Die CDU-Parteibasis steht nicht mehr geschlossen hinter ihrer Kanzlerin. Und auch der Parteispitze ist längst klar, dass Angela Merkel unabhängig vom Streit mit der CSU-Schwester nicht mehr tragbar ist, weder für Deutschland noch für die EU. Sie hat ihr Vertrauen überall verspielt und wirkt immer öfter der Realität entrückt. Fast tragisch wirkt ihr Versuch, eine EU-europäische Lösung des Migrationsproblems herbeiführen zu wollen, das doch durch ihre Entscheidung zumindest verschärft wurde und zur Spaltung nicht nur unseres Landes, sondern auch der Europäischen Union maßgeblich beigetragen hat. Zwar wird sie in der EU noch von einigen Getreuen wie Juncker gestützt, die wissen, dass ohne deutsches Geld nicht viel gehen wird. Doch in Deutschland selbst wird die Luft für sie immer dünner. Das Einzige, was Merkel noch im Amt hält, ist die Angst ihrer Parteifreunde vor dem Königsmord. Es ist zu offensichtlich, dass die Kanzlerin müde, verbraucht und kraftlos ist. Ihre Zeit ist vorbei: der überfällige Neustart in Deutschland und Europa muss von anderen, jüngeren Politikern organisiert werden.
Die Realität erkennen
Wer die Zukunftsplanung Deutschlands und der EU angehen will, muss zunächst damit anfangen, sich mit der Realität auseinandersetzen. Die EU ist bereits im Zerfall-Prozess. Die blinde Zentralisierungswut der Brüsseler Beamten und die permanente Einmischung in nationale Belange wird zunehmend als Schikane der Bürger empfunden. Unterschiedliche Mentalitäten in den Mitgliedsstaaten brauchen unterschiedliche Lösungen. Jean-Claude Junckers Kommission versucht stattdessen, alle und alles gleichzumachen. Das System aus Rat, Kommission und EU-Parlament ist bei genauer Betrachtung alles andere als demokratisch. Das Parlament kann defacto nur abnicken, wovon es auch eifrig Gebrauch macht. Aber es kann ohne Kommission keine eigenen Gesetze durchsetzen.
Selbst minimale Zinsanhebungen kann sich die Euro-Zone nicht leisten, sie würden derzeit zum endgültigen Crash vieler ohnehin wackeliger Banken, vor allem in Italien, Spanien und Griechenland führen. Der deutschen Kanzlerin kam es in den letzten 10 Jahren seit Ausbruch der Finanzkrise nicht in den Sinn, in Brüssel klare Signale zu senden. Stattdessen taumelt sie nun dem französischen Staatspräsidenten Macron in die Arme und stimmt unter Umgehung des Bundestages einem Eurozonen-Haushalt zu, um sich in der Migrationskrise freikaufen zu können. Dabei ist ein Schuldenschnitt der Eurozone nahezu unausweichlich geworden. Die Frage ist, ob wir danach endgültig zu einer dauerhaften Transfer-Union übergehen, die die EU noch weiter spalten würde, oder ob wir endlich aufwachen und nach einer gemeinsamen Lösung zur Abwicklung des Euro suchen. Anstatt diverse Rettungsaktionen mit weiteren Rettungsschirmen und Hilfsfonds zu verschleiern, kann der Bürger hier von der Politik transparente Lösungsansätze erwarten.
Abwicklung des Euro nötig
Dazu kommt die jüngste Eskalation des Streits unter den EU-Mitgliedern in der Migrationsfrage. Viel zu lange hat Angela Merkel auch dieses Problem immer wieder vertagt und starrköpfig ihren fatalen Kurs der offenen Grenzen verteidigt. Die EU-weiten Wahlerfolge der Nationalisten in den letzten Monaten waren die logische Reaktion der Bürger. Europaweit wurde Merkels Politik der offenen Grenzen abgestraft. Die Bürger erwarten vom Staat zu Recht, dass er für Schutz und Ordnung sorgt, und erst jetzt scheint dieser simple Anspruch auch in der EU-Spitzenpolitik wahrgenommen zu werden. In Deutschland wurden 2017 nicht einmal ein Prozent aller Asylanträge positiv beschieden, 99 Prozent der Antragssteller sind Kriegsflüchtlinge oder reine Wirtschaftszuwanderer bzw. Versorgungssuchende in den europäischen Sozialsystemen.
Grenzschutz und Verteidigung
Dasselbe gilt für das vieldiskutierte europäische Verteidigungskonzept. Hier sollte EU-Europa tatsächlich stärker zusammenarbeiten, dies wäre ein echter Mehrwert für die Bürger. Länder wie Frankreich und England verfügen über militärische Erfahrung, die unserem gesamten Kontinent zugute kommen könnte, die uns selbstständiger unsere Interessen verteidigen ließe, ohne in unruhigen Zeiten nur auf den großen amerikanischen Bruder angewiesen zu sein. Es wäre auch die große Chance, Großbritannien wieder für den europäischen Gedanken zu gewinnen. Ein Europa ohne die älteste Demokratie ist auf Dauer nicht vorstellbar.
Deutschland und die Europäische Union brauchen dringend frische Köpfe und neue Konzepte. Einer, der endlich anpackt, anstatt wie Merkel alles tot zu taktieren, ist der österreichische Kanzler Sebastian Kurz. Österreich übernahm eben die Ratspräsidentschaft, das könnte nicht nur in der Asylfrage ein erster kleiner Hoffnungsschimmer und auch ein Vorbild für eine neue Generation deutscher Spitzenpolitiker sein.
Ulrike Trebesius ist Europaabgeordnete.