Tichys Einblick
Wahlkampf-Getöse

Signal- statt Realpolitik: Die FDP bettelt um die Stimmen der Autofahrer

Die FDP wanzt sich an Autofahrer ran, denen sie kurz vor den Wahlen eine auf sie abgestimmte Politik verspricht. Eigentlich nicht der Rede wert. Würden sich dabei nicht fatale Tendenzen der aktuellen Politik aufzeigen.

MAGO / KreativMedia Press

Eines der traurigsten Bilder in der bundesdeutschen Politgeschichte gab Tobias Hans (CDU) ab: Anfang 2022 sprach der Ministerpräsident während des saarländischen Wahlkampfs verzweifelt vor einer Tankstelle in ein Smartphone. Er inszenierte sich als Wutbürger, der gegen die hohen Spritpreise tobte. Das war aus zwei Gründen kläglich. Zum einen, weil er aussah wie ein Che Guevara, den jemand bei Wish bestellt hatte. Zum anderen, weil Hans als Merkelianer Karriere gemacht hat. Und weil er als solcher immer brav im Konzert der Frösche gequakt hat: Klimaschutz, Klimaschutz, Autofahren teurer machen. So lange es opportun war. Nun wanzte sich der Ministerpräsident an die Autofahrer ran, in der Hoffnung sie würden ihn im Amt halten. Das taten sie nicht. Hans wurde so gedemütigt vom Hof gejagt wie kaum ein anderer bundesdeutscher Politiker zuvor.

Stichwort traurig. Stichwort verzweifelt sich ans Amt kleben. Stichwort sich an Autofahrer ranwanzen. Die FDP hat einen „Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto“ vorgestellt. Zum Jahreswechsel haben die Freidemokraten noch als grüner Erfüllungsgehilfe die CO2-Preise nach oben geschraubt. Als Minister hat ihr Chef Christian Lindner die Extremisten von der letzten Generation sein Ministerium stürmen lassen. Alles (am liebsten) vergessen. Angesichts drohender Wahlniederlagen heißt es jetzt von der FDP:

„Das Auto bleibt ein wichtiger Bestandteil der individuellen Mobilität und Freiheit.“ Sie wollen „ein klares Signal“ gegen das Dieselverbot aus Brüssel. Was sich die FDP unter einem „klaren Signal“ vorstellt, lässt sie offen. Vielleicht klebt sich Christian Lindner ja am Dienstwagen von EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) fest oder Marco Buschmann bewirft ein Porträt von Robert Habeck (Grüne) mit Lebensmitteln.

Außerdem wirbt die FDP in dem Paket für eine „bessere Anbindung“ des ländlichen Raums an das Straßennetz, begleitetes Autofahren für 16-Jährige und für „kostengünstiges Parken in Innenstädten“. Kommt das nicht, will die FDP ein „deutschlandweites Flatrate-Parken“. Was auch immer das sein soll. Schon der letzte Punkt zeigt, wie sehr das Paket der Freidemokratenn nur „ein klares Signal“ ist und wie wenig es mit Realpolitik zu tun hat:

Das Parken ist Sache der Städte, Gemeinden und Landkreise. Die FDP fordert etwas, das sie gar nicht umsetzen kann. Wie bequem. Sie könnte auch fordern, dass der Finanzminister dem Verkehrsminister genug Geld gibt, damit der marode Straßen und Brücke sanieren kann. Wie der Zufall es will, stellt die FDP beide Minister. Doch „ein klares Signal“ lässt sich viel leichter zeigen, wenn man selbst nicht für das Scheitern der Umsetzung verantwortlich ist.

Deutschland 2024 ist allzu oft nur noch Signalpolitik. Die FDP hat in ihren Reihen den Meister des Forderns dessen, was später nicht kommt: Wolfgang Kubicki. Immerhin Vizepräsident des Bundestages. Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist sein Schüler. Auch so einer, der den Mund nur aufmacht, wenn er weiß, dass das keine Konsequenzen hat. Und der sich im Ernstfall – etwa beim Compact-Verbot – besser versteckt als ein Dieb auf der Flucht.

Die regierenden Parteien in Deutschland haben Realpolitik aufgegeben. Das beste Beispiel dafür ist die Bewerbung um die Olympischen Spiele. Frankreich musste viele Kröten schlucken, um diese nach Paris zu holen. Dazu ist Deutschland nicht bereit. Es will Spiele nach seinen Vorstellungen, nach grünen Vorstellungen: in topmodernen Stadien, die es schon lange gibt. Die möglichst nahe zusammenliegen, aber viele Regionen mitnehmen. Und zu denen hunderttausende Besucher kommen, die aber kein CO2 freisetzen. Kurzum: Das wird nicht funktionieren.

Die krönende Kirsche ist aber die Debatte, ob sich Deutschland für 2036 und 2040 bewerben soll. Die einen sagen, das wäre ein fatales Zeichen, weil sich da die Spiele im NS-Berlin zum hundertsten Mal jähren. Die anderen sagen, gerade deswegen sei das ein gutes Zeichen, um jene Spiele vergessen zu machen. Sie kümmern sich nicht um Geld, Stadien, Zuschauer, Sportler, Trainingsplätze … Sie laufen nur heiß, wenn es um „Zeichen“ geht. Damit sind deutsche Politiker im Jahr 2024 zuende erzählt.

Anzeige
Die mobile Version verlassen