Tichys Einblick
Dschendern in Dschörmeni

Warum Gender-Sprache irreführt

Man darf eigentlich nicht mehr von Sprachverhunzern sprechen, sondern nur von Sprachverhunzern und Sprachverhunzerinnen, oder von SprachverhunzerInnen. Es ist ein Irrweg, mühsam und teuer, der nicht befolgt werden wird.

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Jetzt hat die Stadt Hannover im Amtsgebrauch die gendergerechte Sprache eingeführt. Statt mit „Liebe Kolleginnen und Kollegen“ sollen offizielle Schreiben des Betriebsrats künftig mit „Liebe Kolleg*innen“ beginnen. Wörtlich heißt es darüber hinaus: Das Sternchen* zwischen der maskulinen und femininen Endung soll in der Schriftsprache als Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten dienen und hebt gezielt den Geschlechterdualismus auf. Beim Vorlesen wird der „Gender Star“ durch eine kurze Atempause (vulgo: Stottern) gekennzeichnet. Er ersetzt das bisher verwendete Binnen-I.“ „Diskriminierungsfrei“ und „geschlechtergerecht“ nennt sich dieser Unfug.

Normale Sätze sind zu verständlich

Es begann wohl in den USA: Irgendwann gelangten Leute zu der Idee, normale englische Sätze wie „Everybody can do what he wants“ und „Who has forgotten his pencil?“ nicht mehr okay zu finden. Sie störten sich daran, dass die Sätze „he“ bzw. „his“ enthalten, also eine maskuline Form – die aber in diesem Zusammenhang allgemein gemeint ist. Man nennt dies ein „generisches Maskulinum“: rein sprachlich maskuline Formen, die aber in bestimmten Zusammenhängen allgemeingültig sind, d. h. sich sowohl auf Männer als auch auf Frauen beziehen. Zahlreiche Sprachen der Welt benutzen ein „generisches Maskulinum“. Für die betroffenen Sätze wurden dann künstliche und oft grammatisch falsche Alternativen erfunden. Zudem werden von manchen Leuten bestimmte Wörter durch neue ersetzt, z. B. mankind „Menschheit“ durch humankind – was aber kaum nötig ist, denn man in mankind ist noch in seiner alten Bedeutung „Mensch“ gemeint.

Das Phänomen erreichte dann, wie es nicht anders sein konnte, auch Deutschland, oder Germany, wie man z. B. bei Werbezwecken oft auch sagt. Wenn etwas nachgeäfft werden muss, dann ist es nicht aufzuhalten, koste es, was es wolle. Mit fatalen Folgen: Denn während Englisch nur sehr eingeschränkt grammatische Geschlechtsunterschiede kennt, so dass sich Änderungen nur eher selten auswirken, ist die deutsche Sprache drastisch reicher bestückt mit solchen Unterschieden. Vgl.:

– Engl.: a tall man; he said / a tall woman; she said / teacher

– Dt.: ein großer Mann; er sagte / eine große Frau; sie sagte / Lehrer, Lehrerin

Es gibt biologisches Geschlecht (Sexus), und es gibt in zahlreichen Sprachen grammatisches Geschlecht (Genus). Diese stehen in einem komplexen Bezug zueinander, aber auch nur zu einem Teil in überhaupt einem Bezug. So müssen ja auch alle Gegenstände irgendein Genus haben: der Löffel, die Gabel, das Messer. Dass biologisches und grammatisches Geschlecht nicht identisch sind, könnte man schon daran merken, dass es nur zwei natürliche Geschlechter gibt, aber drei Genera in Sprachen wie Deutsch, Russisch, Lateinisch, Griechisch. (Es gibt übrigens auch Sprachen ohne Genus, z. B. Finnisch, das nur ein Wort „hän“ hat, das sowohl „er“ als auch „sie“ für Personen bedeutet. Sie können sich glücklich schätzen.)

Die Vorstellung, es bestehe Handlungsbedarf bei gewissen sprachlichen Fakten, wie sie natürlich gewachsen sind, und es müsse statt dessen eine „geschlechtergerechte Sprache“ (Ausdruck der Befürworter) her, führt zu einem Umbauen der Sprache. Man nennt dies mit einem Modebegriff Gendern – von engl. gender „Genus“. Wie bei so vielen Dingen, die auf einmal wichtig sein sollen, liegt hier ein englisches oder pseudo-englisches Wort vor. Man sollte die Komik vieler solcher Begriffe durch eine entsprechende Orthographie unterstreichen. Uns interessiert hier also das Dschendern in Dschörmeni. (Die Mode Gender hat viele Sprachen erfasst, dabei übrigens sogar das amtliche Bündnerromanisch, d. h. Rätoromanisch in der Schweiz.)

