Der nach längerem Tauziehen inzwischen getroffene Kompromiss zur Fortführung der Große Koalition (Gro-Ko) genannten Verlierer-Koalition aus CDU, SPD und CSU ist die logische, um nicht zu sagen zwingende Folge von folgenden Umständen:
1. der Herausbildung eines christ-sozialdemokratischen Grundkonsenses, der nicht nur von den jeweiligen Parteiführungen, sondern auch von einem erheblichen Teil ihrer Mitglieder, Anhänger und Wähler getragen wird. Er hat sich zwar nicht erst, dafür aber maßgeblich während der letzten Legislaturperiode herausgebildet und zeichnet sich hauptsächlich durch folgende Merkmale aus:
- Ausbau des globalen Freihandels zur Förderung der Exportwirtschaft
- Ausbau des EU-Binnenmarktes durch zusätzliche Mitglieder
- Öffnung der Arbeitsmärkte für Zuwanderer aus Europa und der ganzen Welt
- Nutzung des Asylrechts als Instrument der Zuwanderung
- Anwendung des Bail-out-Prinzips in der EURO-Zone
- Schrittweiser Ausbau der EURO-Zone zu einer Transferunion
- Schrittweise Aufgabe der nationalen Souveränität zugunsten supranationaler Institutionen
- Drosselung der Staatsverschuldung
- Weiterer Ausbau des Sozialstaats unter Einschluss von Zuwanderern
- Umstieg auf erneuerbare Energien
- Gleichstellung von Frauen und Förderung von Minderheiten
Diese Auflistung, die sich problemlos noch um zahlreiche Punkte erweitern ließe, macht deutlich, dass CDU, SPD und CSU in grundlegenden politischen Fragen weitaus mehr übereinstimmen als auseinanderliegen.
2. Der christ-sozialdemokratische Grundkonsens hat somit zwar eine breite inhaltliche wie auch gesellschaftliche Basis; er hat bei der letzten Bundestagswahl von den Wählern trotzdem nur noch eine knappe Mehrheit von etwas mehr als 53 Prozent erhalten. Nicht nur an den Rändern des politischen Spektrums, sondern auch in dessen Mitte gewinnen alte und neue Parteien Zuspruch, die den herrschenden Grundkonsens nur eingeschränkt oder auch gar nicht teilen. Schon jetzt haben sowohl die bisherigen Volksparteien deswegen ihre Fähigkeit verloren, alleine oder mit einem kleineren Partner eine Regierung zu stellen. Gefordert sind inzwischen Dreier- bzw. (bei getrennter Betrachtung von CDU und CSU) Viererbündnisse, um rechnerisch noch ohne die jeweils andere „Volkspartei“ regierungsfähig zu sein.
Die bisherigen Koalitionäre kehrten angesichts dieser Sachlage zum Naheliegendsten zurück und entschieden sich mittlerweile zur Fortsetzung ihrer bisherigen Politik auf Basis ihres christ-sozialdemokratischen Grundkonsenses. Da dadurch das Risiko eines zunehmenden Stimmenverlustes für alle drei beteiligten Parteien weiter steigt, waren insbesondere die SPD und die CSU während der Verhandlungen enorm bemüht, ihren Mitgliedern und Wählern jeweils zu zeigen, wieviel sie von ihren Wahlversprechen in den neuen Koalitionsvertrag reinverhandeln konnten. Die CDU verzichtete hingegen von vornherein auf irgendwelche inhaltliche Festlegungen und begnügte sich mit der Botschaft, weiterhin die Kanzlerin zu stellen, deren christ-sozialdemokratische Grundausrichtung und Flexibilität inzwischen ja allseits bekannt ist. Dafür war sie schließlich auch bereit, der SPD die Schlüsselressorts Finanzen, Außenpolitik sowie Arbeit und Soziales zu überlassen, wodurch die neuaufgelegte GroKo einen noch stärkeren sozialdemokratischen Anstrich erhält als die alte.