In dem erlauchten Kreis derjenigen, die sich um die Nachfolge von Armin Laschet drängeln (wie Jens Spahn und Norbert Röttgen), obwohl sie sich beim Anrichten des Wahldesasters verdient gemacht haben, fehlt Marco Wanderwitz. Es wäre doch wirklich ungerecht, ihn hier auszuschließen. In der Leitung eines Ortsvereins dürfte er Erfahrung besitzen. Und auf diese Größe könnte die CDU schrumpfen, wenn sie so weiter macht.
Erinnern wir uns: Nachdem Christian Hirte als Ostbeauftragter in bester demokratischer Tradition dem frisch gewählten Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen Kemmerich gratuliert hatte, wurde er von der Bundeskanzlerin im Zuge der Flurbereinigung geschasst. Schließlich war sie gerade damit beschäftigt, eine demokratische Wahl, die ihrer Ansicht nach „unverzeihlich“ war, rückgängig zu machen. Den Job des Ausputzers übernahm für sie Christian Lindner, der sich zwecks „rückgängig machen“ sogleich nach Erfurt begab, seinen Parteifreund zum Rückzug drängte und damit den Weg frei machte für den Linken-Politiker Bodo Ramelow. Es sei nur in diesen Tagen daran erinnert, in denen Christian Lindner wieder jemanden zum Regierungschef machen will.
Schließlich hatte der (Anti-)Ostbeauftragte Wanderwitz mit schneidender Intelligenz in einem Interview klar erkannt: „Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind.“ Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei „potentiell rückholbar“. Er sehe „keinen Lösungsansatz mehr, außer die Brandmauer möglichst hoch zu ziehen“.
Damit hatte er die Brandmauer aber auch zwischen vielen potentiellen CDU-Wählern und der CDU hochgezogen. Wie man am Wahlergebnis in Sachsen sieht, hat Wanderwitzens Brandmauer sogar vorzüglich gehalten. Böse Zungen fragten deshalb schon, ob Marco Wanderwitz Wahlkampf für die AfD mache, oder gar der beste Wahlkämpfer der AfD im Osten wäre?
In den ostdeutschen Landesverbänden rumort es seitdem. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Umgang mit demokratischen Wahlen nicht eben zartbesaitet ist, ging diese Äußerung aus taktischen Gründen zu weit. Wanderwitz dürfte die CDU im Osten vor allem deshalb Stimmen gekostet haben, weil Wähler den Eindruck bekamen, dass er nur aussprach, was man im Parteiapparat der CDU über den Osten denkt.
Seinen Wahlkreis verlor Wanderwitz an die AfD. Doch man muss sich keine Sorgen um ihn machen, denn er rutscht über die Landesliste ins Parlament. Sozial ist Marco Wanderwitz abgesichert. Den Preis dafür hat die sächsische CDU und haben viele Abgeordnete entrichtet, die nicht so komfortabel auf der Landesliste wie er abgesichert worden waren. Eigentlich müsste Wanderwitz nach allem sein Mandat zurückgeben.
Statt Marco Wanderwitz übernimmt den Vorsitz der sächsischen Landesgruppe der CDU im Bundestag nun der Zwickauer Carsten Körber. Laut Sächsischer Zeitung soll Wanderwitz die Sitzung ohne Aussprache mit seinen Kritikern verlassen haben.
Dass nun Krokodilstränen um ihn ausgerechnet in Blättern vergossen werden, die nicht unbedingt als unionsfreundlich gelten, sagt im Grunde alles aus. Martin Machowetz hat früher das Ost-Ressort der Zeit geleitet und nun das Ressort „Streit“ übernommen, eigentlich ein überflüssiger Job im grünen Wohlfühlmagazin, in dem man mit niemandem spricht, der rechts von grünen und roten Positionen ist. Machowetz twitterte zum Beispiel: „Hatte immer viel Kritik an @wanderwitz. Hab mich häufig über seine Thesen geärgert. Ich wünsche mir, dass dieser sehr begabte und schon auch mutige Politiker nicht allein für das Ergebnis verhaftet wird, das sehr in Berlin verantwortet wird. Und dass er stark zurückkommt #Sachsen“. Man muss wohl schon bei der Zeit arbeiten, um zur Erkenntnis zu kommen, dass Marco Wanderwitz begabt und mutig sei. Was Machowetz Mut nennt, ist nur die Tatsache, dass sich Wanderwitz als 150-prozentiger Merkelianer einfach verzockt hat. Mutig wäre es gewesen, den Job des Ostbeauftragten nach dem Umgang mit Hirte abzulehnen.
Aber natürlich passen die Thesen des Marco Wandewitz so sehr zur Zeit, dass man glauben könnte, er hätte sie dort aufgelesen. So hatte Zeit-Autor Christian Bangel beispielsweise schon vor längerem empfohlen: „Wer den Osten dauerhaft stabilisieren will, der muss vor allem für eines kämpfen: Zuwanderung. Massiv und am besten ab sofort. Zuwanderung aus dem Westen, Binnenzuwanderung aus den großen Städten in die ländlichen Räume, und ja auch gezielte Migration aus dem Ausland.“ Heißt: Wenn uns das Wahlergebnis nicht gefällt, wird ohne Pardon aus- und umgesiedelt, bis eine Bevölkerungsstruktur erreicht ist, die genau die Wahlergebnisse bringt, die wir von der Zeit uns wünschen.
Der CDU stehen Tage ins Haus, die einen Richtungsstreit unumgänglich machen. Ob der Richtungsstreit stattfindet oder ob ein Parteiapparat, der sehr von Angela Merkel geprägt wurde, ihn verhindert und die Linie Röttgen und auch Wanderwitz sich durchsetzt, wird man sehen.
Das Wahlergebnis – und da sollte man sich in der CDU nichts vormachen – hat eines gezeigt: Die Geduld – vor allem der Wohlwollenden – mit der Partei ist definitiv zu Ende. Sie hat ihr Konto mehrfach überzogen und steht gesellschaftspolitisch vor der Insolvenz.