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Warum Linke Rechte brauchen

Linken geht es nur vordergründig darum, Rechte zu schwächen. Viel wichtiger ist ihnen, sich durch den Kampf gegen Rechts gegenseitig in der Gewissheit zu versichern, auf der Seite der Guten zu stehen.

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Linke betonen stets, Rechten ohne Wenn und Aber entgegenzutreten. Doch bei genauerer Betrachtung werden viele Widersprüche offenbar. Tatsächlich brauchen die Linken die Rechten.
 Linken geht es nur vordergründig darum, Rechte zu schwächen. Viel wichtiger ist ihnen, sich durch den Kampf gegen Rechts gegenseitig in der Gewissheit zu versichern, auf der Seite der Guten zu stehen. 

Eine Linke, der es wirklich darum ginge, die Rechte zu schwächen, würde sich in vielen Punkten gänzlich anders positionieren.

Freude über Terroranschläge

Dieser scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man bedenkt, dass ihrerseits die AfD den Islam liebt – oder es zumindest liebt, den Islam zu hassen. Nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz 2016 zeigten sich mehrere ihrer Politiker intern hocherfreut – schließlich ließ sich das Thema im Wahlkampf ausschlachten. Alexander Gaulands Einschätzung, die Flüchtlingskrise, die Mord und Vergewaltigung nach Deutschland brachte, sei ein „Geschenk“, sollte noch jedem bekannt sein. Der Amoklauf von München 2016 und die Amokfahrt von Münster 2018 wurden bereits nach Eintreffen der ersten Meldungen von der AfD zum islamischen Terroranschlag erklärt – was sich im Nachhinein als falsch herausstellte. Der Wunsch nach neuer Wahlkampfhilfe war wohl allzu groß.

Aber sind Linke diesbezüglich wirklich besser als Rechte?

 Nach dem rassistischen Massaker von Hanau im Februar 2020 hieß es gleich, die AfD müsse zur Verantwortung gezogen, am besten gleich verboten werden. Auch dies ist eine (bei islamischem Terror viel gescholtene) Instrumentalisierung. Denn ein Zusammenhang zwischen Täter Tobias Rathjen und der AfD, wie er von der Linkspartei bis hin zur CDU hergestellt wurde, konnte nicht zweifelsfrei belegt werden. Anders als beispielsweise beim NSU, der sich tatsächlich auf die Rückendeckung einzelner NPD-Funktionäre verlassen konnte (was die vielen offenen Fragen beim Stichwort NSU nicht beantwortet).

Rathjen war geistig schwer verwirrt und hatte sich vermutlich völlig unabhängig vom politischen Klima radikalisiert. An einem AfD-Stammtisch wäre er wahrscheinlich schnell negativ aufgefallen. Seine Wahnvorstellungen dürften auch einer Partei, die immer wieder mit Verschwörungstheorien liebäugelt, sauer aufstoßen. Wenn überhaupt müsste man die Frage stellen, warum es in Deutschland noch immer so schwierig ist, psychisch kranke Menschen zwangseinzuweisen.

 Laut einem Tweet Liane Bednarz‘, die sich als Rechtspopulismusexpertin verstehen will, war es ein glücklicher Zufall, dass die zeitliche Nähe zwischen dem Hanauer Anschlag und der Hamburger Bürgerschaftswahl es erleichtern würde, die AfD für ihre Politik abzustrafen.

Auch beim rassistischen Anschlag auf eine Moschee im neuseeländischen Christchurch mit 51 Toten wurden Vorwürfe an die AfD laut. Diese habe ein solches Massaker geradezu herbeigesehnt, würde sich aber zumindest nicht von dem Verbrechen distanzieren. Dabei gab es mehrere solcher Distanzierungen aus der AfD.

Offenbar wünschen viele Linke sich einen Gegner, der offen mit rechtsextremen Morden sympathisiert.

