Nun wissen wir, warum sich die Situation in Deutschland (seit 2015) nicht gut anfühlt. Das hängt nicht nur mit einer zahlenmäßig hohen unkontrollierten Zuwanderung zusammen, als vielmehr mit der Ignoranz unserer Regierenden um Kanzlerin Merkel, die alle Warner mit einem Kloß im Hals und Unbehagen zurückgelassen hat.
Einmal, weil ihnen nicht zugehört wurde, als sie bereits früh und sachlich auf sich zukünftig abzeichnende Schieflagen hingewiesen haben; zum anderen, auch weil Fachleute und Experten des arabischen und islamischen Raums einfach ignoriert wurden – und werden.
Ein anderer, der noch streitbarer ist und einst selbst aus Syrien auswanderte, um damals im freien Deutschland sein Glück zu versuchen – ohne Kenntnisse der deutschen Sprache und ohne die hilfreichen Hände und Tipps gut organisierter Ehrenamtlicher und Bezuschusster, die ihm vieles hinterhertrugen, wie es heutzutage normal ist (obwohl auch das Ehrenamt bröckelt).
Der Politikwissenschaftler und – man kann es nicht oft genug wiederholen – der Erfinder des schnell in Verruf gebrachten Begriffs der „Leitkultur“, warnt immer wieder, wie vor anderthalb Jahren auf 3Sat in der Sendung „Vis-à-vis“ bei Journalist Frank A. Meyer; Die Offenbarung des Bassam Tibi, vor einer unbeschränkten Aufnahme von „Flüchtlingen” aus islamischen Kulturkreisen.
Es stünde nichts Geringeres, und Professor Tibi ist frei von jeder Polemik, als die Zukunft Europas auf dem Spiel. Zumal die Vorkommnisse tagtäglich eine deutliche Sprache sprechen.
Die Geschehnisse der Silvesternacht in Köln waren nur ein „Vorgeschmack“ dessen, was anschließend bundesweit weiterhin geschah, meint Professor Tibi.
Warum ist das konkret so, und warum werden Leute und Kenner der islamischen Kultur wie Professor Bassam Tibi, aber auch die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek, Ali Ertan Toprak sowie der Psychologe Ahmad Mansour ignoriert? Mansour betont immer wieder, das Prinzip der Integration sei falsch konzipiert: Nicht die aufnehmende Gesellschaft habe sich anzupassen, sondern der Zugewanderte müsse sich integrieren. Die Liste der Kenner der Materie läßt sich fortsetzen. Werden diese fast schon willentlich ignoriert?
Liest man die Serie zum Migrationspakt der UN von TE-Autor Tomas Spahn, so hat man den Eindruck, dass weniger Kanzlerin Merkel als vielmehr das Auswärtige Amt um SPD-Mann Heiko Maas, absolut beratungsresistent geworden sind.
Oder auch nur der Außenminister und seine engsten Referenten und Referentinnen selbst? Wer über sich selbst sagt, er sei wegen „Auschwitz“ in die Politik gegangen, wie auch SPIEGEL-Autor Alexander Osang, in einem gelungenen Porträt und fast schon „grübelnd“ über Heiko Maas festhielt, für den gibt es weiter darunter an Themen kaum noch etwas. Es sei angemerkt und der Autor recherchierte dazu, in den Jahren oder fast zwei Jahrzehnten davor, lässt sich kein Beleg zu dem von Maas genannten Grund „Auschwitz“ finden, der ihn dazu veranlasst hat, Politiker zu werden. Als habe er sich komplett neu definieren müssen, um seiner bisher erfolglosen Politikerkarriere eine tieferen Sinn zu geben. Den tiefsten.
Dadurch wird es auch für sachliche Kritik, egal von wem vorgetragen, auch sehr schwer, Heiko Maas‘ moralischem Anspruch überhaupt standzuhalten. Denn jede Kritik an der Zuwanderungspolitik oder wie aktuell am viele Fragen aufwerfenden Migrationspakt, macht aus jedem Kritiker einen Gegner der Regierung.
Es ist eine Unterstellung, aber genau in diesen Kategorien scheinen Teile der Regierung zu denken: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Fast schon ein „Undemokrat“, ganz sicher aber ein Rechtspopulist und neuerdings eben: Verschwörungstheoretiker.
