Tichys Einblick
Neue Politiker braucht das Land!

Warum die politische Unfähigkeit siegt und was wir dagegen tun können

Deutschland wird schlecht regiert, die Wirtschaftsdaten sind miserabel. Die Wähler sind nicht nur mit der Ampel unzufrieden: Politikverdrossenheit macht sich breit. Woran liegt die wachsende Unzufriedenheit mit unserem politischen System? Albert Duin erklärt, warum.

Leere Regierungsbank im Deutschen Bundestag, Berlin, 13.06.2024

picture alliance / Jochen Eckel | Jochen Eckel

In den Nachkriegsjahrzehnten vor der Jahrtausendwende war das Bestreben nach Wohlstand, einem gutem Leben, Auto, Fernseher, wenn nicht sogar nach einem Eigenheim die Antriebsfeder fast aller Bürger. Schon bald war das Erreichte ein vermeintlich solider, fester Sockel. Wohlstand schien sicher, die Politik garantierte Geldwertstabilität und Eigentum.

Verhalten verändert sich; das Sein bestimmt eben doch das Bewusstsein, um Karl Marx zu zitieren. Denn dann kamen die Leute, die nicht mehr nach Wohlstand strebten, sondern aufbauend auf dem bereits erreichten, vermeintlichen festen Untergrund anfingen, sich theoretisch zu überhöhen und langsam den Wohlstand zu verfrühstücken.
 Früher gingen Bürger aus Berufen heraus in die Politik und nutzten ihre Erfahrungen aus ihren vorherigen Tätigkeiten, ob Handwerk, Industrie, Medizin, Juristerei, um die ihrer Meinung nach politisch nötigen Veränderungen anzuregen und umzusetzen. Erfahrung aus dem wirklichen Leben paarte sich mit Wissen und dem Pragmatismus, der sich aus dem notwendigen Geschehen ergibt.

Politik als Lehrberuf

Dann aber verkam die Politik zu einem vermeintlichen Lehrberuf. Nicht mehr die Praxis und die daraus gewonnene Erfahrung waren entscheidend, sondern Theorie und Ideologie wurden zu den allein bestimmenden Faktoren. Notdürftige Erfahrung reichte, weltfremde Studienfächer bestimmten das Geschehen, Assistenz bei einem Abgeordneten und einem Parteifunktionär ersetzte berufliche Tätigkeit.

Sieht man heute in die Parlamente, so gilt neben einigen Ausnahmen: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ als beruflicher Lebensweg. Und noch nicht mal Studienabschlüsse sind heutzutage mehr nötig. Es zählen nur noch die Gesinnung und die innerparteiliche Stellung. 
Ist ja klar: Wer jeden Tag arbeiten geht, arbeiten gehen „muss“, um sein Leben zu finanzieren, hat wenig Zeit und vielleicht auch keine Energie mehr, sich zusätzlich politisch zu engagieren. Es ist ein unfairer Wettbewerb: Wer morgens ausschlafen kann, gewinnt die Debatten in der Nacht, die Berufstätige zur Erholung brauchen. Politik so nebenbei ist kaum mehr möglich. Wer Angestellter ist oder im Öffentlichen Dienst, hat ein Rückkehrrecht auf seinen Arbeitsplatz, wenn er ins Parlament gewählt wird. Selbstständige, Handwerker und Unternehmer dagegen gefährden ihr Unternehmen, wenn sie in die Parlamente abwandern. Unternehmerische Krisen warten nicht auf tagungsfreie Wochen.

Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem die führenden Köpfe der Politik jeden Bezug zur Praxis und somit zum „normalen“ Volk verloren haben.

Politik wird übergriffig

Poltik wird zunehmend übergriffig: Wer ideologisch geprägt ist, nimmt kaum Rücksicht auf die Mühen des Alltags. Berufspolitiker neigen zur Überhöhung ihrer Rolle; das führt zu Überbürokratisierung, immer neuen Vorschriften, zu einer politisierten Kommandowirtschaft. Berufspolitiker fühlen sich im Besitz einer überlegenen Wahrheit, aus der sie das Recht und die Notwendigkeit ableiten, eine „große Transformation“ zu verordnen, die die Lebenswirklichkeit der Normalos auf den Kopf stellen soll. Sie meinen, es besser zu wissen.

Viele sparen, um sich Wünsche erfüllen zu können. Sei es ein Urlaub, eine neue Küche, ein neues Schlafzimmer, ein neues Bad oder ein neues Auto. Plötzlich sehen sie sich dem Diktat der Politik ausgesetzt, dass sie sich all diese Wünsche abschminken können, weil sie gezwungen werden, in neue grüne Heizungen, grüne Energieerzeugung und grüne energetische Umbaumaßnahmen zu investieren. Auch wenn sie funktionierende Systeme besitzen. Haben vielleicht aufgrund politischen Drucks in den letzten 20 Jahren zum Beispiel auf Gasheizungen umgestellt und stehen jetzt vor einem großen Fragezeichen. Die vermeintliche Sicherheit wird in Frage gestellt, Vermögen vernichtet, Anstrengungen mit einem Federstrich der Politik zunichte gemacht.

Die Politik muss umkehren

Wir brauchen wieder Menschen in der Politik, die schon mal in ihrem Leben praktisch gearbeitet und ihre Sozialbeiträge auch selbst erwirtschaftet haben. Pragmatiker sind sich in wichtigen Fragen schnell einig, auch über Parteigrenzen hinweg. Ideologisch betriebene Politik dagegen geht der Wirklichkeit aus dem Weg und nimmt sie nicht wahr.

Wir hören tagtäglich, dass die Bürokratie abgebaut werden soll -­ welch eine Mär! Die Bürokratieflut steigt und steigt. Das Handwerk und die mittelständischen Unternehmen sind vollkommen wehrlos gegen diese Flut der Anforderungen, die dauernd an sie gestellt werden. Mag sein, dass große Unternehmen eigene Abteilungen unterhalten, um all diesen Anforderungen gerecht zu werden, aber da beginnt schon das Problem. Diese Konzerne wälzen alle Forderungen auf die kleinen Unternehmen ab, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden können. Statt diese ihre wirtschaftlichen Kompetenzen an den Tag legen zu lassen, wirft man ihnen nahezu täglich neue Stapel an nahezu unerfüllbaren Verpflichtungen vor die Füße.

Konzerne pflegen den Zugang zu Politikern. Kleinere und mittlere Unternehmen gelten als Kolateralschaden, ihre Beschäftigten meint die Politik vernachlässigen zu können.

Wie soll das enden? Die derzeitige Politikverdrossenheit und die wachsende Radikalisierung können nur durch eine andere Art von Politik und Politikern überwunden werden. Die Berufsbezeichnung auf dem Wahlzettel sollte maßgeblich entscheidend sein, bei wem man sein Kreuz macht.


Albert Duin, Unternehmer aus München und ehemaliger Landesvorsitzender der FDP Bayern

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