Freude über islamischen Terrorismus sind nicht allein auf die AfD begrenzt. 2003 marschierte die US-Armee im Irak ein. Es folgten jahrelanges Chaos und verheerende Terroranschläge – ganz so wie es die Antikriegsbewegung prophezeit hatte. Doch George W. Bush war zum Umdenken bereit. 2007 gelang es ihm, mit einer massiven Truppenaufstockung die Bedrohung durch Islamisten signifikant zu reduzieren – umgekehrt erleichterte der von Barack Obama befohlene Abzug der US-Armee den Aufstieg des IS. Die Demokraten waren gegen Bushs Truppenaufstockung und die Republikaner gegen Obamas Truppenabzug. Doch viele Linke weigerten sich, die sinkende Zahl der Terroranschläge anzuerkennen. Ja wäre es ihnen lieber gewesen, dass weitere zehntausende Iraker gestorben wären, nur um an ihrem antiamerikanischen Feindbild festzuhalten?

Künstlich aufgeblähte Terrorstatistik

Im vergangenen Jahr berichtete das ZDF, die Zahl der rechtsextremen Terrorakte habe sich verdreifacht. Das stimmt allerdings nur, wenn man auch Vorfälle mitzählt, die keinen Bezug zum Rechtsextremismus haben. Zum anderen bedeutet eine Verdreifache der Terrorakte nicht zwangsläufig auch einen Anstieg der Todesopfer, denn ein Terroranschlag kann misslingen oder nur Verletzte fordern. Tatsächlich war die Zahl der rechtsextremen Todesopfer sogar gesunken – aber dieser Fakt hätte sich eben weniger gut instrumentalisieren lassen. (Derzeit ist allerdings tatsächlich ein Anstieg der rechtsextremen Todesopfer zu beobachten, z.B. durch das eingangs erwähnte Christchurch-Massaker.) 

In der Berichterstattung über den Brexit häuften sich die Befürchtungen über ein Wiederaufflammen des Nordirlandkonflikts in so auffälligem Maße, dass man fast schon vermuten konnte, die deutsche Presselandschaft hoffe auf baldige Bombenanschläge der IRA – denn dann ließe sich Boris Johnson umso deutlicher als bösartiger Demagoge porträtieren. Obwohl diese Warnungen nun schon seit vier Jahren erklingen: bislang blieb es in Nordirland ruhig.

Unterstützung für Marine Le Pen



Ähnlich wie die AfD lieben die deutschen Medien auch den Front National (heute Rassemblement National) in Frankreich. In der Berichterstattung war immer wieder zu lesen, wie stark die Partei Marine Le Pens sei. Immerhin: bei der Präsidentschaftswahl 2017 erzielte sie ein Drittel aller Stimmen. Mehrfach wurde betont, dass die Partei über 1.500 Gemeinderäte und elf Bürgermeister stelle. Bei ca. 140.000 Gemeinderäten insgesamt sind das aber nur 1%. Und die bedeutendsten Bürgermeister des Front National regieren einen Stadtteil Marseilles und Fréjus, eine Stadt mit gerade einmal 50.000 Einwohnern.

Diese Informationen wurden aber verschwiegen – ebenso wie die Zahl der Parlamentssitze: 7 von 577 Sitzen in der Nationalversammlung, nur ein einziger von 348 Sitzen im Senat. Warum berichten die deutschen Medien so, als wären sie die PR-Abteilung des Front National? Schließlich wäre es effektiver zu sagen, dass die rechte Partei in Frankreich keine Rolle spielt. 

Und überhaupt, wie erklärt sich dieses Missverhältnis? Wie kann man bei einer Präsidentschaftswahl ein Drittel aller Stimmen gewinnen, aber gerade einmal zwei der insgesamt 101 Départements?

Die Antwort liegt im französischen Mehrheitswahlrecht. Im ersten Wahlgang treten alle Parteien gegeneinander an. Üblicherweise geht der Front National daraus siegreich hervor. Da er jedoch praktisch nie 50% aller Stimmen auf sich vereint, kommt es zur Stichwahl, in der sich alle Parteien gegen rechts zusammenfinden. Der ursprüngliche Sieg verpufft so vollständig. Dieses Prinzip gilt sowohl für die Präsidentschaftswahlen wie auch für den einzelnen Wahlkreis.

 Für den deutschen Leser, der mit diesen Feinheiten nicht vertraut ist, entsteht so der Eindruck, in Frankreich stünde die Machtergreifung Marine Le Pens kurz bevor. Und genau das ist insgeheim der Traum der deutschen Presselandschaft. Je mächtiger der Front National erscheint, umso edler sind jene, die ihm publizistisch entgegentreten.

