Tichys Einblick
Analyse vor der Landtagswahl NRW

Die Ampel bremst CDU und CSU dauerhaft aus

Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zeigen die Zukunft der CDU auf: eine Zukunft ohne Koalitionspartner. Und somit in der Opposition – es sei denn, die Partei besinnt sich.

CDU-Wahlkampfveranstaltung in Olpe (Sauerland/NRW) am 02.05.22

Noch gut eine Woche bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen: Die CDU liegt nur knapp vor der SPD. Jetzt kommt es auf die „Mobilisierung“ an: Wer bringt einen höheren Anteil seiner Wähler zur Stimmabgabe? Wem gelingt es nicht, ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass es dieses Mal drauf ankommt? Wie erfolgreich das verläuft, hängt von dem ab, was die Politikwissenschaftler „Machtoption“ nennen. Randständige Parteien wie die AfD oder die Linke im Westen können mobilisieren, indem sie Unmut aufgreifen und somit unzufriedene Bürger einsammeln. Die anderen Parteien müssen ihren Wählern das Gefühl geben, eine Chance zu haben, in die Regierung zu kommen. Sie am besten sogar zu führen – eine „Machtoption“ halt.

Genau diese Machtoption – beziehungsweise ihr Fehlen – könnte nächste Woche die Wahl im größten deutschen Bundesland entscheiden. In den Umfragen liegen SPD und CDU fast gleich auf, die regierende Union um zwei bis vier Prozentpunkte vorne. Doch das Feld hinter den beiden „Volksparteien“ sieht für die CDU nicht gut aus: In der jüngsten Umfrage des ZDF reicht es sogar für Rot-Grün. Die bestehende schwarz-gelbe Mehrheit hat nach der Umfrage gar keine Chance, fortgesetzt werden zu können.

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Und was nun, CDU? Die CDU hat nur eine Chance, die Staatskanzlei zu verteidigen, wenn sie stärker abschneidet als die SPD und es zu keiner anderen Koalition kommen kann als der großen. In den entscheidenden Tagen des Wahlkampfs muss die CDU also für eine große Koalition werben. Keine sehr attraktive Option. Deswegen müht sich die CDU, das Thema Koalitions-Bildung im Vorfeld nicht aufkommen zu lassen. Nur verringert es halt die Strahlkraft im Wahlkampf, wenn ein Kämpfer ein wichtiges Thema aussparen muss. Allzumal wenn es um eine Partei geht, die weiter den Ministerpräsidenten stellen will.

Die SPD ist in einer bedeutend komfortableren Situation als die CDU: Klappt es mit Rot-Grün, ist ohnehin alles in Ordnung. Fehlt es am Ende an ein, zwei Prozentpunkten, hat die SPD zwei Möglichkeiten: die besagte große Koalition und die Ampel. Vor fünf Jahren hatte die FDP in Nordrhein-Westfalen noch einen Wahlkampf gemacht, der stark gegen die damalige rot-grüne Landesregierung gerichtet war. Doch mit der Ampel im Bund wäre es kein Spagat für die Liberalen, auch am Rhein die Ampel leuchten zu lassen.

Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen
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Das verbessert gegebenenfalls die Situation der SPD in Koalitionsverhandlungen: Wer zwei Optionen hat, kann besser pokern als jemand mit nur einer Option. Vor allem nutzt die Ampel aber den Sozialdemokraten in den heißen Tagen des Wahlkampfs: Sie können ihre Anhänger mit der Aussicht auf die Rückkehr in die Staatskanzlei mobilisieren. Das motiviert den engeren Kreis, der auf Jobs und Beförderung hofft – ist aber auch verlockend für die Wähler, die in ihrer Entscheidung zwischen SPD und CDU wanken. Einfache Psychologie: Menschen gehen gerne mit dem Sieger. Deswegen ist es wichtig, im Wahlkampf wie der kommende Sieger auszusehen.