Der Autor wurde noch so erzogen, sowie im Studium von guten Professoren darauf geeicht, stets skeptisch zu bleiben, wenn zu viele eine Richtung vorgeben möchten, obwohl nachweisliche Fehler erkennbar sind und zum Himmel schreien. Das Auswärtige Amt startet nun also eine Offensive gegen diejenigen, die den Migrationspakt kritisch sehen. Warum nur, wenn er doch nicht bindend zu sein scheint?
Heute wissen wir, dass statt vieler Ärzte und Ingenieure, hunderttausende mit wenig bzw. gar keiner Bildung zu uns kamen. Die meisten Bürger bekannten sich dennoch zur „humanitären Aufgabe“ des Staates. Was aber meint Bassam Tibi zur Situation allgemein? Der Gelehrte bei Frank A. Meyer: „Gegen diese Menschen habe ich nichts, sie fliehen vor Armut, aus der Despotie, aber sie bringen eine Weltanschauung des Ozeans der Gewaltherrschaft mit.“
Dazu muss man wissen, dass der für einen moderaten Islam einstehende und Vordenker einer „europäischen Leitkultur“ ist, sein Abitur in Deutschland nochmals absolvierte und anschließend bei Max Horkheimer und Adorno studiert hat. Bassam Tibi wurde von der Frankfurter Schule geprägt. Als junger Student, aus einer despotischen und patriarchalischen Kultur kommend, die er bewusst hinter sich gelassen hat. Bassam Tibi hatte anno 1998 die „europäische Leitkultur“, das Buch also, Marx Horkheimer gewidmet, der einst sagte: „Der Westen ist eine Insel der Freiheit, in einem Ozean der Gewaltherrschaft. Alle, die der kritischen Theorien verbunden sind, sind verpflichtet, den Westen gegen die Gewaltherrschaften zu verteidigen.“
Wer Bassam Tibi so erlebt, dann ist es auch nicht pathetisch, sondern authentisch, wenn er von sich sagt: „Das kann doch kein Fehler sein. Horkheimers Vermächtnis zu bewahren?“ Und wer behaupte, diese Einstellung sei Rechts, dem entgegnet Tibi, Horkheimer wurde von den Nazis verfolgt. „Ich möchte für dieses Europa mein Leben hergeben.“ Man nimmt es ihm ab. Bei Horkheimer und Adorno lernte er also „Ich denke, also bin ich“, in Damaskus hieß es immer, „Allah hat Dich erschaffen, und ihm musst Du dienen.“
Wieso ist es so, dass (fast) die gesamte deutsche Linke, sowie die linksliberalen Leitmedien größtenteils Experten und Kenner des Islams und der Region kaum wahr nehmen? Woran liegt das?
Seine Leitkultur sei nicht „Sauerkraut und Folklore“, wie sie der Grünen- Europapolitiker Cohn-Bendit einmal ins Lächerliche ziehen wollte, sondern einfach Freiheit und Gleichberechtigung. Ein Professor, der Tatsachen nüchtern und sachlich erklärt, und der weiß, wovon er redet.
Im Auswärtigen Amt, wo der Außenminister zur Zeit daheim ist, davor auch die anderen SPD-Granden, Sigmar Gabriel oder der jetzige Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, arbeiten auch Experten unter den zahlreichen Referenten. Zu gern würde man bei den Lagebesprechungen dabei sein. Oder in der Villa Hammerschmidt, wo die Agenda des Bundespräsidenten festgelegt wird.
Wird dort auch kontrovers diskutiert? Oder umgibt man sich als „Chef“ nur von, Fachleuten (andere meinen Ideologen oder Schmeichlern), die mit der gleichen Philosophie groß geworden sind – in der Sozialdemokratie?
Wird ein Bassam Tibi oder auch ein Experte wie Hamed Abdel-Samad oder Ahmad Mansour eingeladen, zu Kamingesprächen, oder liest man deren Expertisen? Wird überhaupt noch wahrgenommen, wie die Leute denken und was sie beschäftigt?
Oder ist alles, wirklich alles, dem Kampf gegen „Rechte“ und „Populisten“ untergeordnet? Was da wohl alles liegenbleibt …
Zum Thema (Rechts-)Populisten würde der Autor den Historiker Professor Jörg Baberowski, auch als Gewaltforscher bekannt und seit 2002 zudem Professor für „Geschichte Osteuropas“ an der Humboldt-Universität zu Berlin, empfehlen.
