Wenn in einem osteuropäischen Land die Opposition systematisch im Wahlkampf behindert, bedroht und teils attackiert würde – natürlich würde die EU laut und deutlich protestieren. Dass in Deutschland zunehmend die AfD, immerhin größte Oppositionspartei im Bundestag, derart behindert wird und ihre grundgesetzlich garantierten Rechte verletzt werden, ist in den Zeitungen aber allenfalls eine Randnotiz.
Die Tage wurde bekannt, dass die Partei ihre Abschlussparty für den Europawahlkampf in Berlin absagen musste. Die Vermieterin des Lokals fühlte sich massiv unter Druck gesetzt. Das Haus war schon beschmiert worden. Ihren Absagebrief hat die Partei öffentlich gemacht. „Die Drohungen mir gegenüber, meiner Familie und vor allem der Nachbarschaft in den Höfen sind sehr extrem“, schrieb sie. Ihr wurde mit „Vergeltung“ gedroht, wenn sie an die AfD vermiete, die Gebäude sollten noch mehr beschädigt und sogar Autos angezündet werden.
Dass das in Berlin keine leeren Drohungen sind, ist bewiesen. Fast jede Woche gehen irgendwo in der Stadt Autos in Flammen auf, nicht ganz selten stecken dahinter politisch motivierte Täter. Auch Wägen von AfD-Vizechefin Beatrix von Storch und anderen AfD-Politikern sind schon „abgefackelt“ worden. Im Februar wurde ein Ex-Mitarbeiter der linken Amadeu-Antonio-Stiftung als mutmaßlicher Brandstifter nach einem Anschlag auf ein AfD-Auto verhaftet.
Im Wahlkampf wird besonders die AfD Zielscheibe von Tätern, die von einer fairen demokratischen Auseinandersetzung nichts wissen wollen. In Berlin sollen im aktuellen EU-Wahlkampf sechs Mal mehr AfD-Plakate zerstört worden sein als bei allen anderen Parteien zusammen. Die Polizei gab die Zahl der aus politischen Motiven zerstörten Plakate vor ein paar Tagen mit 839 an – das bedeutet ein Sachschaden von mehreren Tausend Euro.
Auch die Büros der AfD sind weit überdurchschnittlich von Vandalismus betroffen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der AfD hervorgeht, waren Einrichtungen der AfD im ersten Quartal 2019 fast genauso häufig Ziel von Attacken wie die Gebäude aller anderer Parteien zusammen, berichtete die „Junge Freiheit“. Insgesamt wurden 217 Straftaten gegen Personen gemeldet im ersten Vierteljahr, 114 Angriffe richteten sich demnach gegen Politiker und Funktionäre der AfD. Mehr als die Hälfte der insgesamt gezählten 408 Straftaten gegen Parteien, nämlich 252, waren laut BKA politisch links motiviert, 71 gingen auf das Konto von rechten Tätern.
Aber lösen solche Zahlen und Fälle eine breite Debatte aus, dass primär eine Partei im Wahlkampf systematisch bedroht und behindert wird? Kaum. Lediglich einige wenige Journalisten rümpfen die Nase. Die „Zeit“-Redakteurin Mariam Lau twitterte zur Absage der AfD-Wahlparty, wenn es stimme, dass die Vermieterin vor linksextremen Drohungen in die Knie gegangen sei, sei das „ein sehr trauriges Demokratieverständnis in der Hauptstadt“. Die anderen Parteien schweigen mit Blick auf die Gewalt, die sich ganz klar überwiegend gegen die AfD richtet.
Der Sprecher von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verurteilt zwar auf Anfrage „natürlich“ Gewalttaten. Doch Geisel hat er auch schon mal mit Blick auf die AfD nach deren Klagen über Angriffe gesagt: „Wer austeilt, muss auch einstecken können.“
Wie die Berliner Jusos sich die Auseinandersetzung mit Nationalismus vorstellen, haben sie kürzlich in einem zweideutigen Aufruf für eine Demonstration gezeigt: Dort ist eine junge Frau mit blauem EU-Sweatshirt zu sehen, die in der Hand einen schwarzen Baseball-Schläger hält.
Wozu sonst als zu physischen Schlägen ist ein solches Gerät gedacht? Rutschen wir langsam wirklich wieder in Verhältnisse, die denen der Weimarer Republik ähneln, als Schlägerbanden politische Gegner einschüchterten und überfielen?
Es ist traurig, dass man zum 23. Mai, dem 70. Geburtstag des Grundgesetzes, daran erinnern muss, dass laut Grundgesetz und ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der freie und ungehinderte Parteienwettbewerb essentiell ist für eine funktionierende Demokratie. Wenn eine Partei immer schwerer Räume findet, um dort vor möglichen Wählern für ihre Ideen zu werben, dann wird die in Grundgesetz Artikel 20 garantierte Demokratie faktisch beschädigt.
Die betroffene Partei hat einen Nachteil, sie muss mehr Geld ausgeben, um Sachschäden zu beheben, sie braucht viel mehr Zeit und Mühe, um einen Wahlkampf zu organisieren. Werden ihre Plakate abgerissen, erreicht sie weniger Wähler. Die Funktionäre und Mitglieder werden eingeschüchtert, manch einer zieht sich verängstigt und resigniert zurück. Ist es vielleicht das, was die linken Medien und manche Parteien klammheimlich goutieren?
AfD-Parteichef Meuthen sagt, der „Gesinnungsterrorismus“ nehme immer schlimmere Formen an. Selbst wenn man die AfD wegen Fehltritten einiger ihrer Vertreter scharf ablehnt, kann man ihm hier nur recht geben. Immerhin scheint die Partei ein Ausweichquartier für ihre Wahlkampfabschlussfeier gefunden zu haben. Wo die stattfinde, hält sie bislang geheim. Aus Angst vor neuen Angriffen auf den Vermieter.
Von Robert Mühlbauer