Tichys Einblick
Kommerz politisch gefördert

Warum Ramadan gar nicht „happy“ ist

Unsere Autorin, gläubige Muslima, ärgert sich über das Aufsehen, das der Ramadan plötzlich in Deutschland genießt. Das zutiefst private religiöse Fest wird kommerzialisiert und seines Sinnes beraubt - wie vielerorts auch Weihnachten.

IMAGO / greatif

Ein leuchtender „Happy Ramadan“-Schriftzug ausgerechnet über der Frankfurter „Fressgass“, dann in Köln, in Berlin – und auch in der Schweiz. Coop verkauft erstmals Produkte für den Ramadan – und steht damit nicht allein.-
Die Schweizer Detailhändler entdecken den Ramadan. Ein Wandel sei auch in der Bevölkerung spürbar, berichten Muslime. Warum erst jetzt und warum so?

Ist das islamische Fest bald Teil unserer Alltagskultur?

Denn Muslime sind ja nicht erst seit gestern in den europäischen Gefilden anzutreffen. Käme Ramadan nicht ausgerechnet in diesen ideologisch geschwängerten Zeiten der Politik daher, würde kein Hahn danach krähen. Denn so ist der Westen nun mal. Kultur wird verramscht, Religion auch. Das ist der Common Sense. Und plötzlich gibt es nichts wichtigeres als Kultur und Religion, natürlich aber nicht die eigene. Eine fremde muss es schon sein.

Wir alle sollen plötzlich den Ramadan feiern. Vermeintlich ALLE. Als ich am Mittag in der Küche stehe und koche, fragt ein Moderator im Radio: „Wie findet ihr das, wenn man beim Fasten mal einen „cheat day“ einlegt? Lächerlicher kann es nicht werden. Aber das wurde es, denn als wäre es nicht schlimm genug, dass man beim Radiohören ungebeten mit religiösen Themen behelligt wird, kam dann Radioanruferin Sabine, 39, aus Gießen dazu: „Ich finde, jeder darf so fasten wie er möchte.“ Getreu nach dem Motto: jeder soll Weihnachten feiern wie er will und wann er will. Deutscher geht es nicht.

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Aber da Ramadan eben nicht deutsch ist, und weil er niemals deutsch fabriziert werden kann, erübrigt sich diese Frage danach, so als sei Ramadan eine Frage des Lifestyles. Denn: Es ist eine religiöses Ritual mit klaren Regeln, einem klar gesetzten Zeitrahmen und hat nichts mit dem normalen Alltag eines durchschnittlichen Menschen zu tun. Oder rennen Christen das ganze Jahr auf dem Jacobsweg herum und „cheaten“, indem sie auch mal Bus fahren?

Erstaunlich ist nur die Tatsache, dass es so lange gedauert hat, bis man die Goldgrube des kommerzialisierten Ramadans entdeckt hat – man schlachtet ja christliche Feste bereits seit sehr langer Zeit kommerziell aus, bis der eigentliche Sinn im Nirvana verschwunden ist. Aber jetzt endlich ist auch Ramadan da. Jetzt gibt es auch die passende Leuchtschrift dazu und nun ist Europa wieder ein bisschen besser geworden mit Weihnachten auf muslimisch, mitten im März. Der Bundespräsident, der Kanzler und sein Vize gratulieren. Wozu eigentlich? Seit wann gratuliert man zur Fastenzeit, die es ja in den christlichen Religionen auch gibt?

Nur eines lässt mich nicht los, bei all dem Zauber um den neuen „Trend“: wo bleibt der Aufschrei? Und ich meine nicht den Aufschrei jener, die immer noch noch vom christlich säkularisierten abendländischen Deutschland träumen. Ich meine den Aufschrei von Muslimen.

Schön leuchten nun die Lichter mit„Happy Ramadan“ in größeren Städten. Aber schon hier scheitert es.
An Ramadan ist nix „happy“, sondern immer nur dann, wenn das Un-Fest endlich vorbei ist.

Es handelt es sich eben nicht um ein „happy“ Ereignis.
Ramadan ist keine Party, schon gar kein Trend.
Ramadan ist auch kein bestialisches Hungern.
Und derjenige, der fastet, braucht und darf dafür keinen Beifall bekommen.

Seit wann man muss man Fastenden gegenüber auch Rücksicht nehmen? Das widerspricht komplett dem, was Ramadan eigentlich einem Fastenden bedeutet: Nämlich Körper und Geist zu reinigen. Der Verzicht auf die körperlichen Freuden und auf Nahrung soll zu mehr Empathie mit Bedürftigen beitragen. Manche behaupten, es war Training für die Kriege. Das macht die Sache nicht besser. Trainieren für den heiligen Krieg in der Freßgass – ziemlich happy?

Es sollte sich vielmehr um etwas sehr Privates handeln, das eigentlich keinerlei Aufmerksamkeit bekommen darf, sondern in Demut gehalten werden. Ein Muslim, der sein Fasten ernst nimmt, käme im Leben nicht auf die Idee, dafür beglückwünscht werden zu wollen. Was tut er denn? Er entscheidet sich freiwillig dafür, sich so zu fühlen wie ein Bedürftiger dies tagtäglich tut. Weil er muss. Wer beklatscht die unfreiwillig Bedürftigen, die keine Entscheidungsgewalt darüber mehr haben, wie sie leben?

