Wir haben hier auf TE wiederholt über die Fragwürdigkeit der Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) berichtet: zuletzt am 5. Oktober 2020 und ausführlich am 19. März 2020.
Jedenfalls gibt es schon seit geraumer Zeit keinen Grund mehr, der „Politikwissenschaftlerin“ (Dr. rer. pol.) Giffey den Doktortitel nicht zu entziehen. Weil Giffey aber der letzte personalpolitische Strohhalm einer völlig desolaten Berliner SPD für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus im September 2021 ist, machen die Freie Universität Berlin (FU) und die Berliner Landesregierung aus der Affäre eine Seifenoper.
Ein Gremium der FU identifizierte zwar 27 Textstellen, an denen Giffey eindeutig fremde Texte übernahm, ohne eine Quelle zu nennen. Dazu kommen viele weitere uneindeutige Stellen. Das FU-Gutachten spricht von „objektiver Täuschung“, „bedingtem Vorsatz“, die Mängel hätten „auch einen systematischen Charakter“. Das Gremium, das die Plagiatsvorwürfe prüfte, bestand aus fünf Mitgliedern: Drei Professorinnen und Professoren der FU-Politikwissenschaften, ein Vertreter des akademischen Mittelbaus sowie ein externer Professor. Das für die Überprüfung der Arbeit zuständige Gremium tagte neunmal. Erstaunlich war, dass die Erstgutachterin von Giffeys Arbeit, die Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel, an der Einsetzung des Prüfgremiums beteiligt war. Damit hat die Doktormutter selbst mit aussuchen dürfen, wer ihre Bewertung kontrolliert. Schlussendlich aber begnügte sich das FU-Gremium einstimmig damit, Giffey eine Rüge zu erteilen. Diese Rüge ist mittlerweile auf der Titelseite der inkl. Anhang rund 260 Seiten umfassenden Dissertation vermerkt.
Nach einer 260 Fragen umfassenden Anfrage der AfD-Fraktion vom Februar 2020, mit der einiges zu Tage gefördert worden war, hat nun die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ein Gutachten des gerade in solchen Fragen sehr renommierten und bekanntermaßen juristisch unbestechlichen Bonner Jura-Professors Klaus Gärditz vorgelegt. Dieser hatte übrigens die Universität Düsseldorf beraten, als 2013 der damaligen CDU-Wissenschaftsministerin Annette Schavan der Doktortitel aberkannt wurde.
Gräditz kommt in der „Causa Giffey“ unter anderem zu folgenden Bewertungen: Die FU hätte im Plagiatsverfahren gegen Frau Giffey gar keine Rüge erteilen dürfen, weil diese gar nicht im Berliner Hochschulrecht vorgesehen ist. Im Ergebnis habe die FU mit einer Rüge eine Rechtsfolge gewählt, für die das geltende Recht keine Ermächtigung enthält. Das FU-Verfahren weise zudem eine „auffällige Summation erheblicher Rechtsverstöße“ auf, schreibt Gärditz. Nach Aktenlage handele es sich um einen „klaren Fall“, bei dem das FU-Präsidium den Doktorgrad hätte entziehen müssen. Weiter schreibt Gärditz: „Hier irritiert jedoch die Willkür und Unprofessionalität im Umgang mit der politisch heiklen Promotionssache derart, dass dies Indikator für grundsätzliche Schieflage in der Fähigkeit und/oder Bereitschaft zur Rechtsbefolgung sein dürfte.“
Zur Vorgeschichte: Franziska Giffey arbeitete von 2005 bis 2009 an ihrer Dissertation mit dem Titel: „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“. Die Arbeit wurde mit „magna cum laude“ (sehr gut) bewertet. Nicht nur am Rande sei angefügt: Der wissenschaftliche Wert der Giffey-Dissertation ist auch unabhängig von den Plagiaten höchst fragwürdig. Denn Franziska Giffey hat in dieser Arbeit im Grund – garniert mit Interviews – nur einen Erfahrungsbericht über ihre eigene berufliche Tätigkeit abgeliefert. Sie war nämlich während der Zeit, in der die Arbeit entstand, Europabeauftragte des Bezirks Berlin-Neukölln.
Bleibt es bei einer „Lex Giffey“?
Die Freie Universität (FU) Berlin hat zwischenzeitlich ein neues Gutachten zur Doktorarbeit von Franziska Giffey in Auftrag gegeben. Darin soll es nicht direkt um die Promotion, sondern um das Vorgehen der FU in diesem Verfahren gehen. „Die teilweise divergierenden juristischen Einschätzungen über das Instrument der Rüge in Verfahren zur Überprüfung der Verleihung eines akademischen Grades gemäß dem Berliner Hochschulgesetz hat die Freie Universität vor mehreren Tagen zum Anlass genommen, Professor Ulrich Battis mit der Erstellung eines allgemeinen Gutachtens über dieses Instrument zu beauftragen“, hatte die FU Anfang Oktober 2020 mitgeteilt. Demnach soll Battis, früherer Rektor der Fernuniversität Hagen und bis zu seiner Emeritierung 2009 Lehrstuhlinhaber an der Humboldt-Universität, beurteilen, ob die Rüge für Giffey rechtmäßig zustande gekommen ist. Das Gutachten soll spätestens im November fertig sein.
So oder so: Die „Exzellenz“-Universität FU muss sich jedenfalls die Frage gefallen lassen, was etwa in Promotionsverfahren so „exzellent“ an dieser Uni sein soll.