Erst verschwieg Olaf Scholz, sich mit „Cum-Ex“-Drahtzieher Christian Olearius von der Warburg Bank getroffen zu haben, dann konnte er sich detailreich an die Treffen erinnern, kritisiert die Opposition im Bundestag. Ein paar Monate später hatte Scholz dann „Erinnerungslücken“ und sagte im Hamburger Untersuchungsausschuss: „Zum Inhalt und zum Ablauf der besagten Gespräche aus den Jahren 2016 und 2017 habe ich keine detaillierte, aktive Erinnerung.“
Verwirrung oder politische Taktik? Ein Tagebuch von Christian Olearius, dem Vorsitzenden der „M. M. Warburg Bank & Co“ aus Hamburg, sowie rekonstruierte Kalendereinträge der Hamburger Senatskanzlei zeigen: Die Treffen gab es. Und sie hatten Auswirkungen. Keine, die man als damaliger Erster Bürgermeister Hamburgs und jetziger Bundeskanzler so leicht vergessen sollte.
Denkt man. Wenngleich eine „politische Einflussnahme“ – noch – nicht bewiesen ist, die Indizien sind deutlich: Immerhin haben Scholz als Bürgermeister und seine Regierung im Jahr 2016 eine Rückzahlung der „M. M. Warburg Bank & Co“-Bank in Höhe von 47 Millionen Euro verjähren lassen, nachdem sich Scholz mit Olearius getroffen und ihm sogar einen Rat gegeben hat, wie die Berliner Zeitung berichtet.
Dieser Vorwurf geht zumindest aus mehreren Berichten wie der Tagesschau hervor. So erstatteten die Behörden die Kapitalertragssteuern auf ein und dieselbe Aktie doppelt. Also erstatteten sie Steuern, die nie gezahlt wurden. Zu Lasten der Steuerkasse. Der Schaden, den der Bürger zahlt, ist laut Deutschlandfunk: mindestens zehn Milliarden Euro, womöglich mehr. Heute gelten Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung. Das haben die Richter des Bundesgerichtshofes 2021 erstmals bestätigt.
Der Bundesgerichtshof bestätigte außerdem, dass allein die Warburg Bank knapp 176 Millionen Euro Steuerschulden aus ihren Cum-Ex-Geschäften zurückzahlen sollte. Ihre Steuerschulden aus dem Jahr 2009 in Höhe von 47 Millionen Euro verjährten aber 2016, nachdem Olearius mit Scholz „redete“, wie aus einem Tagebuch von Olearius hervorgeht. Dieses hat die Polizei während einer Razzia in Olearius Haus beschlagnahmt. Deswegen hat die Union einen Untersuchungsausschuss im Bundestag angesetzt, um der Geschichte auf den Grund zu gehen. In einem zugehörigen Antrag schreiben die Abgeordneten der Union: „Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage einer politischen Einflussnahme in der Steueraffäre um die M.M.Warburg & CO Bank auf.“
Acht Tage nach dem Telefonat zwischen Scholz und Olearius legte die Finanzbehörde in Hamburg dann – zur Freude der Warburg Bank – eine Kehrtwende ein, beschloss, dass die Warburg Bank das Geld nicht zurückzahlen musste und ließ die Rückforderung der 47 Millionen Euro somit verjähren. Also verzichtete die Hansestadt mit Scholz als Erstem Bürgermeister auf 47 Millionen Euro. Ein Nachteil, nicht nur für die Hamburger Allgemeinheit, sondern für ganz Deutschland. Ein Vorteil hingegen für die Warburg Bank mit Olearius an der Spitze. Die wäre sonst wahrscheinlich bankrott gegangen.
In dem Antrag der Union heißt es: „Ein solcher Verzicht auf Steuerrückforderungen ist einmalig in der deutschen Geschichte.“ Im Januar 2017 habe es dann noch ein drittes Treffen gegeben. Das Prozedere wiederholte sich. Dieses Mal ging es um 43 Millionen Euro. Das ZDF berichtet, diese Steuerrückzahlung habe die Hamburger Steuerverwaltung erst eingefordert, nachdem das Bundesfinanzamt einschritt. Ein Untersuchungsausschuss prüft nun, ob die Hamburger Landespolitik unter Scholz Einfluss auf die Finanzbehörde genommen hat.
Inwieweit Scholz in Sachen Cum-Ex-Affäre die Wahrheit gesprochen hat, soll nun der Untersuchungsausschuss im Bundestag prüfen. Laut ZDF kann diese Untersuchung bis 2025, also bis zur nächsten Bundestagswahl, andauern. Das ZDF hält das für wahrscheinlich: Die Union habe sicherlich großes Interesse daran, die Cum-Ex-Affäre von Scholz zu einem politischen und medialen „Dauerbrenner“ zu machen. Das ergibt aus Sicht der CDU und CSU Sinn: Immerhin schadet die Cum-Ex-Affäre dem Ruf von Scholz und der gesamten SPD.