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Wahlkampf 2017 – ein todlangweiliges Trauerspiel

Die deutschen Zeitungen sind ihrer Pflicht mehr schlecht als recht nachgekommen, diesem für die deutsche Politlandschaft – mit Ausnahmen - augenfälligen Armutszeugnis gnädig eine „5 minus“ zu bescheinigen.

© Axel Schmidt/AFP/Getty Images

Wenn man durch deutsche Großstädte fährt, kann einen angesichts der mit Millionenausgaben eingekauften Flachheiten, die die Parteien dort als Wahlkampf an die Laternenpfosten gehängt und in bester Lage auf die Plätze gestellt haben, das nackte Grausen befallen.

Die deutschen Zeitungen sind ihrer Pflicht mehr schlecht als recht nachgekommen, diesem für die deutsche Politlandschaft – mit Ausnahmen – augenfälligen Armutszeugnis gnädig eine „5 minus“ zu bescheinigen.

Focus und Morgenpost nennen das, was da mit dem Segen namhafter Agenturen auf die Pappe (den Plastikaufsteller) gebannt wurde, zwar „zum Davonlaufen“ oder „Altbacken“ und „Inhaltsbefreit“ (Süddeutsche Zeitung), schrecken aber größtenteils von einem präziseren Verriss zurück. Die härteste Kritik müssen noch die einstecken, die sich im Niveau völlig unter die Grasnarbe begeben und das teure „Wahlkampfinstrument“ dazu missbraucht haben, um dem Wahlvolk einen „schönen Urlaub“ zu wünschen. Die während der letzten Jahre antrainierte Beisshemmung scheint vielen Journalisten nun endlich in Fleisch und Blut übergegangen zu sein.

Bull's Eye
Oppositionspartei CDU
Die Welt zitiert aus einer Studie, kommt aber nicht weiter, als ein paar Punkte zu verteilen und insbesondere den großen Parteien einen Mangel an Mut zu attestieren. Den Mut, der CDU den augenfälligen Mangel an Inhalten vorzuwerfen, hat zumindest die Zeit: Sie kritisiert die Selbstzufriedenheit der Kanzlerinnenpartei, die angesichts der turmhohen Überlegenheit der Amtsinhaberin einfach keine Notwendigkeit sähe, irgendwelche Inhalte zu präsentieren, geschweige denn Argumente oder Problemlösungen zu formulieren.

Keine Zeitung macht sich auf, die verkrampften Parolen Satz für Satz der Lächerlichkeit preiszugeben. Es bedarf keiner kabarettistischen Begabung, Parallelen zwischen der Plattitüde „..gern und gut leben…“ zur Edeka-Billigmarke „Gut und Günstig“ zu ziehen oder der Worthülse von der „guten Arbeit und den guten Löhnen“ exakt  gleichlautende Aufrufe auf den SPD-Plakaten der vergangenen Jahre entgegenzuhalten.

#countdownBTW17
Außer Thesen nichts gewesen: Schulz von 24 auf 24 Prozent
Die einzig erhellende Erkenntnis, die einem der Wahlk(r)ampf derzeit vermitteln kann, ist die, dass es keine Schwachheit gibt, auf die sich Kandidaten um die Volksgunst für ein paar Stimmen mehr nicht einlassen würden, und dass sich die politische Landschaft in Deutschland an den Rändern immer mehr zu einer Spielwiese des Irrsinns auswächst. Da gibt es die „BüSo“, die allen Ernstes mit einer Zukunft in der „Neuen Seidenstrasse“ Pekings wirbt, und Piraten, die von sich selbst behaupten, „Politiker aus Notwehr“ geworden zu sein. Es gibt eine „Partei“, die gar keine sein will, und deren Plakate dunkel von Selbstjustiz orakeln, eine, die das „Wohl und das Glück aller“ und eine, die „spirituelle Politik“ propagiert. Die Bunte Republik wird immer greifbarer, scheint es.

Da liest man als verzweifelter Passant erleichtert den einzig griffigen Satz der CDU-Kampagne, der markig über zwei schmucken Uniformen prangt: „Denen den Rücken stärken, die für uns stark sind.“ (Glauben wird’s der CDU niemand.) Auf den ersten Blick lupenreines CDU-Material, auf den Zweiten kommen einem dann doch Zweifel. Warum hat man die beiden offenbar Streife laufenden Beamt(innen) nur von hinten abgelichtet? War es die Rücksicht vor den Identitäten der so unfreiwillig dem CDU-Wahlkampfteam Beispringenden ? Oder handelt es sich doch nur um dressmen (women), die eine billige show aufführen? Nun, man hat ja noch den markigen Spruch, der in seiner Klarheit unverrückbare Treue zum und Glauben an den Rechtsstaat widerspiegelt. Hier sind zwei unterwegs, die sich dem Schutz der Bevölkerung ganz verschrieben haben, und wer CDU wählt, der wird denen den Rücken stärken, oder?

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In Wahrheit hat sich das Wahlkampfteam hier eher einen „Freud‘schen“ Versprecher geleistet, auf dem einzigen Gebiet, über das man vielleicht besser den Mantel des Schweigens hätte breiten sollen. Die „Partei der Inneren Sicherheit“ offenbart unbewusst auf diesem Plakat (mit dem die Presse zu Recht nicht viel anfangen konnte) das ganze Dilemma dessen, was von Vielen als weiteres Indiz für „Germany is Finished“ gewertet wird. Der Betrachter wird sich bei längerer Betrachtung folgende Fragen stellen:

Warum hat die CDU dieses Bild gewählt, und nicht zwei Amts- oder Familienrichter in vollem Ornat, oder Berufsschullehrer vor einem Jahrgang? Weil die Probleme mittlerweile so drängend und so akut sind, dass sie weder vor Gericht, noch in der Schule, sondern nur noch auf der Straße angegangen werden können. Der CDU Wahlkampfplaner hat damit bewiesen, dass ihm (oder ihr) dies völlig klar ist. Nebenbei bestätigt sich damit auch, dass die CDU den dramatischen Charakter der Entwicklung in den Brennpunkten der Republik UND die fatale, stille Einschätzung der Bevölkerung kennt, dass nämlich hier nur noch ein „starker uniformierter Arm“ helfen kann.

Warum müssen denn diese beiden Bundespolizisten „stark“ für uns sein? Weil sie die Letzten sind, die noch über ausreichend Kraft verfügen, um die Probleme der Gesellschaft zu lösen. Durchgreifen auf der Strasse, im Einsatz. (Wenn ihnen die Politik das erlaubt.)

Weil es sonst niemanden mehr gibt, der gewillt wäre, stark zu sein oder Stärke zu zeigen. Alle Probleme werden von Frau Merkel oder einem ihrer tüchtigen Minister(innen) in guten Gesprächen oder auf Gipfeln besprochen und anschließend auf klinisch sauberem Wege ausgeräumt.

Wenn es sich bei den Abgebildeten um Bundespolizisten handelt, so erklärt das u.U. den Aufnahmeort, augenscheinlich ein Bahnhof irgendwo in einer deutschen Großstadt. Viele werden sich der Symbolik nur schwer entziehen können, auch wenn die Umgebung gnädig durch wild umherflatternde schwarzrotgoldene Bänder verhüllt wird.

Somit stehen die beiden Uniformierten für die Letzten, die noch wirkliche Stärke zeigen können und das auch dürfen, wenigstens im Wahlkampf-Bewusstsein der CDU.

Emil Kohleofen ist freier Publizist.

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