Rassismus nimmt ab – leider für einige

Wer Rassismus ablehnt, sollte sich eigentlich über einen Rückgang des Rassismus freuen – oder etwa nicht?

 Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Rassismus ist in den USA auf dem Rückzug. 
Im Jahr 2008 wurde Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der USA gewählt. Doch dieser Trend beschränkt sich nicht auf die demokratische Partei. Im ehemaligen Sklavenhalterstaat South Carolina kann sich der schwarze Republikaner Tim Scott auf die Unterstützung der weißen Wähler verlassen. Er erzielt sogar bessere Ergebnisse als sein weißer Parteifreund Lindsey Graham. (Ein US-Bundesstaat hat stets zwei Senatoren.)

Die Gefahr für einen Schwarzen, einem rassistischen Mord zum Opfer zu fallen, betrug einst das ca. 250-fache(!) des heutigen Wertes. Eheschließungen zwischen Weißen und Schwarzen haben sich in den vergangenen 50 Jahren verzwanzigfacht.

 Eigentlich sollte dies Grund zur Freude sein – aber nicht, wenn man das Feindbild vom rassistischen Amerikaner so liebgewonnen hat, dass man sich einfach nicht davon verabschieden will. 

Der Wunsch, den armen, unterdrückten Schwarzen zur Seite zu stehen, ist so stark, dass man Rassismus sieht, wo keiner ist. Immer wieder berichten die Medien, dass die US-Polizei aus rassistischen Motiven Schwarze erschießt. Fakt ist aber: Die Schwarzen wurden erschossen, weil sie kriminell, nicht weil sie schwarz waren – was sich an der doppelt so hohen Zahl erschossener weißer Krimineller ablesen lässt. Aber solche Details stören, deswegen finden sie nicht den Weg in die Berichterstattung.

Geheuchelte Trauer

Um kräftig auf die Tränendrüse zu drücken, wurde der Todesfall Tamir Rice instrumentalisiert. Der 12-jährige Schwarze war von einem weißen Streifenpolizisten erschossen worden, weil dieser dessen Softairwaffe mit einer echten Waffe verwechselt hatte. Der Beamte galt generell als inkompetent, erzielte schlechte Leistungen bei Übungen auf dem Schießstand und rief dem verletzten Jungen noch einen Krankenwagen herbei. Ein tragischer Unfall wurde durch das gezielte Auslassen von Fakten zum kaltblütigen Mord umgedeutet.

 Dass aber unter vergleichbaren Umständen auch der 14-jährige Schwarze Cameron Tillman erschossen wurde, fand nie Eingang in die deutsche Berichterstattung. Warum? Wohl weil der Polizeibeamte in diesem Fall selbst ein Schwarzer war.

Parallelen bestehen auch zum Mordfall Khaled Idris Bahray. Der Eritreer war im Januar 2015 erstochen in Dresden aufgefunden worden. Zwei Wochen später stand fest, dass der Täter sein ebenfalls eritreischer Mitbewohner war. In den Tagen zuvor hatte die Linkspartei jedoch die Polizei dazu aufgefordert, im rechten Milieu zu ermitteln. Deutschlandweit protestierten tausende Menschen gegen Rassismus. Als der tatsächliche Täter gefasst war, war Bahray schnell vergessen. Denn was viele Linke erhofft hatten – nämlich dass man die ungeliebte PEGIDA-Bewegung für einen Mord verantwortlich machen konnte – hatte sich nicht erfüllt.

Ähnliche Denkmuster auch im Islam

Und so zeigt sich: Hinter den hehren Motiven der Linken verbirgt sich nicht die Absicht, Schwarzen zu helfen, sondern Weißen zu schaden. Ähnlichen Denkmustern begegnet man auch im Nahostkonflikt. Die Lage der Palästinenser im Gazastreifen wird tagtäglich von der arabischen Welt im Kampf gegen Israel instrumentalisiert. Klagen über die Diskriminierungen der Palästinenser im Bruderstaat Syrien vernimmt man deutlich seltener. No Jews, No News. 