Nehmen wir einen Satz wie „Ein Lehrer kann spannenden Unterricht machen, wenn er…“ Dieses er ist selbstverständlich allgemein gemeint, d. h. auch Frauen sind eingeschlossen. Warum sollte es auch anders sein! Die Kritik behauptet nun entweder, die Lehrerinnen seien doch nicht mit ausgedrückt, oder aber sie seien es zwar, aber es sei nicht in Ordnung, dass das maskuline Wort sie einschließt; die Frauen müssten „sichtbar gemacht werden“. Sonst würde im Fall des Beispielsatzes womöglich in Abrede gestellt, dass Frauen genauso spannenden Unterricht machen können wie Männer. Helfen sollen dann Konstruktionen wie:

– Ein(e) Lehrer(in) kann …

– Lehrer und Lehrerinnen können …

– LehrerInnen können … (Binnen-I, Aussprache bleibt unklar; die deutsche Sprache hat in Wirklichkeit keine Großbuchstaben im Inneren, das haben einige keltische Sprachen, daher Namen wie MacDonald.)

Dabei wird aber beständig übersehen, dass es im Leben auch Sätze gibt, die auf etwas Negatives bei Personen Bezug nehmen. Beispiel: „Einen Lügner kann man zuweilen entlarven, wenn …“. Wer darauf besteht, die Lehrerin „sichtbar zu machen“, muss das auch bei der Lügnerin tun (die es ja in der Realität ebenfalls gibt), also z. B. so: „Einen Lügner oder eine Lügnerin kann man zuweilen entlarven …“. Zudem sind die Männer beim generischen Maskulinum auch nicht wirklich „sichtbar“, weil eben eine allgemeine Bedeutung vorliegt.

Ich bin für die Gleichberechtigung der Geschlechter. Ich meine jedoch, dass dieser Umbau der Sprache kein Ausdruck von ihr ist, sondern Gender eine pedantische Ideologie mit weitreichenden Folgen. Es gibt eine Reihe von Punkten zu bedenken, die hier in neun Abschnitten diskutiert werden sollen.

  1. Das Dschendern ist eine große Umständlichkeit und kostet Zeit und Energie beim Reden, Hören, Schreiben und Lesen. Keine natürliche Sprache der Welt benutzt Doppelausdrücke wie „Schülerinnen und Schüler“. Alle benutzen nur ein Wort statt drei. Bei Beschleunigung kommt es zu Nuschel-Orgien, einem Schnellsprechsalat, der z. B. klingt wie „Schüler und Schüler“ oder „Schülunschüler“. Oft wäre in einem einzigen Satz das Dschendern dreifach, vierfach oder öfter nötig. Keine natürliche Sprache der Welt benutzt Gebilde mit unklarer Aussprache wie „SchülerInnen“. Mit dem Dschendern wird eine Parallelgesellschaft geschaffen, die aber weniger erfolgreich sein wird als die normale, weil sie sich die Sprache, und damit das Leben, umständlicher macht, weil sie Zeit für diese Dinge verschwendet, weil sie die Verständlichkeit herabsetzt. Wer hier nicht mitmacht, kann sich sicher sein, dass er das leichtere und erfolgreichere Leben hat. (Dieser Satz hatte übrigens ein „er“ als generisches Maskulinum. Das fällt eben kaum auf.) Auch diejenigen, die fünfmal täglich beten oder umständlichen Aberglauben anhängen, halten sich vom Leben ab. Die Welt läuft tatsächlich nach darwinistischen Prinzipien ab, ob man dies nun mag oder nicht. Das Dschendern hämmert auch immer wieder penetrant ins Gehirn, dass Menschen in zwei Geschlechter zerfallen – wobei es vielleicht für deren Gleichstellung sogar besser wäre, dies gar nicht so sehr zu betonen.
  2. Die Größenverhältnisse spielen in das Dschendern hinein. Das z. B. von Frau von der Leyen hörbare „Soldatinnen und Soldaten“ klingt zusätzlich kurios, weil es weit weniger Soldatinnen gibt als männliche Soldaten. Zudem muss man streng genommen immer sicherstellen, dass nicht Verhältnisse des Typs 1 + x vorliegen; es ist also z. B. „Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer“ dann falsch, wenn gerade nur eine Verkehrsteilnehmerin dabei ist.
  3. Bei Negativem wird der Sprachumbau inkonsequenterweise oft unterlassen. Es gibt auch in den gedschenderten Texten anscheinend nur Peiniger, Verschwörungstheoretiker, Populisten, Klimaleugner, Spinner, Idioten, Steuersünder. Wer glaubt und verbreitet, maskuline Wörter bezeichneten nur Männer, erweckt also den Eindruck, das Negative trete nur bei Männern auf. (Vielleicht glauben das auch tatsächlich manche, und vielleicht nehmen wiederum andere das billigend in Kauf.) Wenn es darum geht, auch hier Verdopplungen zu kreieren, werden die Befürworter der „geschlechtergerechten Sprache“ plötzlich zu Drückebergern und Drückebergerinnen.
  4. Es gibt diverse Probleme im Satzkontext.

