Nun ist sie also da, die KleGroKaZ, die Kleinste Große Koalition aller Zeiten. Ihre den deutschen und europäischen Interessen zuwiderlaufenden Ziele, wie sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurden, habe ich an dieser Stelle schon einer verbalen Kritik unterzogen. Die Fragen der Geldpolitik und der Eurorettung kamen dabei etwas zu kurz. Das liegt auch daran, dass sich der Koalitionsvertrag kaum damit auseinandersetzt, außer in dem fehlgeleiteten Ausdruck des Glaubens an mehr Zentralisierung, mehr Transferunion und mehr Vergemeinschaftung von Risiken, wie er im Ruf nach einem europäischen Währungsfonds zum Ausdruck kommt.
Das ist Ausdruck einer Neigung des EU-Mandarinats, erkannte Fehlentwicklungen nicht etwa zu korrigieren, sondern in Endsiegmentalität die Auffassung zu vertreten, dass man nur nicht genug von der alten Medizin geschluckt habe und dass eine Steigerung der Dosis es schon richten wird. Oder wie man es in der EZB ausdrücken würde: Die Feuerkraft steigern.
Dass die GroKo nun doch zustande gekommen ist, macht es wahrscheinlich, ja fast unvermeidlich, dass es der neue Finanzminister Scholz sein wird, der sich mit den Folgen der Rettungspolitik, den von ihr aufgestauten gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten und der daraus resultierenden Krise wird auseinandersetzen müssen. Er steht daher jetzt vor der Wahl, dem eine Strategie entgegenzusetzen, oder das zu kopieren, was die Kanzlerin als Betriebszustand ihrer Politik definiert hat, nämlich auf Sicht zu fahren, abzuwarten, dass es knallt und dann den Versuch zu unternehmen, es ein weiteres Mal zu übertünchen.
Der Auslöser für diese Pleitenwelle kann entweder eine Zinswende sein oder eine Kreditrationierung durch eine Erosion des Eigenkapitals der Banken. Erstere kommt nicht, weil die EZB weiß, was sie damit auslösen würde, letztere ist unvermeidbar, weil der Nullzins die Ertragsbasis und das Geschäftsmodell der Banken ruiniert hat. Ab 2020 wird das schmerzhaft und eine Kreditkontraktion wird einsetzen.
Sobald das passiert, hat Herr Scholz ein Problem, vor allem dann, wenn er auf Sicht gefahren ist und abgewartet hat. Will er das unter Kontrolle bekommen, braucht er also eine Strategie. Und um das vorwegzunehmen: Die ökonomische Analphabeten-Ideen von Eurobonds, Europäischem Währungsfonds und dergleichen wird ihn (und uns) nicht retten.
Er braucht stattdessen einen Masterplan zur vorbeugenden Bankenstabilisierung als Voraussetzung für eine Rückkehr zu einer marktgerechten Zinspolitik und eine kontrollierte Deflation der geldpolitischen Blase. Hier sind die Komponenten:
- Eine massive vorbeugende Stärkung des Eigenkapitals der europäischen Banken um 1.000 bis 1.200 Milliarden Euro. Dann sind die Banken in der Lage den Schock der Insolvenzwelle zu überleben. Wartet die Politik damit, bis die Krise eintritt, braucht sie aller Erfahrung nach ein Mehrfaches der Mittel. Die wird sie dann im Zweifel bei diesen Größenordnungen nicht haben.
- Durchführung eines Stresstests, um festzustellen, in welche Banken dieses Geld vor allem geleitet werden soll. Das macht auch deutlich, wie sich der Aufwand nach Ländern verteilt. Die einzelnen Länder sollten dann ein Privatisierungsprogramm auflegen, um die Last selbst schultern zu können. Aber Vorsicht: Lassen sie den Stresstest nicht die EBA und den SSM machen. Die haben jetzt vier Mal in Reihe bewiesen, dass sie das nicht können. Dort geht es nicht um Transparenz, sondern um Politik.
