Peter Feldmann, Oberbürgermeister in Frankfurt am Main, kommt in der Presse sicher öfter vor als mancher Bundesminister. Wann hat man denn das letzte Mal von der Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger gehört? Oder gar das erste Mal?
Doch Peter Feldmanns Ruhm ist erbaut auf Skandalen. Es sind noch nicht einmal Boulevard-Skandale, die wären wenigstens ein bisschen kurzweilig. Es sind keine Storys von Glanz und Glamour, Champagner und Wer-mit-wem-und-wer-hat-schon. Nein, Feldmanns Skandale sind von der Art, die der Stadt und dem Amt nachhaltigen Schaden zufügen.
Gegen Feldmann wird Anklage erhoben
Der Schaden liegt im zweistelligen Millionenbereich. Auch Feldmann profitierte: Er hatte vor seinem Wechsel in das Rathaus mehrere Anstellungen bei der AWO. Zum Beispiel eine Stabstelle, die für ihn eingerichtet wurde und seit seinem Wechsel in das Rathaus nicht neu besetzt wurde. Und das ist schon der zweite Vorwurf gegen Feldmann: Vorteilsnahme im Amt. Als Stadtverordneter war er maßgeblich daran beteiligt, dass die AWO ihre Verwaltungskosten nicht mehr aufschlüsseln musste. Sie wurde pauschal abgerechnet. Und damit dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Gehälter explodierten, Kosten stiegen. Zum Beispiel wurde Feldmanns Ehefrau ungewöhnlich früh Kita-Leiterin und übersprang 17 Jahre tariflich geregelte Gehaltsprogression. Ihr Dienstwagen war daneben noch eine Lappalie.
Verlust der IAA – Verlust eines Wirtschaftsfaktors
Unter Feldmann verlor Frankfurt nach 70 Jahren die Internationale Automobilausstellung IAA – ein entscheidender Wirtschaftsfaktor in Frankfurt. Ihr Fernbleiben wurde durch die Corona-Krise kaschiert, doch der Verlust der Messe bedroht mehrere Tausend Arbeitsplätze im Tourismus und im Dienstleistungssektor. Der ausrichtende Verband der Automobilindustrie entschied, stattdessen in Zukunft in München auszustellen.
Es wurden vielerlei Gründe genannt; doch einen großen Einfluss hatte auch Peter Feldmann. Er bekannte sich als Gegner der Automobilität, forderte mehr Busse und Bahnen. Störaktionen auf die IAA wurden von ihm mindestens toleriert. Hinzu kommt, dass die Messe Frankfurt zu 60 Prozent der Stadt Frankfurt und zu 40 Prozent dem Land Hessen gehört. Aufsichtsratsvorsitzender ist Feldmann, stellvertretender Aufsichtsratschef ist Tarek Al-Wazir, Mitglied der Grünen und Hessischer Wirtschaftsminister. Wer richtet schon gerne eine Messe bei seinen erklärten Gegnern aus?
Verelendung im Bahnhofsviertel
In der Corona-Krise wurden in Frankfurt auch die Fixerstuben geschlossen. Damit wurde das Drogen-Elend, das in Frankfurt fast schon normal ist, noch verschärft. Die Situation im Bahnhofsviertel, was Drogen und Gewalt anging, hatte sich in den vergangenen Jahren verbessert. Doch Feldmann machte viele Fortschritte wieder rückgängig. Die Corona-Krise ist nur ein Brandbeschleuniger. Im Lockdown wurden die Fixerstuben geschlossen, Abhängige setzten sich die Nadel auf offener Straße – also mehr als sie es sowieso tun. Denn die Frankfurter Drogenpolitik kann des Problems nicht Herr werden, verzeichnet Jahr für Jahr nur marginale Gewinne.