– Beim Nebeneinander von Singular und Plural würde der häufige Satz „Die Polizei sucht den oder die Täter“ zu vier oder noch mehr Formen führen: „Die Polizei sucht den oder die Täter oder die Täterin oder die Täterinnen, oder die gemischte Gruppe, die die Tat verübte.“

– Oft kommen Belebtes und Unbelebtes nebeneinander in einem Satz vor. Der Digitalisierungsbeauftragte Helge Braun sagte im Focus vom 3.3.2018, S. 28, man regele für bestimmte Leistungen „den Zugang von Bürgern und Unternehmen“. Was soll daraus werden? Möglich wäre „den Zugang von Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmen“ oder „den Zugang von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen“. In beiden Fällen wird sprachlich das Nebeneinander von drei Einheiten suggeriert, obwohl es in Wirklichkeit zwei sind.

  1. Es gibt diverse Probleme mit Komposita (Zusammensetzungen).

– So wie Redner, Bürger usw., so müsste auch das erste Glied in Rednerpult, Bürgersteig, Lehrerzimmer, Einwohnerzahl erweitert werden. RednerInnenpult wurde tatsächlich schon gesichtet, EinwohnerInnenzahl in einem ernsthaften Kontext noch nicht.

– Die „Korrekturen“ wären doppelt und öfter als doppelt nötig: BürgerInnenmeisterInnen, BürgerInnenmeisterInnenkandidatInnen.

  1. Zahlreiche Sprichwörter und feststehende Ausdrücke müssten umgedichtet werden:

– Übung macht den Meister und / oder die Meisterin.

– Der oder die Klügere gibt nach.

– Wolf Schneider machte schon in seinem Buch „Deutsch für Kenner“ hierauf aufmerksam: Zum Sündenbock bräuchte man als Pendant dann auch die Sündenziege (6. Auflage 2010, S. 122).

  1. Ausweichstrategien verschiedener Art sind im Umlauf wie falsche Fünfziger. Aber „Studierende“ sind in Wirklichkeit nicht das gleiche wie Studenten, und wer dies in einen Topf wirft, lässt die Sprache verarmen. Hier sollte man immer ein Auge auf die Semantik (Wissenschaft von den Bedeutungen) werfen. „Geflüchteter“ (statt Flüchtling) ist ebenfalls zweifelhaft, denn wer fliehen musste (falls er wirklich musste), ist eher „Geflohener“. Für manche Sprecher ist es jedenfalls so: Fliehen tut man aus einer echten Gefahr, flüchten tut man, wenn man eine Straftat begangen hat („der Täter konnte flüchten“).
  2. Die Prozedur ist anfällig für zahlreiche Versehen. Diese entstehen oft durch den vorauseilenden Gehorsam. Gerade Personen, die der Sprachgewandtheit etwas ferner stehen, oder die bereits eingeschüchtert sind, auch ja „richtig“ zu sprechen, oder bei denen beides zusammenkommt, rasseln schnell hinein.

– Schon vielfach passiert ist die Anrede „Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen (mit -er hier in Wirklichkeit Pluralsuffix, hat nichts zu tun mit dem -er für Berufe, Tätigkeiten usw.).

– Ebenfalls wirklich passiert ist „Kinderinnen und Kinder“. Dies sagte der österreichische Politiker Harald Mahrer, ÖVP.