Rivalen, keine Gegner

Am ehesten lässt sich das Verhältnis von Linken zur AfD als Rivalität, nicht als Gegnerschaft bezeichnen. Ein Experiment aus der Psychologie mit Fußballfans verdeutlicht diesen Umstand.

 Fans eines bestimmten Vereins wurden befragt, auf welcher Platzierung sie ihren eigenen Verein und den jeweiligen Erzrivalen am liebsten sähen. Wenig überraschend möchten Fußballfans, dass ihr Verein auf Platz 1 steht. Und natürlich wünschen sie ihrem jeweiligen Rivalen eine schlechte Platzierung – aber eben nicht so schlecht, dass ihm tatsächlich der Abstieg droht.

Denn in diesem Fall käme es nicht mehr zu den identitätsstiftenden Begegnungen wie z.B. dem Ruhrderby zwischen Dortmund und Schalke. Würde der Rivale absteigen und somit nur noch zweitklassig sein, wäre ein Sieg auch nur noch halb so viel wert. Ein Boxer wird schließlich kaum stolz darauf sein, einen Rentner K.O. geschlagen zu haben.

 Auf die politische Sphäre übertragen heißt das: Linke wünschen der AfD ein möglichst schlechtes Wahlergebnis, das aber immer noch über der 5%-Hürde liegt. Denn ein Ausscheiden der AfD aus dem Parlament würde auch die identitätsstiftende Rivalität verblassen lassen.

Protest als Happening



Dass derartige Überlegungen alles andere als hanebüchen sind, zeigen die Videos von Roger Beckamp, Abgeordneter der AfD aus NRW. Immer wieder besucht er Demonstrationen, die sich gegen seine Partei richten. Zwar stellt Beckamp provokante Fragen, doch bleibt er stets höflich und lässt sein Gegenüber ausreden. In den meisten Fällen kommt es jedoch nicht ansatzweise zum Dialog. Seine Gegenüber zeigen sich hasserfüllt und bleiben doch im Ungefähren. Immer wieder betonen sie die menschenverachtenden Inhalte des AfD-Parteiprogramms, können diese auf Nachfrage aber nicht benennen. Ihre einstudierten Parolen gleichen den Fangesängen im Stadion und auch das Zeigen von Transparenten oder Symbolen ähnelt sich. Ebenfalls lässt sich spüren, dass es den Demonstranten weniger darum geht, sich gegen die AfD zu positionieren, sondern vielmehr darum, Teil eines Happenings zu sein.

Eigentlich sollten die deutschen Medien Friedrich Merz bejubeln. Schließlich hatte er angekündigt, die AfD zu halbieren, indem er deren gemäßigte Wähler wieder für die CDU zurückgewinnen wolle. Aber ausgerechnet die größte Bedrohung, die je für die AfD bestand, stößt auf wenig Gegenliebe. Die Medien zeichnen Merz als Mann von gestern, dem es nicht um das Wohl des Landes, sondern nur um das eigene Bankkonto gehe.

Bloß nicht der AfD schaden

Sascha Lobo meinte im SPIEGEL, dass diese Strategie in der Entstehungsphase der AfD vielleicht noch begrenzten Erfolg gehabt hätte. Mittlerweile seien die AfD-Wähler so lange durch ihre Partei radikalisiert worden, dass Merz‘ Vorhaben nicht mehr realistisch sei. Lobo will einfach nicht (wahrhaben?), dass es möglich ist, die AfD zu schwächen.

 Hasnain Kazim forderte, dass man AfD-Wähler nicht ansprechen, sondern ausgrenzen solle. Seine Überlegungen zielen darauf ab, die AfD im parlamentarischen Betrieb zu isolieren. Ihren Einzug als solchen ins Parlament verhindern können sie nicht. Gerade dadurch dass er AfD-Wähler aus der Mehrheitsgesellschaft ausschließen will, sorgt er erst recht dafür, dass diese nur noch untereinander in Kontakt treten und ihre Argumente untereinander in einer Filterblase verstärken.

