“Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!” Schon zu Zeiten des Bundestagswahlkampfes schien dies die Devise des SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz zu sein. Als Bundeskanzler setzt er dieses Motto auch weiterhin konsequent um.
Das Muster ist immer das gleiche. Nach einer längeren Phase des Schweigens und Abtauchens kommt es dann zu einer Scheinfestlegung – sei es in der Debatte um die Impfpflicht, die Frage der zukünftigen Energiepolitik oder die Bundeswehr. Ein besonderer Höhepunkt in dieser Hinsicht war die “Zeitenwende-Rede” in der Sondersitzung des Bundestages am 27.02.2022 zum Überfall Putins auf die Ukraine. Da stand plötzlich ein Mann am Rednerpult, bei dessen Worten man sich fragen konnte, ist das überhaupt der Sozialdemokrat Olaf Scholz? Was er da den überraschten und zum Teil fassungslosen Abgeordneten vortrug, war eine Wende der deutschen Sicherheits- und Russlandpolitik um 180 Grad: Ein lange so nicht mehr gehörtes Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis mit den USA und zur Nato, die Einrichtung eines einhundert Milliarden Euro schweren Sonderfonds zur Ertüchtigung der Bundeswehr, die sofortige Erfüllung der über Jahre nicht eingehaltenen Verpflichtung der Nato-Mitglieder, jeweils 2 Prozent ihres BIP zu Verteidigungszwecken aufzuwenden, sowie die Versicherung der Solidarität mit der in ihrer Existenz bedrohten Ukraine, verbunden mit harscher Verurteilung Russlands.
Das Gleiche gilt auch für die Sozialdemokratie. Was oft vergessen wird, ist die Tatsache, dass die heute führenden Genossen samt und sonders ihre politische Sozialisation durch die Bewegung der 68er, also der Renaissance marxistischer Ideologien in all ihren Formen, erfahren hat. Ein bestimmendes Merkmal war neben der sogenannten Kapitalismus-Kritik ein rigider und substanzieller Antiamerikanismus, zu dessen Ventil die Proteste gegen den Vietnamkrieg wurden. Zugleich wurden die Diktaturen kommunistischer Prägung in China, der Sowjetunion und deren Vasallen in Ost-Europa verklärt und die dortigen permanenten Menschenrechtsverletzungen schlicht ignoriert.
Nicht zu vergessen ist auch die Forderung der SPD-Spitzenpolitiker Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine, noch kurz vor dem Zusammenbruch der SED-Diktatur im Herbst 1989, eine eigene DDR Staatsbürgerschaft anzuerkennen. Begründung Lafontaines:” Dann müssten die Flüchtlinge aus der DDR wie jeder andere Ausländer behandelt werden und das Flucht-Problem sich damit erledigen.”
Zynischer und verächtlicher konnte man mit dem Freiheitswillen der Deutschen in der DDR nicht umgehen. So ist es auch nur folgerichtig, dass die Ministerpräsidenten Niedersachsens und des Saarlandes, Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine, im Bundesrat später gegen den Einheitsvertrag, also die Wiedervereinigung Deutschlands, stimmten. Man stelle sich nur einmal vor, einer dieser Beiden wäre in jenen bewegten Jahren, anstelle Helmut Kohls, Bundeskanzler gewesen. Die Entwicklung der Ereignisse wäre gänzlich anders verlaufen.
Man mag Olaf Scholz eines zugestehen. Es ist verständlich, dass er nicht das Schicksal seiner Vor-Vorgängers Helmut Schmidt erleiden will. Der hatte 1982 im Kampf um die Nachrüstung die Unterstützung seiner Partei verloren. Die Folge war der Kanzlersturz und der Beginn der 16-jährigen Ära Helmut Kohls. Um eine Wiederholung zu vermeiden, muss Scholz stets auf den Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich achten. Wird der überzeugte Linksaußen in der SPD, der sich nichts sehnlicher als den Bruch mit Amerika wünscht, zum innerparteilichen Gegner, könnte es mit der Kanzler- Herrlichkeit schnell vorbei sein.
Schon knirscht es hörbar im Gebälk der Ampel. Eine Mehrheit aus CDU/CSU, Grünen und FDP stünde rechnerisch bereit. Wie man hört, beginnt man diesbezüglich in der Grünen-Spitze in stillen Momenten nachzudenken. Denn von der Russland-Sympathie, haben sie im Gegensatz zu den Genossen weder politische noch persönliche Vorteile zu erwarten.