Gibt es Außerirdische? Nein, es gibt die Außerirdischen und Außerirdischinnen.

  1. Ernst und Satire sind nicht mehr unterscheidbar. Das Suffix -er gibt es auch bei Gegenständen: Müllschlucker, Platzhalter, Mixer, Bohrer, Bleistiftanspitzer. Die Fraktion der Linken brachte im September 2016 im Flensburger Rathaus einen Antrag ein, gemäß dem man im Büro auch Bleistiftanspitzerin, Papierkörbin usw. sagen müsse. Sie deklarierte das später zum Scherz. Ob es das tatsächlich war, konnte nie ganz geklärt werden.

Auch Befürworter des Dschenderns könnten sich übrigens an der obigen Neunteilung orientieren und mitteilen, wie sie die neun Bereiche zu lösen gedenken. Meine Hoffnung ist jedoch, dass durch die Ausführungen die Zahl der Befürworter sinkt.

Eine neue Erscheinung ist der „Gender-Star“: Lehrer*innen. Er zielt darauf ab, dass es ja noch mehr Geschlechter als zwei gebe und auch das sichtbar sein müsse. Die Grünen verbrachten im November 2015 auf einem Parteitag tatsächlich Zeit damit, über dessen Einführung zu diskutieren, und beschlossen dies dann. Es gibt beim Geschlecht tatsächlich uneindeutige Fälle, z. B. wegen Abweichungen bei der Weitergabe von X- oder Y-Chromosom. Dies ist aber selten. Und vor allem: Es braucht sich nicht sprachlich auszuwirken. Sprache ist immer zwangsläufig etwas ungenau.

Auch außerhalb des Bereichs Lehrer / Lehrerinnen, Schüler / Schülerinnen usw. greifen gewisse Leute die deutsche Sprache als „nicht in Ordnung“ an. Das Pronomen „wer“ erfordert maskuline Formen: „Wer will, der kann seine Sachen an der Garderobe abgeben.“ (Den Punkt illustrieren „der“ und „seine“.) Im Deutschlandfunk verlas jedoch ein Sprecher einen Text, in dem es hieß: „Wer auf der Flucht ist, hat keine Möglichkeit, sein oder ihr Wahlrecht auszuüben.“

Das Wort „man“ steht auf der Abschußliste mancher SprachverbessererInnen, weil es zu sehr an „Mann“ erinnert. Ein 2007 erschienener Online-Artikel aus meiner Feder, der sich dazu äußert, ist „Der Justizirrtum zum Wörtchen man“.

Zudem soll das Wort „Mannschaft“ ernsthaft durch „Team“ ersetzt werden. Wir haben übrigens viele Nachnamen auf -mann wie Bergmann, Herrmann, sogar Mann alleine (Thomas Mann und Familie), sowie einige auf -herr, z. B. Schönherr. Dies wäre dann wohl auch korrekturbedürftig. Die Satirezeitschrift „Der Postillon“ schrieb einen Artikel: „Feministinnen fordern Umbenennung von Mannheim in Menschheim“.

Alice Schwarzer müsste ihren Nachnamen eigentlich in „Schwarze“ ändern lassen. Die Frage schließt sich aber an, ob nicht angesichts von Wörtern wie Schwarzgeld, Schwarzmarkt, Schwarzfahrer, bei noch mehr Genderei sehe ich schwarz usw. man allein durch die Anwesenheit des Begriffs „schwarz“ im Nachnamen bereits derart diskriminiert ist, dass sich „Schwarze“ lediglich als provisorische Zwischenlösung auf dem Weg zu einem noch zu ersinnenden Endziel anböte.

Die Nationalhymnen Österreichs und Kanadas, ob man es glaubt oder nicht, sind bereits umgetextet worden, weil sie angeblich sprachlich gesehen frauenfeindlich waren. In Deutschland geht die Posse weiter. Die Gleichstellungsbeauftragte im Bundesfamilienministerium Kristin Rose-Möhring (SPD) wollte im März 2018 an zwei Stellen auch die deutsche Nationalhymne umtexten:

– „für das deutsche Vaterland“: letztes Wort zu „Heimatland“.

– „brüderlich mit Herz und Hand“: erstes Wort zu „couragiert“.

Jedoch sind „Vaterland“ und „brüderlich“ normales Deutsch. Dazu zwei weitere Anmerkungen:

– „Heimat“ war erst kurze Zeit vorher wieder ein (bei manchen) akzeptierter Begriff geworden; diesen Status kann das Wort auch wieder verlieren.