- Die Banken müssen ihre Kosten um 30 – 50% senken, um nachhaltig überlebensfähig zu werden. Das können sie im aktuellen arbeitsrechtlichen Umfeld nicht tun, weil die dann für Abfindungen notwendigen Restrukturierungsrückstellungen ihr Eigenkapital in katastrophaler Weise erodieren würden. Es braucht ein Bankenrestrukturierungsgesetz, das diese Restrukturierungskosten um mindestens 80 – 90% senkt. Das ist schmerzhaft, vor allem für die Banken, aber nicht so schmerzhaft wie kollabierende Banken.
- Das Bankensystem muss konsolidieren, um Skaleneffekte bei den Kosten zu realisieren. Ziel muss es sein, Einheiten zu schaffen, die groß genug sind, zu überleben, und klein genug, um das too-big-to-fail Problem zu vermeiden. Das betrifft in Deutschland vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken, deren Vorständen das Problem längst klar ist.
- Massive Senkung der Regulierungskosten. Seit 2007 haben wir die Banken mit einer riesigen Flut an unsinnigen, kostspieligen und wenig effizienten Vorschriften überzogen. Sie haben ihr Ziel, das System transparenter und stabiler zu machen, mehr oder weniger komplett verfehlt. Dafür haben sie die Kostenbasis um 10 – 15% gesteigert und es durch bürokratische Vorschriften verhindert, dass Banken ihre Prozesse effizient und schnell an neue Bedingungen, Technologien und Herausforderungen anpassen konnten. 90% dieser Vorschriften sind ein reines Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Bürokratie der EU, die sich hier eine riesige neue Spielwiese geschaffen hat. Das kann man einsparen, indem man die Banken vor die Wahl stellt: Regulierung light und dafür keinerlei staatliche Garantien mehr. Dann werden die Märkte die Transparenz erzeugen, die die Regulierungen verfehlt haben.
- Anwendung dieser Restrukturierungsprinzipien auf die Lebensversicherungsindustrie, die ein ähnliches angestautes Großproblem hat wie die Banken. Nur dass darüber niemand redet.
- Deflation der Asset- und Kreditblase durch stufenweisen Ausstieg aus der marktfremden Zinspolitik, Abschaffung der Nullzinsen, schrittweise Anhebung der Zinsen und kontrollierte langsame Herbeiführung der notwendigen gesamtwirtschaftlichen Anpassungen.
- Reform der Governance der Eurozone: Stimmrecht und Haftung im Einklang, Abschaffung oder vollwertige Besicherung von Target-2-Salden, Herstellung einer echten Unabhängigkeit des Zentralbankrates durch Auswahl nach Qualifikation statt nach Nationalität.
Und bevor ich es vergesse: Der Preis des Nichts-Tuns und des auf Sicht Fahrens, den Deutschland und Europa entrichten werden, wenn die Politik der Auffassung ist, dass sie lieber abwarten möchte, der lässt sich grob beziffern. Für Deutschland heißt das: Unkontrolliertes Auseinanderbrechen des Euro, wenn Insolvenzen die Banken zu Fall bringen, Entwertung der Anleihen der südlichen Euroländer in den Portfolien deutscher Anleger in Höhe von ca. 1.800 Mrd. Euro, Verlust der Target-2 Salden von zurzeit etwa 1.000 Mrd. Euro, im Krisenfall aber sicher sehr viel mehr und Verlust der Garantien im ESM. Summa Summarum etwa 3.000 Mrd. Euro, verbunden mit einer epochalen Wirtschaftskrise in den Ländern der dann ehemaligen EU, Kapitalverkehrskontrollen in ganz Europa mit ruinösen Folgen für die industriellen Lieferketten und die Erfüllung der Prophezeiung Lord Dahrendorfs von 1998: Der Euro wird Europa nicht einen, sondern spalten. Ich freue mich schon darauf, wie die Kanzlerin sich hinstellt und den Leute sagt „wir schaffen das!“
Willkommen im neuen Job, Herr Scholz! Sie schaffen das! Sie müssen sich nur entscheiden!