Würde ihm Heiko Maas Raum geben? Wie könne man als Verfechter des UN-Migrationspakts, zu denen Maas sich ja zählt, Bürger gewinnen. Selbst wenn viele Bürger die Verabschiedung des Konvolutes in Marrakesch skeptisch sehen?
Nein, wie befriedet man wieder die eigene Gesellschaft? Wie kann man zur Sachlichkeit zurückfinden, indem man eben nicht immer weiter die Bürgerschaft spaltet, jede Kritik als Populismus diffamiert; indem man immer wieder wiederholt, diese „wollen mit Fehlinformationen Angst schüren“. Fast schon ein Schüren durch die Regierung selbst.
Vielleicht würde Professor Baberowski, der neulich bei der NZZ in einem Interview berichtete, wie er sich vom Linken zum Liberal-Konservativen wandelte, den Politikern im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt erklären, wie der Populismus, der manchmal wirklich einfältig anmutet, überhaupt bei uns entstehen konnte.
Deshalb, so Baberowski, hätten es die Populisten auch einfach, den Bürgern zu sagen, dass die „Lüge das Zuhause der Politik sei“.
Es sei angemerkt, dass für diese Entwicklungen vor dem Erscheinen der „Populisten“ die Regierungen Verantwortung trugen; die Frage ist nun, wer, wenn nicht irgendwelche „Populisten“ hätte für einen Turn-Over bei den Bürgern und frustrierten Wählern denn sorgen sollen, wenn die etablierten „Volksparteien“ quasi in ihrem Saft der Selbstgefälligkeiten schmorten?
Das Land veränderte sich in den letzten vier Jahren rasch, und das Jahr 2015 bedeutet immer noch eine Zäsur. „Wandel und Ordnung“, sollten immer in einem ausgewogenen Verhältnis stehen, fügt Baberowski hinzu.
Und wenn in den Menschen das alte „Kopfkino“ läuft mit dem repräsentativen Regierungspolitiker, „der sich in liberale Posen wirft“, aber die Bürger verachtet, die die Dinge anders sehen als er selbst – hier spächen die Populisten die Leute und griffen ihre Sorgen auf.
„Die Bürger, die unten sind, spüren, dass sich die Regierenden oben kaum noch dafür interessieren“, was sie beschäftige (der Kern der SPD-Sinnkrise allgemein?).
Baberowski ist überzeugt, der „Verachtung der Bürger für die politische Elite“, ging die Verachtung der Politiker für die Bürger voraus. Es seien ja fast nur noch Staatsbeamte im politischen Bereich, und „kaum noch Arbeiter und Handwerker.“ Zu oft redeten und sprächen Politiker von einer dumpfen Masse, „Pöbel oder Pack“.
Ganz nach dem Motto, der Bürger müsse nur gut genug erzogen werden. Und der Bürger, der das spürt, verwandelt sich zu einem „Untertan“. Derjenige hingegen, der nicht erzogen werden will und der spürt, „dass er zu einem Untertan wird“ und das eben nicht wolle, müsse dies auch nicht. „Er hat nämlich eine Wahl“, so der Professor.
Egal ob in Köln, Kandel oder mehrmals in Freiburg und auch anderswo, „die Innere Sicherheit, Kern und Auftrag einer jeden Regierung“, und eines jeden Staates, scheint nicht mehr interessant genug zu sein.
Der Staat ist Garant eines gesellschaftlichen Schutzraums, zwar nicht für das Glück des Einzelnen, „aber für seinen Schutz“ sollte er zuständig sein. Diese Souveränität muss die Politik zurück gewinnen, mit einem Schutzraum, das sagen und meinen zu können, was man mag.
Im Falle von Bassam Tibi ist das ganz klar, „die Scharia und das Grundgesetz sind nicht miteinander vereinbar“, und wer immer um die eigene Geschichte ringe, müsse es auch bei der Integration zahlreicher Zuwanderer tun.
Jörg Baberowski würde der aktuellen Politik vielleicht diese Kernthese mitgeben: „Weltanschaulich neutral, aber ordnungspolitisch kompromisslos sein.“
Giovanni Deriu, Dipl. Sozialpädagoge, Freier Journalist. Seit 20 Jahren in der (interkulturellen) Erwachsenenbildung tätig.