Yassin Musharbash klagte in der ZEIT, dass Deutschland mit dem Einzug der AfD in den Bundestag 12.6°C Grad kälter geworden sei. Er erwähnte die Wahlanalysen, aus denen hervorging, dass viele AfD-Wähler Protestwähler seien und die rechtsextremen Äußerungen des Flügels kritisch sähen. Doch Musharbash entschloss sich einfach, diesen Zahlen nicht zu glauben. Im anderen Ende des politischen Spektrums hätte man diese Haltung wohl als „Alternative Fakten“ bezeichnet. Doch warum will Musharbash diesen Zahlen nicht trauen?

Tatsächlich zieht die AfD Protestwähler, Verschwörungstheoretiker, Konservative und Völkische gleichermaßen an. Doch wer es liebt, die AfD zu hassen, dessen Hass muss total sein. Und so erblickt Musharbash in jedem AfD-Wähler einen Nazi.

 Dass SPD und CDU nach der Bundestagswahl schnell verkündet hatten, AfD-Wähler zurückzugewinnen, mache ihn „extrawütend“. Warum? Will er etwa nicht, dass der Stimmanteil der AfD sinkt? Man dürfe nicht „potentiellen Wählern hinterherlaufen“, sondern müsse Haltung zeigen. Wer die AfD nur als dämonische Kraft will, der begreift nicht, dass manche ihrer Forderungen auch berechtigt sind. Eine Frau, die nicht mehr allein durch den Wald joggen will, muss einem Flüchtling noch lange nichts Böses wünschen. Vielleicht hat sie auch einfach nur Angst.

Sehnsucht nach Diskriminierung



Beim Gang durch Berlin zählt Musharbash ständig die Fußgänger ab. Jeder achte wolle ihn nicht mehr im Land haben. 

Doch das lässt sich ausschließen. Musharbashs Vater ist jordanischer Christ, seine Mutter Deutsche. Die jordanischen Wurzeln sieht man ihm nicht an, er spricht akzentfrei deutsch. Schwer denkbar, dass ihm auf der Straße Abneigung entgegenschlägt. Es scheint so, als wünsche Musharbash sich geradezu herbei, angepöbelt zu werden. Denn ohne seinen fremdländischen Namen wäre er nur ein weiterer weißer, heterosexueller Mann – also das Böse schlechthin.

Dass es eine solche Sehnsucht tatsächlich gibt, zeigt das Beispiel Rachel Dolezals. Die weiße Aktivistin hatte sich mit Makeup und Lockenwickler als Schwarze ausgegeben und an sich selbst anonyme rassistische Drohbotschaften geschickt. Beim Kampf gegen Rechts geht es vor allem um die Attitüde, das Zurschaustellen der eigenen moralischen Überlegenheit. Wirkliche Resultate sind gar nicht erwünscht.

Kontraproduktives Handeln

Die linke Islamkritikerin Seyran Ateş klagt schon seit über einem Jahrzehnt, dass die linke Ignoranz gegenüber den negativen Seiten des Islam auf lange Sicht nur die Rechten stärken würde. Ihre Warnungen verhallten ungehört. 2013 bestätigte sich mit der Gründung der AfD, dass sie völlig richtig lag, dennoch begannen die Linken nicht, ihre Haltung zu hinterfragen.

2014 wurde in Dresden mehrfach „Lügenpresse“ skandiert. Die journalistische Klasse hätte den Schlachtruf im Handumdrehen zum Verstummen bringen können. Wenn es den Journalisten darum ginge, die Rechten zu schwächen und den Vorwurf zu entkräften, müssten sie lediglich ehrlich berichten – aber vielleicht geht es ihnen ja gar nicht darum?

 PEGIDA hätte die Generalprobe für das Jahr 2015 werden können.

Die Flüchtlinge sind keine Terroristen, sondern fliehen vor Terrorismus. Zu uns kommen vor allem Frauen und Kinder. Die Flüchtlinge sind zwar nicht kriminell, dafür aber gut gebildet. In der Kölner Silvesternacht gab es keine besonderen Vorkommnisse.

Die Medien wussten, dass sie mit diesen Lügen den Rechtsruck befeuern würden – und taten es trotzdem! Nach dem Abgang des Parteigründers Bernd Lucke war die AfD in Umfragen unter die 5%-Hürde gerutscht. Erst mit der Politik der Grenzöffnung ging es wieder steil bergauf.

