Über den möglichst täglichen Wasserstandsmeldungen über das Neueste von The Donald gerät täglich mehr aus dem Blick, was die Lehre für alle Freunde der Freiheit und darüber hinaus alle an einer ernsthaften politischen Debatte Interessierten sein muss: Die eigentliche Nachricht war und ist nicht, dass Trump gewonnen hat, sondern wie es möglich war, dass mit Clinton „die da oben“ mit ihrer geballten Machtfülle verlieren konnten.
Trump sagte am Wahlabend in seinem ersten Statement als President Elect:
„The forgotten men and woman of our country will be forgotten no longer.“ Die vergessenen Männer und Frauen unseres Landes werden nicht länger vergessen sein.
Das Meinungskartell beschimpfte diese Vergessenen, die zwei mal Obama gewählt hatten, als „whitelash“, weil sie dieses mal für Trump stimmten. Diesen Amerikanern ging es, wie ich in einem klugen Buch lese („Game of Thorns“), nicht um all die Labels, die schon so lange die öffentliche Darstellung beherrschen, sondern simpel um „survival“ – ums Überleben. Buchtext:
„The American dream was dead. Eighty to ninety percent of everything Americans now bought was purchased from only ten giant companies. And all those hundreds of television channels? They were 0wned by only six companies. The poor were getting poorer and the rich were getting richer at an alarming rate. Not only was the middle class disappearing, even many rich were disappearing. There was now only room for the superrich. The publicly proclaimed 1 percent.“
In acht Jahren kümmerten sich die Democrats unter Obama um alles Mögliche, nur nicht um ihre historische Klientel. Trump gewann mit ihren Stimmen. Das ist die Quittung für die US-Sozialdemokraten. Ron Paul bei den Republicans klagte die Banken – die Fed eingeschlossen – wegen weiter zunehmender Macht an. Bernie Sanders bei den Democrats wetterte gegen „oligarchy“ und „Wall Street tycoons“. Clinton und Co. setzten ihre Geschäfte mit diesen Angeklagten fort.
Es geht in den U.S. nicht länger um „Links“ und „Rechts“, sondern um „insider“ und „outsider“, um „unten“ und „oben“, um Abgehängte, Vergessene gegen Establishment (ein Wort, das die selbsternannten PC-Aufseher bei uns auf den Index gesetzt haben) – Buchtext:
„Now it was about insiders and outsiders. Donald Trump, the billionaire, one of the richest men in America, was ironically seen as an outsider. And now he was threatening to open the door to all kinds of new people to come in. Hillary Clinton, with the almost unanimous support of the mainstream media, the newspapers, the major corporations, the Hollywood celebrities, the Wallstreet banks, the multinational corporations, was considered by many to be the insider.“
Was die Kritiker in Europa übersehen oder übersehen wollen, der Milliardär besiegte die Millionärin von „links“. Noch einmal Buchtext:
„This election was about making America great again. One candidate claimed he could do that. The others said it had never stopped being great. If you liked where you were now, you had your candidate. If you didn’t, you had no choice but the flamboyant businessman with the outsize promises.“
Wer fand, Amerika habe nie aufgehört groß zu sein – great – hatte seine Kandidatin. Wer um seine Existenz in Amerika kämpfte, wollte, das Trump Amerika wieder groß macht – trotz oder wegen seiner überdimensionierten Versprechen.
Die sozialdemokratischen Parteien im ganzen Westen haben ihre historische Anhängerschaft der Arbeiter so lange vernachlässigt und durch Minderheiten als neue Kundschaft ersetzt, bis sie ihre Identität verloren. Die Arbeiterklasse verband ein emotionales Band, die verschiedenen Minderheiten, die durch Political Correctness und Genderismus immer noch weiter in neue, meist konstruierte Minderheiten aufgespalten werden, verbindet nichts. Auf eine Supermarkt-Klientel lässt sich keine Partei oder gar Bewegung gründen. Der Absturz der sozialdemokratischen Parteien unter 10 Prozent ist die logische Folge.
Zusammen mit der demokratischen Partei in den USA verlor das mit ihnen eng verflochtene Meinungskartell von Hollywood bis zur New York Times. Alle Medien bis auf Fox News und Associated Press schwiegen bis in die letzten Stunden alle eingehenden Meldungen über den aufziehenden Sieg Trumps einfach tot. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der in den neuen Medien zuhause ist und Trumps Kampagne dort steuerte, berichtete aus Exit Polls im ganzen Land schon über die Siege in jenen umkämpften Staaten, die gleichzeitig vom Meinungskartell immer noch als ungewinnbar für Trump dargestellt wurden.
Unter den Folgen des weiter wachsenden Vertrauensverlustes leiden zusammen mit den Parteien in Westeuropa die Medien, die ebenfalls ein Meinungskartell sind, von dem sich nur wenige abheben.
Die deutsche Politik setzt spätestens seit dem Umzug der Regierung nach Berlin nur noch auf Shows und Inszenierungen, weil die Massenmedien über anderes nicht prominent berichten. Ein Politiker kommt mit einem möglichst negativen Statement über einen anderen Politiker, am besten aus der eigenen Partei, leicht in die Schlagzeilen. Mit einer interessanten neuen politischen Idee hat er keine Chance auf Medienaufmerksamkeit. Und gegen die Regierungsmeinung, gegen die es im Parlament keine Opposition mehr gibt, kommt in den Meinungsführer-Medien niemand an. Geht das über Jahrzehnte so, produziert das die Politiker und die Journalisten, die wir haben. In Deutschland kommt hinzu, dass die politische Debatte im Parlament nicht mehr stattfindet. Neue Entwicklungen werden nicht dort debattiert, sondern in den vier Fernsehshows der Woche inszeniert. Wo früher das Parlament über entscheidende Weichenstellungen diskutiert und abgestimmt hätte, verkündet die Kanzlerin so etwas in einer TV-Show von Anne Will in unüberhörbar und unübersehbar reichlich vorhandenem Good Will.
Das Selbstverständnis von Medien und Journalisten hat sich nahezu auf den Kopf gestellt. Immer mehr von ihnen identifizieren sich mit irgendwie „grünen“ Vorstellungen vom Leben mehr als allen anderen. Da aber grüne und sozialdemokratische Positionen in alle Parteien eingezogen sind und es daher auch im Parlament keine Opposition mehr gibt, verstehen sich Medien und Journalisten nicht mehr wie früher als Kritiker der Regierungen – der „da oben“ und „da drinnen“, sondern als besonders scharfe Kritiker aller Erscheinungsformen von Regierungsgegnern, der „da unten“ und der „da draußen“.
In Frankreich ist der Unterschied zwischen „denen da oben“ in Paris und den von ihnen Vergessenen in der Provinz auf der Landkarte noch deutlicher zu sehen als in den USA zwischen „denen da oben“ an beiden Küsten und jenen dazwischen: im industriell dahinrottenden Rust Belt und den herunter gekommenen ländlichen Gebieten. Ob die französischen Medien besser wissen – und berichten, was in ihrer Provinz los ist als die amerikanischen in ihrer, dürfen wir bezweifeln.