– Wer sich Dichten zutraut, muss auf Betonungen achten. Aber „brüderlich“ hat die Betonung auf der ersten Silbe, „couragiert“ auf der letzten. Beim probeweisen Singen fällt die falsche Betonung auf.

Ganz abgesehen davon, dass man einen alten und nicht ganz unwichtigen Text vielleicht auch einmal mit etwas Respekt stehen lassen könnte, wie er damals entstand. Es gibt Leute, die nicht merken, wie andere Leute den Kopf über sie schütteln. Henryk M. Broder sagte zur Nationalhymnen-Affäre: „Der Nonsens kennt keine Grenzen.“

Interessanterweise ist aber die deutsche Sprache nicht immer derart beschaffen, dass sie das Maskulinum in den Vordergrund stellt. Es heißt zwar „Vaterland“, aber „Muttersprache“. Es heißt auch „Geschwister“ (schließt Brüder ein), „die Person“, „die Wache“, „die Geisel“ und „die Koryphäe“ (auch für einen Mann). Zudem spricht man von „Tochterunternehmen“; ich als Mann könnte mich nun darüber beklagen, hier würde ich diskriminiert, und auf Lösungen wie „Sohn- oder Tochterunternehmen“ bestehen.

Das Dschendern ist schon einige Jahrzehnte alt. Es führte jedoch lange ein Nischendasein (zu Recht). Jetzt aber greift es um sich, und das zum Teil auf aggressive Art. Wenn Leute es zu ihrer eigenen Entscheidung machen, derartige Sprache zu verwenden, wäre es weitgehend deren Bier. Statt dessen wird jedoch dieser Stil anderen aufgezwungen. Leider beobachtet man unter anderem folgendes:

  1. Große Mengen an Geld werden staatlicherseits ausgegeben, Leitfäden zum Dschendern werden verfaßt, Vorschriften erlassen. Im Januar 2019 schloß sich die Stadt Hannover offiziell der Fehlentwicklung an. Vgl. den kritischen Artikel von Josef Kraus auf Tichys Einblick, 23.1.2019:

Am 24.1.2019 meldete dann Welt Online, daß auch Augsburg das Dschendersprech in der Verwaltung durchdrückt:

  1. Viele Universitäten sind leider ein Hort der Entwicklung. Es kommt sogar vor, daß Dschendern Pflicht ist und Studenten, die sich nicht daran halten, Punktabzüge erhalten oder ihre Arbeiten nicht angenommen werden, wenn sie sich dem Diktat nicht beugen. Auch dort, wo nichts Derartiges Zwang ist, kann sich der einzelne nicht sicher sein, dass er keine Nachteile zu erleiden hat, wenn er an den Entwicklungen nicht teilnimmt. Die Universität Leipzig erntete 2013 Hohn und Spott, weil sie eine Grundordnung erließ, in der nur noch weibliche Bezeichnungen stehen, z. B. Professorin, Studentin, und es sollen damit die Männer mitgemeint sein. Es gibt zahlreiche Studiengänge für „Gender studies“ (Dschender staddies); solange dort ernsthafte und ergebnisoffene Lehre und Forschung gemacht würde, wäre dies nicht problematisch, aber die Erfahrung lehrt anderes. Eine der Professuren war bis 1. Dezember 2016 von Antje Hornscheidt besetzt, die lieber Lann Hornscheidt heißen wollte und nur mit Anreden angesprochen werden wollte, die genusneutral sind, also nicht „Herr“ oder „Frau“.
  2. Schulen werden mit Absicht erfasst, und es trifft die Schwächsten der Sprachgemeinschaft: die Kinder, die in die deutsche Sprache ja noch hineinwachsen müssen. Schulbücher sind schon umgeschrieben worden; Kinder werden behelligt. Bücher für Deutsch als Fremdsprache sind ebenfalls infiziert (so wie sie auch von anderem Sprachmüll infiziert sind).
  3. Die Wirtschaft wird in Mitleidenschaft gezogen. Wie der Politik-Arzt mit dem Stethoskop leicht feststellen kann, hat Deutschland Regularitis und Vorschiftose. Dabei wird die Wirtschaft auch in sprachlichen Dingen gegängelt. Schon jetzt müssen bei Ausschreibungen Formulierungen mit Innen, m / w (steht für männlich / weiblich) oder ähnlich benutzt werden. Das kann noch zunehmen, wenn Politiker es wollen. Wir dürfen nie vergessen: Dieser Staat versteht keinen Spaß, das merkt man täglich.