Und auch die staatlich alimentierten Rechtsextremismusforscher können kaum ein Interesse am Verschwinden der AfD haben – schließlich verdanken sie ihr ihren Job.

 Immer wieder ist von Antisemitismusforschern zu vernehmen, dass der jeweils aktuelle Fall von Antisemitismus einem Anstieg oder einer Rückkehr der Judenfeindschaft gleichkomme. Ganz stimmen kann das nicht. Denn verlängert man diesen Trend rückwärts in die Vergangenheit, hieße das, dass das Adenauer-Deutschland nahezu frei von Antisemitismus gewesen sein muss.

Doch in der Debatte um Entschädigungszahlungen an den noch jungen Staat Israel erklangen vor allem antisemitische Töne.

 Bundeskanzler Konrad Adenauer hoffte in Einklang mit seiner Regierung, durch „die große wirtschaftliche Macht des Judentums in der Welt“ würden sich die Entschädigungszahlungen „reichlich lohnen“. Finanzminister Fritz Schäffer (CSU) war besorgt, „die hochgespannten Erwartungen des Weltjudentums“ nicht erfüllen zu können. Der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Walter Hallstein, fürchtete eine„Boykotthetze“ gegen Deutschland. Ernst Féaux de la Croix, Ministerialbeamter im Finanzministerium (vormals angestellt im NS-Justizministerium), sah das „Weltjudentum“ und die „Familie Rothschild“ hinter der Forderung nach Wiedergutmachung.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus

Teilweise zeigen sich Schnittmengen zwischen Links- und Rechtsaußen. Sowohl in der Linkspartei wie auch in der AfD tummeln sich Antiamerikaner und Antizionisten. Einigkeit besteht ebenso bezüglich Putins Annexion der Krim oder der Solidarität mit Assad. Verschwörungstheorien über die „wahren“ Hintermänner des 11. September 2001 finden sich in beiden Lagern. Auch innenpolitisch gibt es Überschneidungen. AfD und Linkspartei liebäugeln mit einem Untersuchungsausschuss bezüglich der Treuhandanstalt.

Balsam auf die ostdeutsche Seele, die sich als Opfer westdeutscher Machenschaften fühlt. „Lügenpresse“ und „bürgerliche Presse“ sind zwei Seiten der selben Medaille – ganz abgesehen davon, dass die SED die Westpresse ebenfalls als „Lügenpresse“ beschimpfte.

Einfaches Gut-Böse-Schema



Warum bevorzugen Linke Themenfelder, die sich mit einem einfachen Gut-Böse-Schema erklären lassen? Natürlich, weil sie sich intuitiv zu den Guten zählen. Aber vor allem deswegen, weil man bei derart simplen Fragen kaum falsch liegen kann. 

War das reine Männerwahlrecht frauenfeindlich? Natürlich! Aber die Lösung lag auf der Hand: Frauen das Wahlrecht gewähren.

 War die Rassentrennung rassistisch? Natürlich! Aber die Lösung lag auf der Hand:
 Die Rassentrennung aufheben.

Komplexere Sachverhalte wie beispielsweise eine Arbeitsmarktreform lassen sich mit einer einfachen Formel von Gut und Böse nicht erklären. Eine solche Reform könnte einen positiven Effekt haben, völlig wirkungslos sein oder sich sogar negativ auswirken. Vielleicht ist die Reform zu teuer, vielleicht entstehen neue Arbeitsplätze nur im Niedriglohnsektor, vielleicht verlagern Firmen ihre Fabriken ins Ausland etc. Noch dazu lässt sich eine erfolgreiche Arbeitsmarktreform nicht immer als Erfolg verkaufen. Manchmal weil es schlicht Jahre dauert, bis die Reformen greifen, manchmal weil nicht ganz klar ist, ob eine Besserung auf dem Arbeitsmarkt wirklich dem neuen Gesetzespaket zu verdanken ist oder eben einer guten weltweiten Konjunkturlage.

 Völlig klar, dass Linke sich voll Inbrunst auf den Kampf gegen die AfD konzentrieren – hier können sie eher punkten als im eher langweiligen Politikalltag.

Und vor allem gilt: Der Kampf gegen die AfD ist das Bindeglied, das die sonst so zerstrittene Linke eint.


Lukas Mihr

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