, Gesetz und Werte fundamental unterscheiden.
Dass die Political Correctness lähmt, wissen wir alle. Dass man deswegen nicht einfach sagen darf, dass man die westliche Kultur für die Bessere hält, dass man den Islam für rückschrittlich hält, ist klar. Moralisch und gefühlig darf eben nur die andere Seite argumentieren. Der Rest gehört zu den besorgten Bürgern mit diffusen Ängsten. Und dennoch lähmt auch etwas anderes in der Diskussion rund um den Islam und eine etwaige Zugehörigkeit zu Europa: Die Vergesetzlichung der Debatte und die damit einhergehende Ausnutzung unserer liberalen Werte.
Denn selbst wenn der Islam und die Kultur tatsächlich doofe, rückschrittliche Sachen wären, die nicht hier her passen und die auf ewig dafür sorgen werden, dass Muslime und andere allenfalls nebeneinander her, aber in den meisten Fällen nie wirklich miteinander leben, dürfen wir das so nicht sagen.
Zurück zu den Frauen an der Raststätte: Keine von ihnen hat sich nach Recht und Gesetz falsch verhalten, sodass ich ihnen einen Vorwurf machen könnte. Und dennoch haben sie mich gestört, weil sie und viele andere Muslime dafür sorgen, dass ich mich in meiner Heimat zunehmend fremd und damit auch unwohl fühle. Weil ihre Kultur mir fremd ist, ihre Sprache, weil ich mich in ihrer Gegenwart nicht wohl fühle. Und weil diese Fremdheit auch nie ganz verschwindet, selbst wenn ich Muslime in Phasen meines Lebens als Freunde bezeichnete. Dabei spreche ich immer von denen, die ihre Kultur und Religion so penetrant vor sich hertragen. Nicht von jenen, die sich von ihrer Religion und Kultur emanzipiert haben, die unsere westlichen Werte leben. Die gibt es auch, aber sie stellen eine Minderheit unter den islamisch geprägten Einwanderern dar.
Es wird immer gesagt, dass wir, die wir den Islam und die islamische Kultur kritisieren, nur Angst vor dem Fremden hätten, weil wir das Fremde nicht kennen würden. Was aber, wenn wir es kennen und es trotzdem für uns immer fremd bleibt? Wenn sich die Toleranz in Nuancen verändert, aber nie dafür sorgt, dass wir nachvollziehen, verstehen können, dass wir sogar gut finden, was wir da erleben und sehen und dass es umgekehrt auch so ist? Kann unter solchen Voraussetzungen etwas zusammenwachsen? Ist Multi-Kulti im Sinne einer wirklichen Vermischung der Gesellschaft, eines Zusammenwachsens zu einer Nation und nationalen Identität mit Menschen aus dem islamischen Kulturkreis wirklich machbar? Oder ist und bleibt das eine Illusion?
Hard Facts und Soft Facts
Sicherlich, wenn wir von den sogenannten Hard Facts ausgehen, dann liefert uns unsere liberale Verfassung eine Erklärung auf die Frage, wie wir mit all dem umzugehen haben. Hier ist die Toleranz und die liberale „negative“ Freiheit das Gebot der Stunde. Wer sich im Rahmen des Gesetzes und der Verfassung bewegt, der muss toleriert werden. Ob wir seine Kultur als zu uns passend empfinden oder nicht. Aber diese Verfassung – und das sage ich als Liberale – und unsere weiteren Gesetze liefern keine Antwort auf die Soft Facts. Wie wir damit umgehen, dass wir uns nach Jahrzehnten immer noch in den meisten Fällen so fremd sind. Denn auch wenn das Kopftuch rechtens ist, mag ich es nicht. Auch wenn das Bauen von Moscheen rechtens ist, mag ich es nicht. Und auch wenn das Demonstrieren für einen türkischen Despoten und die fehlende Identifikation mit Deutschland und den Deutschen rechtens ist, mag ich das nicht. Es ist dies, worauf unsere liberale Verfassung keine Antwort weiß, weil es sich schlicht auf einer anderen Ebene befindet.
Aber genau die Soft Facts sind es, die für eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft sorgt. Was bewirkt, dass wir in den meisten Fällen nicht miteinander, sondern nebeneinander leben. Dass das Vertrauen in den Staat und untereinander verloren geht, weil das eben in multikulturellen Gesellschaften so ist. Weil man sich da, wo man sich kulturell fremd fühlt, nicht vertraut und weil dieses Misstrauen in dem Maße zunimmt, wie man unkontrollierte Zuwanderung aus anderen Kulturen zulässt.
Und so lässt sich am Tag der deutschen Einheit konstatieren, dass wir wohl gespaltener sind denn je. Dass es keine Einheit, keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt in einer Gesellschaft gibt, in der sich die in ihr vorherrschenden Kulturen im Endeffekt nichts abgewinnen können. Die Frage, die sich daraus unweigerlich ergeben müsste, ist jene, wie wir künftig damit umgehen und ob es wirklich so sinnvoll ist, diese Flüchtlings- und Islampolitik fortzuführen, weiter über kulturelle Vielfalt zu schwadronieren, statt endlich den tatsächlichen Ist-Zustand des gesellschaftlichen Miteinanders gewahr zu werden.
West- und Ostdeutsche sind zusammengewachsen, weil sie trotz unterschiedlicher politischer Systeme das Deutschsein, die Kultur im Großen und Ganzen geeint hat. Die Frage, was uns heute einen soll, bleibt indes unbeantwortet, aber sie muss gestellt werden und es müssen politische Konsequenzen daraus folgen, die natürlich nicht lauten können, dass wir die hier seit Jahrzehnten lebenden Muslime ausweisen, aber dass wir vielleicht endlich damit aufhören, noch mehr Einwanderung aus dem islamischen Kulturkreis zuzulassen.
Dass wir vielleicht solche Veranstaltungen nicht nur dafür nutzen, um die Deutschen auf die bereichernde kulturelle Vielfalt einzuschwören, sondern auch mal die Einwanderer und Deutschen mit Migrationshintergrund zu fragen, was sie für diese Einheit tun.