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Das ist in etwa so, als würde man Applaus erwarten, wenn man einem Obdachlosen Geld in den Becher wirft. Wie ekelhaft. Aber ja, es wird immer ekelhafter. Erkennen wir hierin nicht einen gewissen „Trend“ unter Gutmenschen westlicher Gesellschaften der letzten zehn, fünfzehn Jahre? Sich ganz besonders moralisch hervorzutun, indem man mit guten Taten begleitet von Toleranz bis zur Selbstverleugnung hausieren geht. Und genau darum geht es unterm Strich: So tun, als ob.

Die Märkte haben es auch endlich verstanden. Endlich sind sie da, Ramadan-Dekoration, Ramadan-Kalender, nun auch zu kaufen in diversen Einzelhandelsgeschäften. Und sie tun so, als ob es einen tieferen Sinn hätte. Als ginge es um Nächstenliebe und Vielfalt.

In meinem ganzen Leben habe ich vorher noch nie Ramadan-Dekoration gesehen und ich bin sicher: Bei gläubigen Muslimen werde ich sie auch weiterhin nicht sehen. Gläubig bedeutet, sie fasten einfach. Brechen das Fasten bei Sonnenuntergang und eröffnen es wieder mit Sonnenaufgang. Ohne „Happy“ und Palaver. Ohne gar nichts. Das ist Fasten. Einfach mal alles ohne gar nichts. Man darf während des Fastens im übrigen auch keinen Urlaub von der Arbeit verlangen oder ihn sich einfach nehmen. Das wäre ein Bruch. Ohne wenn und aber. Aber viele Hobby-Muslime überakzentuieren ihr Leid und erwarten Beifall dafür oder wenigstens freie Tage. So tun als ob und andere damit belasten.

Echte Muslime wissen das, und echte Muslime haben auch nie nach Lichtern verlangt, genauso wie kein Muslim sich je diskriminiert gefühlt hat, weil der Weihnachtsmarkt „Weihnachtsmarkt“ heißt. Im Gegenteil. Das machen deutsche Politik, NGOs und deutsche Medienvertreter. Niemand sonst.

Dies sollen ja Gesten der inklusiven Vielfalts-Politik sein. Politische Symbole für eine offene Gesellschaft. Aber sie spalten und spalten immer nur weiter.

Es scheint vordergründig auch zu funktionieren, zumindest möchten das jene glauben, die aus welchen Gründen auch immer denken, dass es längst an der Zeit war, auch muslimische Feste öffentlich mehr zu würdigen. In einem säkularisierten Land ist das natürlich nachvollziehbar. Würdigen heißt hier im Westen aber auch: kommerzialisieren. So wie es mit Weihnachten passiert.

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Und so wird nun auch Ramadan ganz folgerichtig dem Markt zum Fraß vorgeworfen. Das ist eine Tatsache, die ausnahmslos jeden Gläubigen zutiefst abstößt. Viele Muslime stößt ab, was die Saudis in Mekka abziehen. Sie profitieren mit überteuerten Hadsch-Reisen, im deutlichen Wissen darüber, dass so viele Leute arm sind und der Gang nach Mekka für sie durch die Preise nahezu unerreichbar wird, sodass nicht selten die Familien Gelder zusammenkratzen müssen, damit Großmutter oder Großvater sich diese „Luxus-Reise“, die für die letzte Reise in den Himmel notwendig ist, ermöglicht werden kann.

Nicht selten werden dafür teilweise Kredite genommen – sogar angeboten – ohne Zinsen versteht sich. Zinsen sind nämlich Sünde, aber 8.000 Euro für eine Runde in Mekka nicht. Und wer keine Familie hat, wer kein Geld hat und diese Reise nicht antreten konnte …. ja, der liegt in den letzten Minuten vor seinem Ende mit inneren Qualen da, weil er die fünf Säulen seines Glaubens nicht mehr bewältigen konnte und in dem Glauben verbleibt, dafür in die Hölle zu kommen. Gläubige Menschen auszubeuten hat nicht nur in Deutschland System, sondern ist weltweit ein Erfolgsmodell für finanziellen Profit.

„Happy Ramadan“ ist nichts weiter ist als eine weitere Geldmaschine, die nun endlich in die Gänge kommt und unentwegt druckt.

Aber an dieser Stelle ist es noch viel interessanter, für wen sie druckt. Waren es vorher die kleinen türkischen, arabischen oder sonstigen Obst-, Gemüse- und Haushaltswaren-Händler, die ihre Leute mit einheimischen Produkten – auch mit „Ramadan-Produkten“ versorgten, sind es jetzt internationale Konzerne, die die Datteln in so großen Mengen einkaufen und dadurch so günstig verkaufen können, das der kleine Einzelhandel bald dicht machen kann. Und die kleinen Einzelhändler, die kleinen geschätzten Händler, machen vielfach dicht. Konzerne zerstören finanziell die ach so heiß geliebten Minderheiten. Dann noch jene, die mitunter seit Jahrzehnten fleißig sind, sich an sieben Tagen die Woche Mühe geben, auf eigenen Beinen zu stehen und den Lebensunterhalt von ihrer eigenen Hände Arbeit zu bestreiten.

Dabei handelt es sich eindeutig um kulturelle Aneignung und Ausbeutung, um kommerzielle Entwertung einer Religion und Kultur. Die Profiteure sind ganz sicher nicht die armen muslimischen Minderheiten in Europa, sondern die Konzerne, deren einzig wahres Interesse an Vielfalt in Profiten in ihren Kassen besteht.

Es sind immer dieselben, die sowieso schon so reich sind, dass sie weder den Himmel des Islams noch den des Christentums bräuchten, weil für sie das Diesseits bereits himmlisch ist.

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