Ampel genauso wie Jamaika galten anfangs nur als Notlösungen in einer komplizierter werdenden Parteienlandschaft. Die Grünen scheuten sich, mit den Christdemokraten zusammenzugehen, den Liberalen ging es mit den Sozialdemokraten ähnlich. 2005 scheiterte die Koalitionsverhandlung nach der Bundestagswahl genau daran: Weder FDP noch Grüne wollten mit der von ihnen ungeliebten Volkspartei zusammengehen. Angela Merkel (CDU) musste eine ihrer drei großen Koalitionen bilden.

Die Wende kam 2016 in Rheinland-Pfalz. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) wollte partout nicht mit Julia Klöckner (CDU) koalieren. Deswegen bildete sie eine Ampel. Diese entschied sich für eine Politik der ruhigen Hand. Problemlösungen wurden verschoben. Rheinland-pfälzische Politiker kennen seitdem mehr Wörter für Arbeitskreis als Eskimos für Schnee. Doch bei den Wählern kam es an: Sie bestätigten 2021 die Ampel, die blieb im Amt. Jamaika war zehn Jahre zuvor im Saarland krachend gescheitert.

Gebildet worden war die Ampel in weniger als zwei Monaten. Es war Volker Wissing, der sie als FDP-Landeschef forcierte. Der heutige Bundesverkehrsminister und zwischenzeitliche FDP-Generalsekretär war und ist ein erklärter Gegner der Merkel-CDU. Er hat der Kanzlerin nicht verziehen, wie sie sich 2013 vor und nach dem Rauswurf der FDP aus dem Bundestag verhalten hat. Als Generalsekretär war er auch im Bund der Architekt der Ampel. Käme sie jetzt im größten deutschen Bundesland ebenso wie im Bund selber, wäre sie als Koalitionsoption endgültig etabliert – anders als Jamaika.

„Ampel“ fest im Sattel
Die CDU ist nach 16 Jahren Merkel nicht regierungsfähig
Für die Union wäre das fatal. Nach Wahlen wäre es für sie meistens so, wie es sich jetzt in Nordrhein-Westfalen abzeichnet: Die Ampel mit einer sicheren Mehrheit und CDU und CSU blieben nur AfD und Linke als potenzielle Partner. Damit wäre die Union auf die Oppositionsrolle festgelegt. Rheinland-Pfalz hat ihr einen Vorgeschmack darauf geliefert, wie sich das auswirkt: Bei der Wiederwahl der Ampel holte die CDU 2021 im Land von Helmut Kohl ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Das hing mit aktuellen Themen zusammen wie der Corona-Politik oder dem Maskenskandal. Aber die Ampelkonstellation schadete der CDU ebenfalls.

Verfestigt sich die Ampel als erste Wahl in der Koalitionsbildung, dann bliebe der Union nur der Ausweg, wie er sich in Schleswig-Holstein abzeichnet: so stark werden, dass keiner an ihr vorbei kommt. In der aktuellen ZDF-Umfrage ist die CDU im hohen Norden stärker als SPD und Grüne zusammen. Das macht sie dominant. Sodass sogar die nach links tendierende dänische Minderheitenpartei „Südschleswigscher Wählerverband“ angekündigt hat, der CDU im Zweifelsfall fehlende Stimmen zu einer Mehrheit beischustern zu wollen.

Nur ist der Weg der Union zu solch einer Stärke nach Merkel weit. Zur Wahl des Bundespräsidenten hat der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz keinen eigenen Kandidaten aufgestellt. Nicht gerade ein Signal der Stärke. Auch kein Signal des Selbstbewusstseins. Genau das braucht aber die Union künftig. Merkel hat die Dinge immer vom Ende her gedacht. Und genau zu diesem Ende hat sie ihre Partei geführt, indem sie dem rot-grünen Zeitgeist ohne Stolz auf die eigene Position hinterher gelaufen ist. All zu viele Karriersten in der Partei sind ihr dabei gefolgt.

Nun steht die Union da: nicht mehr viel stärker als die SPD. Keine regierungsfähige Partei will mit ihr koalieren. Und als Dreingabe machen ARD und ZDF keinen Hehl mehr aus ihrer Abneigung gegen die Merz-CDU. Bundesweit so stark zu werden wie in Schleswig-Holstein, ist daher momentan für die Union nicht in Sicht.


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