Die Dschenderei ist also vielerorts bereits Pflicht, Zwang, Sappeleibestandteil und Dauerbeschallung geworden. Jedoch auch in Zusammenhängen ohne Zwang kann man sich einer Sache gewiß sein: In den entsprechenden Kreisen wird man als böser Diskriminierer und Patriarchatsbefürworter bezichtigt werden, wenn man nicht mitmacht, sondern normales Deutsch schreibt. Dies sind haltlose Beschuldigungen, aber sie können sich auswirken.

Glücklicherweise wird in Frankreich, wo das Problem ebenfalls besteht, das Dschendern seit 2017, ausgelöst durch die Académie française, wieder abgeschafft. Die Akademie veröffentlichte zu dem Thema am 26. Oktober 2017 eine Erklärung und spricht sich klar gegen das Dschendern aus: „Déclaration de l’Académie française sur l’écriture dite «inclusive»“. Online hier:

Für eine deutsche Übersetzung s. Deutsche Sprachwelt 70, Winter 2017 / 2018, S.

6. In der Begründung wird davon ausgegangen, dass das Französische eine große Kultursprache ist, und unter anderem gesagt, dass das Funktionieren dieser Sprache sichergestellt werden müsse, auch damit sie sich in der heutigen Welt gegen andere Sprachen behaupten kann. Das sollten wir mit der deutschen Sprache genauso sehen.

Ich ließe ja mit mir reden, wenn man nachweisen könnte, dass Sprachen mit generischem Maskulinum oder Wörtern wie engl. mankind unweigerlich zu ungleichen Rechten der Geschlechter führen und „bereinigte“ Sprachen zu besseren Gesellschaften. Das ist aber nicht nachweisbar. Im Gegenteil: Die letzten Jahrzehnte Deutschlands haben eine Gesellschaft gezeigt, in der trotz der deutschen Sprache weitgehend Gleichberechtigung herrschte. Zudem lassen sich Länder unterschiedlicher Kulturkreise vergleichen. Schweden hat eine Sprache mit Genus, Finnland eine ohne; so drastisch unterscheiden sich die Gesellschaften jedoch nicht. Arabisch ist eine Sprache mit Genus, Türkisch und Persisch (inkl. Dari in Afghanistan) sind Sprachen ohne – was aber für die Gesellschaften kaum etwas nach sich zieht. Es bestehen keine simplen Zusammenhänge zwischen Sprachstruktur und politischen Verhältnissen. Das schrieb schon 1921 Edward Sapir in seinem Klassiker „Language“ (dt. Übersetzung „Die Sprache“, 1961).

Sehr informativ zum Thema Dschendern in Bezug auf Deutsch ist das detaillierte Buch „Genug gegendert“ des Germanisten Dr. Tomas Kubelik. Als das Buch einen Preis gewann, sagte Josef Kraus in seiner Laudatio, das Buch müsse: „Pflichtlektüre werden für alle Medienmacher, für alle Politiker, ohnehin für alle Germanistikstudenten und Deutschlehrer“ und „Dieses Buch ist ein großer Gewinn“ (zitiert nach Deutsche Sprachwelt 68, Sommer 2017, S. 3). Kubelik ist auch auf YouTube zu sehen mit einem Vortrag „Wie Gendern unsere Sprache verhunzt“:

Zu Recht kritisiert Peter Eisenberg in der FAZ vom 21. September 2017, S. 6: „Kaum einer kann sich noch äußern, wie ihm Kopf und Schnabel gewachsen sind.“ Zwangseingriffe in Sprachen hatten in der Geschichte nie Erfolg. Nicht zufällig erfand George Orwell die Persiflage des „Newspeak“ in seinem Roman „1984“. In Deutschland sowie in den anderen deutschsprachigen Ländern und Gebieten stehen wir vor der Wahl. Ich sehe es wie Eisenberg. Ich habe einfach etwas dagegen, wenn man in seinem eigenen Land nicht mehr auf normale Art seine eigene Sprache benutzen kann. So weit soll es nicht kommen. Gerne können wir über unsere manchmal etwas eigenwillige Muttersprache nachdenken – zu „dschendern“ brauchen wir sie nicht.

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