Gewinne, für die man aber auch die Gentrifizierung der Stadt verantwortlich machen kann. Müll, Drogen und Fäkalien beherrschten das Stadtbild im Bahnhofsviertel; im Allerheiligenviertel kam es im vergangenen Jahr zu einer Schießerei; auf öffentlichen Plätzen wie dem Opernplatz kam es zu Ausschreitungen. Die Stadt starrt vor Dreck, Feldmann beschuldigt seine Koalitionspartner und erklärt das Problem medienwirksam zur Chefsache. Es bleibt bei Erklärungen.
Feldmann gibt den Pokalsieger
Der öffentlichkeitswirksamste Skandal war wohl Feldmanns Verhalten nach dem Europa-League-Sieg der Eintracht Frankfurt. Bei der Präsentation der Sieger gegenüber den Würdenträgern der Stadt, im Kaisersaal des Rathauses, war es Feldmann, der den Pokal präsentierte. Er hatte ihn den Siegern noch im Flur aus den Armen genommen – vor laufenden Kameras. Mannschaftskapitän Rode und Trainer Glasner folgten sichtlich verdutzt hinterher.
Dann kam es zur Präsentation der Mannschaft auf dem Balkon des Rathauses. Die versammelten Fans warteten auf die Feier mit der Mannschaft, doch erst musste Feldmann sich in einer langen Rede blamieren: Kaum zwei der Spielernamen konnte er richtig aussprechen.
Seine eigene Partei bricht mit ihm
Die Partner seiner ganzgroßen Koalition im Rathaus – Grüne, Volt und FDP sind im Bündnis mit seiner SPD – fordern schon länger seinen Rücktritt. Nun reiht sich auch seine eigene Partei mit in die Forderungen ein. Was Profilierungssucht, Stadtprobleme, IAA und Korruption nicht konnten, das schaffen nun vielleicht elf Sekunden Video. Sie zeigen, wie Feldmann über das Bordtelefon des Flugzeuges zu Eintracht-Fans auf dem Weg zum Finale gegen die Glasgow Rangers spricht. „Ich hab hier ’ne Ansage, sowohl vom Bodenpersonal, als auch von den Flugbegleiterinnen – die mich zum Anfang erstmal hormonell außer Gefecht gesetzt haben.“
Nun fordert auch die Frankfurter SPD seinen Rücktritt. Den Sexismus kann man wohl nicht tolerieren. Kein Wunder, denn die anderen Probleme haben sie ja mitgetragen, bei der AWO auch mitprofitiert. Im Flugzeug-Video waren sie nicht selbst involviert. Im AWO-Skandal sind viele Stadtverordnete – viele ehemalig, manche noch aktiv — impliziert. Sie waren Profiteure oder hätten die AWO kontrollieren sollen.
Sie werden den Rücktritt fordern, doch Feldmann wird nicht gehen. Er ist trotz Korruption, Anklage und Durchsuchung im Amt geblieben. Was ist da schon ein Sexismus-Shitstorm? Auf die SPD-Fraktion im Rathaus ist er sowieso nicht angewiesen. Denn obwohl die Hürden für eine Abwahl des Bürgermeisters in Frankfurt ungewöhnlich hoch sind, hätte ein Verfahren jederzeit gegen ihn eingeleitet werden können. Die erste Hürde für seine Abwahl ist ein entsprechender Antrag der Stadtverordnetenversammlung. Diesem müssen zwei Drittel der Verordneten zustimmen. Da jedoch die SPD nur 17 der 93 Sitze hält (18 Prozent statt der Sperrminorität von 25 Prozent), müsste es möglich sein, ein entsprechendes Bündnis zu formen.
Doch sie trauen sich nicht, denn dann müssten sie die zweite Hürde passieren: eine Volksbefragung mit mindestens 30 Prozent Wahlbeteiligung, in der die Feldmann-Gegner eine einfache Mehrheit erringen müssen. Und an ihrem eigenen Wahlkampfgeschick zweifeln die Parteien offensichtlich. Denn das ist es, was Feldmann schon die ganze Zeit gewähren lässt: die Schwäche der Frankfurter Opposition. Sie können sich ihm nicht in den Weg stellen. Aber vielleicht stürzt er ja über elf Sekunden Video.